Portfoliomanagement Taiwan – Der unechte Black Swan: Reisebericht eines Fondsberaters

Marc Profitlich, Co-Gründer von Profitlich Schmidlin, schreibt über seine Reise nach Taiwan.

Marc Profitlich, Co-Gründer von Profitlich Schmidlin, schreibt über seine Reise nach Taiwan. Foto: ProfitlichSchmidlin AG

Schwarze-Schwan-Ereignisse sind dem Autor Nassim Nicholas Taleb zufolge dadurch charakterisiert, dass diese massive Folgen haben und nicht vorhersagbar oder erwartbar sind. Ein Beispiel hierfür sind die Terroranschläge vom 11. September 2001. Unechte schwarze Schwäne sind indes Ereignisse mit schwerwiegenden Folgen, die bei genauer Analyse hätten erkannt werden können. Die Corona-Pandemie war ein solches Ereignis dar, denn vor dem Risiko wurde im Jahr 2015 bereits im Rahmen eines Ted-Talks von Bill Gates gewarnt. Eine militärische Auseinandersetzung in Taiwan wäre ebenfalls ein solcher unechter schwarzer Schwan, denn die Auswirkungen wären verheerend und gleichzeitig wird die Presse schon heute von dem schwelenden Konflikt beherrscht. Wir waren vor Ort und haben uns ein Bild der Lage gemacht. 

Ein Tiger war geboren

Nach dem Ende des chinesischen Bürgerkriegs im Jahr 1949 floh die unterlegene Kuomintang – auch als Nationale Volkspartei Chinas bezeichnet – nach Taiwan. Seit 1912 hatte die Partei auf dem chinesischen Festland geherrscht. Nach der Niederlage gegen die Kommunisten um Mao Zedong zog sich die politische Elite nach Taiwan zurück. Zunächst hielten sich beide Teile für den rechtmäßigen Nachfolger der Republik China und beanspruchten das vollständige Gebiet Chinas. Angesichts der Macht und Größe der Volksrepublik China wurde das Festland in den folgenden Jahrzehnten völkerrechtlich anerkannt, während die Souveränität Taiwans aufgrund des politischen Drucks der Volksrepublik keine Anerkennung fand. China zufolge ist Taiwan ein Teil seines Staatsgebietes.

Die Wirtschaft Taiwans wurde in den auf den Bürgerkrieg folgenden Jahrzehnten geschickt von einer Agrarwirtschaft zu einer auf Dienstleistung und Hochtechnologie spezialisierten Wirtschaft transformiert. Inflationsbereinigt und in US-Dollar betrug das Wirtschaftswachstum in Taiwan seit 1950 annähernd 5 Prozent – aufgrund des hohen Wirtschaftswachstums wurde das Land besonders in den 80er und 90er Jahren auch zu den besonders wachstumsstarken asiatischen „Tiger“-Staaten gezählt.


Fakten über Taiwan:

  • Fläche: Taiwan ist ein Zehntel so groß wie Deutschland. Das Land kommt dennoch auf 24 Millionen Einwohner. Damit hat Taiwan mehr Einwohner als die Niederlande. Taiwan ist das Flächenland mit der höchsten Bevölkerungsdichte der Welt.
  • Wirtschaft: Das BIP von Taiwan ist das 22. höchste der Welt, damit ist die Wirtschaft etwa so groß wie die Schweiz und cica halb so groß wie Mexiko oder Spanien.
  • Wohlstand: Beim BIP pro Kopf liegt das Land weltweit auf Platz 32 und damit hinter Italien und Japan, aber vor Spanien.
  • Lage: Zu Taiwan gehörende Inselgruppen sind teilweise nur zwei Kilometer vom chinesischen Festland entfernt. Taiwan zählt zur sogenannten First Island Chain, die seit dem Zweiten Weltkrieg für die USA eine wichtige Rolle bei der Kontrolle und Absicherung des Pazifik spielt.
  •  Einfluss:
    • TSMC: Der größte Chip-Hersteller der Welt kommt aus Taiwan. 92 Prozent aller modernen Chips werden in Taiwan hergestellt. TSMC ist mit etwa 450 Milliarden US-Dollar Marktkapitalisierung größer als die drei größten deutschen Konzerne SAP, Siemens und Deutsche Telekom zusammen.
    • Hon Hai, hierzulande als Foxconn bekannt, ist einer der größten privaten Arbeitgeber in China. Das Unternehmen bekommt vom chinesischen Staat derzeit immer noch Subventionen.
    • Evergreen, Yang Ming, Wan Hai Lines, TS Lines: Zwei der zehn größten Containerschiff-Reedereien kommen aus Taiwan. Kein anderes Land der Welt hat mehr als ein Unternehmen in den Top 10, unter den Top 20 sind es bei Taiwan sogar vier.

Taiwan ist für die Weltwirtschaft unersetzlich

Nachdem sich das Land zunächst auf die Produktion einfacher Güter spezialisierte – zeitweise kamen drei von vier auf der Welt produzierten Regenschirmen aus Taiwan – wurde in den letzten Jahrzehnten die Produktion von Mikrochips immer bedeutender. Das Land beherrscht dabei Schlüsseltechnologien. Bei modernen Chips, die in den vergangenen sieben Jahren entwickelt wurden (<10-nm-Technologie), kommt Taiwan etwa auf einen Weltmarktanteil von 92 Prozent. Kein iPhone kommt ohne diese Komponenten aus. Künstliche Intelligenz und Cloud-Anbieter wie Microsoft und Amazon setzen ebenso auf die Produkte aus Taiwan. Das mit großem Abstand wichtigste Unternehmen ist dabei der Chip-Hersteller TSMC aus Hsinchu. 

Marc Profitlich vor dem Eingang des TSMC-Museums.
Marc Profitlich vor dem Eingang
des TSMC-Museums. © privat

TSMC wurde erst 1987 von Morris Chang mit Unterstützung des taiwanesischen Staates  gegründet. Das Unternehmen entwickelte sich von einem auf einfache Technologien spezialisierten Auftragsfertiger zum größten Chiphersteller der Welt. Während Intel frühestens Ende des Jahres 2024 die modernsten Chips der 3-nm-Kategorie fertigt, ist dies bei TSMC bereits seit Ende 2022 Routine – der ehemalige amerikanische Branchenprimus kommt inzwischen auf einen technologischen Rückstand von (mindestens) zwei Jahren. Die Marktkapitalisierung von TSMC beträgt heute etwa 450 Milliarden US-Dollar, was in etwa dem Dreifachen von Intel entspricht. Das Unternehmen zählt zu den größten der Welt.