Entschlossener Zinsschritt Riskiert die EZB trotz Credit Suisse und SVB eine Bankenkrise in Europa?

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Die Entscheidung der EZB wurde von vielen Marktteilnehmern gelobt. So sprach sich beispielsweise Henriette Peucker, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Bankenverbandes, dafür aus, dass die EZB ihren Kurs fortsetzt „damit die Inflation mittelfristig und nachhaltig zurückgedrängt werden kann. Dabei bewegt sich die EZB aktuell in einem anspruchsvollen Umfeld.“ Es sei wichtig, dass der Kampf gegen die Inflation weiterhin hohe Priorität hat. „Auch nach der heutigen Leitzinserhöhung kann für die Inflation im Euroraum noch keine Entwarnung gegeben werden“, betonte Peucker.

 „Das war sehr mutig, aber auch sehr richtig.“

Die Probleme der US-Banken sowie der Credit Suisse sind durch die schnell gestiegenen Zinsen in den USA und Europa zwar verstärkt worden, es handelt sich aber um Einzelfälle, sagt Targobank-Chefvolkswirt Otmar Lang. Die Gefahr einer Ansteckung für den Bankensektor sieht er nicht. Auch er begrüßt daher den EZB-Entscheid. Der Rat habe „eine härtere Gangart eingeschlagen als angenommen. Das war sehr mutig, aber auch sehr richtig. Notenbanken sind in allererster Linie der Geldwertstabilität verpflichtet“, so Lang.

Leichen im Keller?

Mathias Beil, Leiter Private Banking der Hamburger Sutor Bank, bewertet den EZB-Entscheid sogar als stabilisierend: „Alles andere als an der vorab bereits mehr oder weniger kommunizierten Entscheidung festzuhalten hätte unerwünschte Signale in den Markt gesendet.“ Geringere oder keine Zinserhöhungen hätten zwar Gefahren für den Bankensektor abfedern können, hätte die EZB den Zinsschritt aber verschoben „wäre das wohl auch so interpretiert worden, dass die Banken noch mehr ‘Leichen im Keller’ haben”, so Beil.

Doch gibt es auch Stimmen, die nicht ausschließen, dass die Notenbankpolitik die Finanzstabilität in der Zukunft gefährden könnte. So geht Johannes Mayr, Chefvolkswirt bei Eyb & Wallwitz davon aus, dass die Inflationsbekämpfung „oberstes Ziel“ der EZB bleibt. „Mit weiteren  Kollateralschäden muss deshalb gerechnet werden. Denn die Schmerzgrenze für die  Finanzstabilität liegt auf einem niedrigeren Leitzinsniveau als für die Realwirtschaft“, warnt Mayr.

Gefährden die EZB und die Fed die Finanzstabilität?

Ebenso befürchtet Matteo Cominetta, Chefvolkswirt am Barings Investment Institute, dass weitere Zinsschritte den Finanzsektor in die Krise führen könnten. Zunächst hätte die gestrige Erhöhung der EZB die Märkte zwar beruhigt, doch würden die Märkte lediglich eine letzte Anhebung um 0,25 Prozentpunkte einpreisen. Diese wird laut Cominetta die Inflation jedoch nicht ausreichend eindämmen. Er fürchtet: „Da die Märkte derzeit nur das erwarten, scheint die Zukunft entweder eine Bankenkrise oder einen großen Schock für die EZB-Zinsen bereitzuhalten. Beides ziemlich unangenehm.“

 „Man kann vor einer politischen Kontrolle der Notenbanken nur warnen.“

Robert Greil, Chefstratege von Merck Finck, gibt teilweise Entwarnung. Er sieht in der schnellen Zinswende zwar ebenfalls Risiken und die Gefahr, dass die Notenbanken zu weit gehen könnten. Doch: „Auch wenn einiges an den Beginn der Bankenkrise vor rund 15 Jahren erinnert: Die Sachlage ist heute eine ganz andere. Die in den vergangenen Tagen aufgetauchten Probleme bei US-Regionalbanken und auch in der Schweiz sind aus unserer Sicht eher unternehmensspezifisch denn systemisch“, beruhigt Greil. Riskant werde es jedoch, wenn sich die Fälle häufen und damit das Vertrauen in den Bankensektor gefährden würden.

 

 

Unabhängig davon wie stark steigende Leitzinsen die Finanzstabilität gefährden und das Wirtschaftswachstum drücken, warnt Stefan Bielmeier, Vorstandsmitglied der DZ Privatbank, vor vermeintlich einfachen politischen Lösungen: „Man kann vor einer politischen Kontrolle der Notenbanken nur warnen. Ein wesentlicher Pfeiler der Geldpolitik ist ihre Glaubwürdigkeit und diese würde stark leiden, wenn Zinsanhebungen oder allgemeiner die Geldpolitik der politischen Kontrolle unterlägen. Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen wären aus meiner Sicht viel negativer als im aktuellen System der unabhängigen Notenbanken.“ 

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