Grüne Wertpapiere Aktuare sehen systemische Risiken

Bulle und Bär vor der Frankfurter Börse: Die Deutsche Aktuarvereinigung warnt vor einer Blasenbildung bei den grünen Anlagen.

Bulle und Bär vor der Frankfurter Börse: Die Deutsche Aktuarvereinigung warnt vor einer Blasenbildung bei den grünen Anlagen. Foto: imago images / Jan Huebner

Die Deutsche Aktuarvereinigung (DAV) schaltet sich in die Debatte für mehr Klimaschutz ein. Der Vorstandsvorsitzende des Verbands der Versicherungs- und Finanzmathematiker, Guido Bader, hält es für wichtig, diese Thematik nicht nur auf den Klimaschutz zu verengen, sondern auch soziale Aspekte sowie Fragen guter Governance in den Unternehmen in den Fokus zu rücken. „Denn erst im Dreiklang dieser Faktoren kann nachhaltiges Handeln gelingen“, sagte Bader anlässlich der Sitzung des Sustainable-Finance-Beirats der Bundesregierung am 20. April 2020. Bader gehört dem Gremium an. 

Der Aktuarverband fordert mehr Informationen über die Folgen des Klimawandels auf die Realwirtschaft und damit auf die Kapitalanlagen der Versicherer. „Durch die zusätzlichen Informationen können wir unsere Risikomodelle verbessern. Dies hat auch der Sustainable-Finance-Beirat erkannt und regt neue, einheitliche Berichtspflichten der Unternehmen sowie tiefgründige wissenschaftliche Studien an“, erläutert Bader die Pläne. 

Zugleich warnen die Versicherungssachverständigen aber auch vor den Schattenseiten „ungebremster Investitionen in green investments“. Einer zunehmend größer werdenden Nachfrage stehe ein bisher sehr beschränktes Angebot an nachhaltigen Anlageformen gegenüber. „Die Aufsicht wie die politischen Entscheidungsträger dürfen nicht zulassen, dass es zur Blasenbildung bei den green investments kommt“, fordert Bader.

Nach Analysen des Verbands würde die Gefahr der Blasenbildung sogar noch verstärkt, wenn bei nachhaltigen Kapitalanlagen grundsätzlich geringere Risiken als bei konventionellen Investments unterstellt würden und daher für sie weniger Risikokapital vorzuhalten wäre. Diese vielfach geäußerte politische Forderung widerspreche dem im Versicherungsregelwerk Solvency II verankerten Prinzip „gleiches Risiko, gleiches Kapital“ (same risk, same capital)‘, das sich nach Einschätzung Baders in den vergangenen Jahren bewährt hat.

Zugleich sieht Bader die Gefahr, dass aus einer Blasenbildung bei den grünen Kapitalanlagen neue systemische Risiken erwachsen könnten. „Welche Ansteckungsgefahr systematische Risiken für die gesamte Finanzwirtschaft haben, erleben wir seit fast zehn Jahren hautnah durch die andauernde Tiefzinssituation.“ Diese habe als weltweite Staatsschuldenkrise begonnen und sei durch die Markteingriffe der Europäischen Zentralbank zu einer Belastung für das gesamte Finanz- und Versicherungswesen herangewachsen. 

Für die erhöhte Kreditaufnahme der Bundesrepublik und der Bundesländer im Zuge der Bewältigung der Krise bietet sich nach Einschätzung des Nachhaltigkeitsbeirats an, mehr grüne Anleihen aufzulegen. Damit ließen sich die negativen ökonomischen und sozialen Folgen der Covid-19-Pandemie bekämpfen und mildern. Gleichzeitig würden damit interessante Produkte geschaffen. Das könnte dem Segment in Deutschland einen entscheidenden Schub verschaffen. 

Die Finanzwirtschaft will einen wesentlichen Beitrag zur sogenannten großen Transformation der Wirtschaft leisten, also beim Umbau der Unternehmen hin zu weniger CO2-Emissionen. Darauf hat der von der Bundesregierung eingesetzte Beirat für nachhaltige Finanzierung im März 2020 hingewiesen. 

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