Institutionelle Kapitalanlage Warum Versicherungen auf Infrastruktur setzen

Christoph Gisler von Swiss Life Asset Managers

Christoph Gisler von Swiss Life Asset Managers: „Wie stark setzt man auf staatliche Vergütungssysteme, die weltweit auf dem Rückzug sind, verkauft man den Strom zu Spotmarkt-Konditionen, die sehr volatil sind, oder setzt man auf langfristige Abnahmeverträge mit großen Stromabnehmern wie Industriebetriebe oder Versorger?“ Foto: Swiss Life Asset Managers

Aus Sicht institutioneller Investoren sprechen nach wie vor einige zentrale Argumente für Investments in illiquide Infrastruktur-Assets. Erstens hat sich in der Vergangenheit erwiesen, dass eine Beimischung von fünf bis zehn Prozent Infrastruktur in einem breit diversifizierten institutionellen Portfolio auf lange Sicht ein höheres Renditepotenzial bei gleichzeitig geringerer Volatilität ermöglicht im Vergleich zu einem ansonsten ähnlichen Referenzportfolio ohne Infrastruktur. Zweitens weisen sie in der Regel eine auch langfristig recht konstante Ertragsstruktur auf, die stabile Cashflows für die Investoren ermöglicht.

Drittens kommt neben finanziellen Aspekten noch die Möglichkeit hinzu, eine nachhaltige gesellschaftliche Wirkung – einen Impact – zu erzeugen: Infrastruktur bildet die Voraussetzung für den Wohlstand künftiger Generationen. Klimaschutz und Energiewende sind undenkbar ohne entsprechende Infrastruktur. Und viertens handelt es sich um Realwerte mit einem Werterhalt über viele Jahrzehnte, die von Zeiten hoher Inflation profitieren können.

Institutionelle Investoren haben zumeist einen langen Anlagehorizont. Das gilt auch für Versicherungen, vor allem für Lebensversicherungen. Manche Rentenverträge haben Laufzeiten von 50 Jahren und mehr. Um diese Leistungsverpflichtungen zu erfüllen, sind langfristige Kapitalanlagen notwendig, die gleichzeitig regelmäßige Cashflows generieren. Bei Infrastruktur handelt es sich oftmals um Generationenprojekte mit Anlagedauern von 50, 80 oder sogar 100 Jahren. Das ist an den liquiden Wertpapiermärkten und Börsen nur schwer darstellbar.

Zwei Teilsegmente von Infrastruktur sind derzeit für institutionelle Investoren interessant 

Gerade risikoaverse Investoren schätzen die geringe Volatilität der Infrastruktur-Erträge, die Stabilität in das Gesamtportfolio bringen können. Auch im Hinblick auf regulatorische Aspekte wie die Solvabilitätsquote oder die Kapitalunterlegung gehört Infrastruktur zu den Assetklassen, die für Versicherungen eine hohe Kapitaleffizienz aufweisen können.

Als Asset-Management-Tochter eines großen schweizerischen Lebensversicherungskonzerns verwalten wir selbst derzeit mehr als zehn Milliarden Franken an Infrastruktur-Equity-Vermögenswerten, die in über 70 Infrastrukturfirmen investiert sind. Rund 4,8 Milliarden davon entfallen auf die Konzernmutter. Aus unserer Sicht bieten derzeit neben Mobilität und sozialer Infrastruktur vor allem zwei Teilsegmente im Infrastrukturbereich große Chancen, beide in erster Linie aus Gründen der Aktualität.

 

Zum einen ist das der Bereich digitale Kommunikation, unter anderem bei Rechenzentren. Damit sind nicht nur die großen zentralen Rechenzentren gemeint, sondern auch kleinere dezentrale Einheiten, die sich in unmittelbarer Nähe zu den „Verbrauchern“ befinden, etwa zu Industriebetrieben. Die Digitalisierung industrieller Prozesse („Industrie 4.0“) und Edge Computing erfordern immer größere Datenmengen bei immer geringeren Latenzzeiten. Mit größerer Entfernung der Rechenzentren vom Produktionsort steigt auch die Latenzzeit. Deshalb sehen wir in dezentralen Rechenzentren, die zusammen ein Daten-Ökosystem bilden, einen großen Zukunftstrend, der Investoren neben Wachstumschancen auch einen konstanten Cashflow bei relativ überschaubaren Risiken ermöglicht.

Zum anderen sehen wir in erneuerbaren Energien und allem, was damit zusammenhängt, ebenfalls einen großen und wichtigen Anlagetrend, der noch längst nicht ausgereizt ist. Die Relevanz liegt auf der Hand: Die Energiewende sowie das Thema Versorgungssicherheit angesichts des Kriegs in der Ukraine machen weiterhin gewaltige Investitionen in Photovoltaik, Windkraft und andere erneuerbare Energieträger erforderlich. Das gilt längst nicht nur für die eigentlichen Erzeugungskapazitäten, sondern auch für die erforderliche Infrastruktur wie Stromnetze und Speicherkapazitäten oder auch neue Entwicklungen wie die Treibstoffproduktion auf Basis von grünem Wasserstoff.

Investitionen sind kein Selbstläufer mehr – das birgt Risiken

Auf dem Weg zur Klimaneutralität haben wir in Europa erst einen kleinen Zwischenschritt erreicht. So stammen nur 22 Prozent des Energieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen. Es wird daher noch ein Vielfaches der bisherigen Anstrengungen benötigen, bis dieses Ziel erreicht sind.

Wir sehen gerade im Bereich der Erneuerbaren aber auch ein gewisses Risiko – oder anders gesagt den Eintritt dieser Assetklasse in eine neue Marktphase. Investitionen in dieses Segment sind keine Selbstläufer mehr. Man benötigt eine gute und ausgewogene Strategie, um auf Dauer erfolgreich und profitabel zu sein. Vor allem gilt es dabei – wie immer – breit zu diversifizieren, vor allem nach Geschäftsmodellen, Technologien und Standorten.

 

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Zudem kommt den Stromvermarktungsmodellen eine wachsende Bedeutung zu: Wie stark setzt man auf staatliche Vergütungssysteme, die weltweit auf dem Rückzug sind, verkauft man den Strom zu Spotmarkt-Konditionen, die sehr volatil sind, oder setzt man auf langfristige Abnahmeverträge mit großen Stromabnehmern wie Industriebetriebe oder Versorger?

Die Kunst hierbei liegt darin, komplementäre Geschäftsmodelle im Portfolio abzubilden und die Volatilität der Erträge zu senken. Das ökonomische Potenzial und die Investitionsmöglichkeiten dazu sind vorhanden. Zudem lassen sich damit Nachhaltigkeitsaspekte im Anlageportfolio sehr gut umsetzen.

Viele Unterschiede innerhalb von Infrastruktur als Anlageklasse

Infrastruktur als Assetklasse ist so vielfältig wie kaum ein anderes Segment im Sachwerte-Bereich. So langlebig die einzelnen Assets oftmals sind, so wandlungsfähig ist das ganze Segment, das stetig um neue Teilsegmente und Innovationen ergänzt wird. Ein gutes Beispiel dafür ist das Thema Abfall- und Kreislaufwirtschaft, in dem wir großes Potenzial sehen. Entscheidend für die meisten institutionellen Investoren – insbesondere Versicherungen – sind dabei die langfristige Stabilität der Cashflows sowie der langfristige Werterhalt.

Gerade in Inflationszeiten kommt dem realen Werterhalt große Bedeutung zu. Viele Infrastrukturbereiche – zum Beispiel Verkehrswege und Netze jeder Art – zeichnen sich durch ein natürliches Monopol aus: Es ist volkswirtschaftlich und gesellschaftlich nicht sinnvoll, dass man auf demselben Versorgungsgebiet mehrere Strom-, Kabelfaser-, Gas- oder Wasserleitungsnetze nebeneinander führt.

 

Dafür, dass die Anbieter nicht missbräuchlich wirtschaften, sorgen in reifen Märkten die Regulierungsbehörden. Sie sind es gleichzeitig auch, die das Verlustrisiko minimieren. Denn auskömmliche Erträge aus Infrastruktur liegen auch im Interesse eines jeden Staates, der eine riesige Bugwelle an erforderlichen Investitionen vor sich herschiebt, welche ohne Mobilisierung privaten Kapitals langfristig nicht zu bewältigen ist.

Wir sind der Überzeugung, dass diese guten Argumente für Infrastruktur-Investments nicht nur für institutionelle Investoren gelten, sondern im Prinzip auch für Privatinvestoren – zumindest für solche, die über ausreichend Kapital verfügen, um ein breit gestreutes Portfolio auch aus illiquiden Assetklassen aufzubauen. Was derzeit noch fehlt, ist eine breite Auswahl geeigneter Produkte einschließlich der Vertriebswege, die einen Einstieg in eine Welt ermöglichen, die sonst hauptsächlich den „Profis“ vorbehalten ist.


Über den Gastautor:
Christoph Gisler leitet das Segment für Infrastruktur-Eigenkapital-Investitionen bei Swiss Life Asset Managers. Gisler ist zudem Mitglied der Geschäftsleitung beim Asset Manager der Lebensversicherung. Er arbeitete unter anderem auch für die Credit Suisse, Capital Dynamics und Fontavis.

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