Wie jedes Jahr trafen sich in der letzten Woche wieder die Vertreter der Private-Equity-Branche zum Klassentreffen auf der ohne Ironie „Super Return“ genannten Konferenz in Berlin. Medial wurde das Event mit gesteigertem Interesse verfolgt, nachdem neben fachlich etablierten Namen wie David Rubenstein von Carlyle, Jenny Johnson von Franklin Templeton, Orlando Bravo von Thoma Bravo und vielen anderen erstmals auch Kim Kardashian auf die Bühne trat. Die Stimmung war sehr gut, was sicher auch an dem zeitlichen Umzug vom Februar in den Juni lag. Durch die abermals gestiegenen Kosten der Konferenz diffundiert die Veranstaltung immer weiter vor das Hotelgelände, bis hin zu gemieteten Tiny Houses auf der Straße und den Hotels und Gastronomien im Umkreis.
Wie das Handelsblatt schon vor der Konferenz titelte, stehen der Branche „härtere Zeiten“ bevor. Nach vielen Jahren niedriger Zinsen fehlt nun der konstante Rückenwind, der es einigen Marktteilnehmern leicht gemacht hatte. Wir betreten in der Branche jetzt eine Phase, in der man neben mehr operativem Geschick auch ein neues Maß an Geduld mitbringen muss.
Wie bei wahrscheinlich allen Industrieevents musste man sich in Gesprächen auf der Super Return 2023 zunächst durch die erste Schicht optimistischer Selbstdarstellung durcharbeiten, um von Teilnehmern einen belastbaren Eindruck der aktuellen Lage zu bekommen. Unsere Eindrücke teilen wir wie jedes Jahr anhand einiger relevanter Themen:
Die Performance
Die Ergebnisse der Fonds, gerade in der Marktvolatilität des letzten Jahres, waren gut, die operativen Ergebnisse der Beteiligungsunternehmen auch. Vor allem leiden aber die Unternehmen, die rückblickend überteuert gekauft oder komplex und hoch verschuldet wurden. Private Equity hat sein Mandat als Portfoliostabilisator insgesamt aber erfüllt. Für neue Deals – so behaupten es die meisten Fondsanbieter – hätten sie ihre Renditeerwartungen nicht angepasst. In Zeiten gestiegener Zinsen bedeutet das allerdings eine geringere Überrendite zum restlichen Kapitalmarkt als in den letzten zehn Jahren.
Die Deals
Das Deal-Volumen hat sich stabil gehalten, allerdings gab es im letzten Jahr deutlich weniger Megadeals. Es waren viele Zukäufe („Add-Ons“) und weniger Exits. Die Haltedauer der Zielunternehmen verlängert sich, damit fließen auch weniger Ausschüttungen an die Fondsinvestoren. Neue Deals werden von fehlender Bankenfinanzierung ausgebremst. Hier fragen sich viele Marktteilnehmer, ob und wie Private-Debt-Fonds ihre Rolle verändern werden.
Zinssensitive Unternehmen mit hoher Kapitalbindung („Capex“) und B2C-Modelle werden gemieden, „Asset light“-Deals erfreuen sich weiter hoher Nachfrage. Viele US-Investoren machen momentan einen Bogen um Europa, vor allem wegen des Krieges in der Ukraine und der Energiekrise.
Das Fundraising
Durch Allokationsverschiebungen und das geringere Ausschüttungsvolumen sind die Spielräume für Neuinvestitionen der Investoren eingeschränkt. Dadurch verzögern sich viele Fundraisings. Ein Fondsvertreter brachte den knackigen Kommentar: „Wer das bestreitet, der lügt“. Es gibt aber nach wie vor Spezialisten, denen es auch im gegenwärtigen Umfeld immer noch gelingt, Fonds nach sehr kurzer Fundraisingdauer zu schließen. Das erhöhte Potential kleinerer Fonds entdeckt eine ganze Reihe von Managern gerade neu. Sie legen parallel zu ihren Hauptfonds, die über die Jahre immer größer geworden sind, nun vermehrt auch „back to the roots“-Fonds mit deutlich kleinerem Volumen auf.
Die Value Creation
Im Ausblick ist sich die Branche einig, dass man bessere Antworten auf die Fragen nach operativer Wertsteigerung finden muss. Dabei bietet das neue Umfeld auch wieder neue Chancen, da zum Beispiel globale Lieferketten neu gedacht werden müssen und geopolitische Unsicherheit zu lokaleren Strategien in der Produktion führt. Die weitgehend passive Multiple-Expansion-Begleitung eines Unternehmens bis zu einem Börsengang wird in jedem Fall keine profitable Anlagestrategie mehr sein. Auch die Gewinnung und Bindung von talentierten Mitarbeitern wird immer wichtiger, da New-Work-Entwicklungen die etablierten HR-Strategien auf die Probe stellen.
ESG ist mittlerweile angekommen in der Private-Equity-Branche. Die Etablierung ist so weit fortgeschritten, dass ESG als Differenzierungsmerkmal kaum noch taugt, sondern als messbarer Standard vorausgesetzt wird.
Es bewahrheitet sich einmal mehr, dass Manager mit operativem Talent, die Kontrollmehrheiten für einen geringen Kaufpreis und mit mäßigem Leverage erwerben, gut auch durch diese Zeiten kommen. Nach Jahren, in denen immer alles sehr schnell ging, üben sich nun alle an einem neuen Maß an Geduld. Diese neue Disziplinierung sehen wir grundsätzlich positiv, und sie dürfte der Entwicklung der Branche nur zuträglich sein.
Für geduldige Private-Equity-Anleger mit verfügbarem Eigenkapital sollten sich aus diesem Umfeld des Wandels in jedem Fall lukrative Investitionsmöglichkeiten ergeben.
Über den Gastautoren:
Julien Zornig ist Managing Partner bei Astorius. Nach seinem Studium leitete er in Zürich für die Berenberg-Gruppe die gesamten Hedge-Fonds-Aktivitäten. Nach dem Wechsel zur M.M.Warburg Gruppe war er im Bereich Private Equity tätig und baute gleichzeitig strategische Beziehungen zu Family Offices und Asset-Management-Gesellschaften auf.