Lars Feld, Professor an der Universität Freiburg, erstellte Im Auftrag von Union Investment eine Studie zum Investitionsbedarf in Infrastruktur. In Deutschland sei dieser demnach – wenig überraschend – erheblich. Allein für Autobahnen, Eisenbahn und Energieinfrastruktur werden in den kommenden zehn Jahren rund 400 Milliarden Euro benötigt. Der Gesamtbedarf dürfte allerdings noch höher sein. Denn bislang gebe es keine übergreifende Erfassung von Infrastrukturaufwendungen und dem Gesamtbedarf.
Staat kann Ausgaben nicht allein stemmen – und hat keinen Überblick
Aus eigener Kraft dürfte der Staat die Ausgaben kaum stemmen können. Private Investitionen über Fondsmodelle können laut der Untersuchung hier einen Beitrag leisten. Das Fatale dabei sei laut Feld, dass Infrastrukturinvestitionen in Deutschland bisher nicht systematisch erfasst werden würden und es keinen Überblick gebe, wie hoch die benötigten Mittel insgesamt wirklich seien. Denn einen großen Teil der staatlichen Bauinvestitionen tragen die Kommunen.
„Es bleibt unklar, wie viel tatsächlich in die öffentliche Infrastruktur investiert wird und wie hoch der gesamte Investitionsbedarf im Bereich der staatlichen Infrastruktur ist. Hinzu kommt, dass es aufgrund des föderalen Systems in Deutschland nicht eine große Investitionslücke, sondern multiple Investitionsbedarfe in verschiedenen föderalen Verantwortungsbereichen gibt“, betont Feld.
Für ihn stehe fest, dass der Staat für Instandhaltung und Ausbau der Infrastruktur nicht alleine die nötigen Mittel aufbringen könne. Im Jahr 2022 betrug die Investitionsquote aller Gebietskörperschaften laut Studie zusammen 2,6 Prozent des realen BIP. Je 0,8 Prozent entfielen davon auf Bund und Länder und 1,0 Prozent auf die Gemeinden. Damit liege die derzeitige Investitionsquote Deutschlands etwa ein Prozentpunkt unter dem durchschnittlichen Wert der OECD-Länder. „Über den tatsächlichen Bedarf sagen diese Zahlen aber wenig aus. Die staatlichen Investitionen in Deutschland reichen seit langem nicht mehr, um den Bestand zu sichern“, so Feld.
Auch ohne Gesamtüberblick, böten für Feld die benötigten Summen in den drei zentralen Bereichen Straßen-, Bahn- und Energieinfrastruktur eine Orientierung. Basierend auf aktuellen Angaben des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr wird der Investitionsbedarf alleine für die Straßeninfrastruktur des Bundes, also Autobahnen und Bundesfernstraßen, für die Jahre 2025 bis 2028 auf gut 57 Milliarden Euro geschätzt. Der Bedarf für die Bahn beträgt im gleichen Zeitraum laut Ministerium 63 Milliarden Euro. Und für die Energieinfrastruktur liegt der geschätzte Investitionsbedarf aufgrund der Energiewende bei On- und Offshore-Anlagen bei bis zu 270 Milliarden Euro bis zum Jahr 2037.
Mehr Kompetenzen für privatrechtliche Infrastrukturgesellschaften
„Angesichts des hohen finanziellen Bedarfs ist es notwendig, die Potenziale privaten Kapitals zu erschließen“, so Feld. Eine Alternative zu früheren Ansätzen bei der Generierung privater Mittel ist die Finanzierung durch Infrastrukturfonds. Über sie könnten private und institutionelle Investoren auch in staatliche Projektgesellschaften investieren, die für Bau, Betrieb und Verwaltung öffentlicher Infrastruktur zuständig sind. Diese hält Feld für eine zentrale Stellschraube bei der Finanzierung der Infrastruktur. Allerdings nur, wenn deren Rahmenbedingungen angepasst würden.
In Deutschland existieren laut Feld in verschiedenen Bereichen privatrechtlich organisierte Infrastrukturgesellschaften, an denen der Staat beteiligt ist und die die Instandhaltung und den Aus- oder Umbau öffentlicher Infrastruktur planen, organisieren und durchführen. Dazu gehören beispielsweise die Autobahn GmbH oder die DB Infrago AG. „Werden diese Gesellschaften mit bestimmten Kompetenzen wie eigener Einnahme- oder Kreditfähigkeit ausgestattet, könnten attraktive Geschäftsmodelle entstehen, die sich als Anlageobjekte für entsprechende Fonds anböten“, so Feld. Im Bereich der Energie sieht der Experte eine Lösung in der Gründung einer übergeordneten Netz-Infrastrukturgesellschaft, die die staatlichen Beteiligungen an den Übertragungsnetzbetreibern bündelt und in die dann Geldgeber investieren könnten.
Eltif ist ein wichtiger Rahmen – aber nicht für alle Anleger geeignet
Dass es Handlungsbedarf gibt, zeige zudem eine Untersuchung des World Economic Forum. Demnach ist Deutschland in der Qualität der Infrastruktur im internationalen Vergleich von Rang drei im Jahr 2006 auf Rang zwölf im Jahr 2018 gerutscht. Daher sei es unerlässlich, die Finanzierungsbasis im Infrastrukturbereich breiter aufzustellen, so Hans Joachim Reinke, Vorstandsvorsitzender von Union Investment. Er ergänzt: „Fondsgesellschaften werden bei Investitionen in Infrastruktur eine wichtige Rolle spielen. Denn als Kapitalsammelstelle bringen wir das vorhandene Geld dahin, wo es eingesetzt werden sollte.“ Dies stamme laut Reinke zwar hauptsächlich immer noch von institutionellen Anlegern, jedoch sei Infrastruktur kein Thema ausschließlich für Profis. Neuerdings hätten auch Privatkunden die Möglichkeit, auf einem vereinfachten Weg in Infrastruktur zu investieren.
Einen Rahmen hierfür bietet die überarbeitete und seit diesem Jahr anwendbare Verordnung für Eltifs. Für jeden sei eine solche Anlage aber nicht geeignet. „Der Eltif ist eine Beimischung für Anleger, die bereits über eine breitere Erfahrung mit Wertpapieren verfügen. Wenn es gelingt, das Kapital zu aktivieren, ist das eine gewaltige Chance für unsere Kunden und unser Gemeinwesen gleichermaßen“, betont Reinke. Das sei jedoch eine langfristige Aufgabe.
„Heute sind private Investitionen in Infrastrukturprojekte nur der Anfang für ein Thema, das uns in den kommenden Jahren immer stärker beschäftigen wird“, sagt Reinke. Um künftig wettbewerbsfähiger und resilienter zu sein, seien massive Investitionen in diese Bereiche notwendig. Das sei gerade mit Blick auf die nachhaltige und digitale Transformation der Wirtschaft relevant.
Autobahn: Österreich ist mit privatrechtlichem Modell erfolgreich
Beispiel aus der Praxis:
• Seit 1997 trägt in Österreich die Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (Asfinag), eine Infrastrukturgesellschaft, die Gesamtverantwortung für das österreichische Autobahnen- und Schnellstraßennetz.
• Sie ist für die Planung, Finanzierung, Ausbau, Erhaltung, Betrieb und die Bemautung zuständig.
• Sie finanziert sich durch Mauteinnahmen, ohne finanzielle Unterstützung aus dem Staatsbudget.
• Daher wird sie dem Privatsektor zugeordnet, trotz der hundertprozentigen Beteiligung des Bundes und einer Staatsgarantie für Schulden.
• Mit der Republik Österreich als alleinige Anteilseignerin erfolgt die Einbindung privater Mittel
ausschließlich über die Begebung von Anleihen oder Genussscheinen, also Fremdkapital.
Sofern der Gesetzgeber den Weg für privates Kapital frei machen möchte, wäre laut Feld für die Autobahn GmbH ein Modell ähnlich dem der österreichischen Asfinag denkbar.
Über den Studienautor
Lard Feld ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und Leiter des dort ansässigen Walter Eucken Instituts. Von 2011 bis 2021 war er Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und war zuletzt von März 2020 bis Februar 2021 dessen Vorsitzender.