Nötiger Strukturwandel „Jede Implosion setzt Energie frei“

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Und auch China stellt sich nicht notwendigen Strukturanpassungen, sondern will durch Ausweichhandlungen Zeit gewinnen. So sollen die „One Belt, One Road“-Initiative [Anmerkung der Redaktion: China hat 2013 unter diesem Slogan den Aufbau eines modernen Seidenstraßen-Wirtschaftsgürtels ausgerufen], die Kontrolle der Börse und weitere aus dem Nichts geschöpfte Kredite für angeschlagene Unternehmen den Druck zu Strukturreformen senken.

Gleichzeitig wird China für seine Nachbarn durch Gebietsansprüche militärisch zur Bedrohung. Und auch die Krise der EU zeigt, dass innen- und außenpolitische Polarisierung überall zunimmt.

Weltweit geht die ökonomische Problemverschiebung weiter. An die Stelle schöpferischer Zerstörung, Neuaufbau und Strukturwandel tritt moralische Diskreditierung des politischen Gegners und geographischer Nachbarn sowie ein Freund-Feind-Denken, das eine einfache Erklärung für die eigene desolate wirtschaftliche Situation zu bieten scheint: Die Anderen sind schuld!

Politische Polarisierung und Politikblockaden sind damit vorprogrammiert. Wenige trauen sich, Blut, Schweiß und Tränen als Kosten für eine Bereinigung der ökonomischen Lage und als Investition für zukünftiges Wachstum zu fordern, weshalb sich die Lage auch nicht verbessert. Das führt zu noch mehr Freund-Feind-Polemik und die Polarisierungs- und Radikalisierungsspirale dreht sich schneller.

Die Anderen sind schuld

Am Beginn dieses Prozesses steht der Vertrauensverlust in die Eliten aus Politik, Wirtschaft, Medien und Wissenschaft. Sie haben die Finanzkrise nicht vorausgesehen und auf die damit verbundenen Herausforderungen ängstlich und defensiv reagiert. Man hat nicht den Eindruck, dass sie aus den vergangenen Fehlern viel gelernt hätten und nun entschlossen wären, diese zu korrigieren.

Versagen – und hier vor allem politisches Versagen – liegt aber auch vor, wenn man bei der Kritik am Establishment stehenbleibt, um sich im Kulturpessimismus einzurichten. Zur politischen Kompetenz gehört jedoch nicht nur die Fähigkeit zur Kritik an den herrschenden Verhältnissen und Fehlentwicklungen. Politische Kompetenz meint vielmehr, alternative Problemlösungen zu formulieren.

Dann gilt es, geduldig, gemäßigt und klug Unterstützung für die Lösungswege zu organisieren, so dass Polarisierungen und Politikblockaden überwunden werden können. Wer sich dieser Aufgabe nicht stellt, ist politisch inkompetent, ja im Grunde unpolitisch. Denn in der Politik geht es darum, was hinten rauskommt. Sonst geht die Problemverschleppung munter weiter und nichts ist gewonnen.

Um Polarisierung und Politikblockaden zu überwinden, braucht es natürlich auch den Aufbau von Gegenmacht. Demokratie ist nach Karl Popper nichts anderes als die Chance, die jeweils Regierenden unblutig loszuwerden.

Dazu benötigt man entweder neue Mehrheiten in den Parlamenten oder bereits gewählte Männer und Frauen, die diese Aufgabe, unfähige oder nicht mehr gewünschte Regierungen abzusetzen, verantwortungsvoll wahrnehmen. Auch der Druck von außen durch neue Bewegungen oder Parteien gehört dazu.

Strategisch zum Rohrkrepierer wird der verkündete Aufbau von Gegenmacht aber dann, wenn zum Beispiel Parteineugründungen dazu führen, die derzeitige Politik zu verstetigen, weil alternative Koalitionen unwahrscheinlicher werden. In Österreich haben wir es seit Jahren mit einer großen Koalition aus ÖVP und SPÖ zu tun.

In Deutschland waren bei der Bundestagswahl 2013 die größten Nutznießer der neugegründeten AfD Merkel und Schäuble, die in der neuaufgelegten großen Koalition mit der SPD ihre Politik zur Rettung Griechenlands und des Euro viel ungehinderter durchsetzen konnten.