Streit um Macht und Geld So können Familienunternehmen den größten Wertvernichter vermeiden

Frank Koch ist Partner der internationalen Wirtschaftssozietät Taylor Wessing

Frank Koch ist Partner der internationalen Wirtschaftssozietät Taylor Wessing

Oetker, Bahlsen, Haribo, Hagenbeck und Tönnies – auch Familienunternehmen sind nicht vor Gesellschafterstreitigkeiten gefeit, wie diese prominenten Beispiele belegen. Dies sind schlechte Nachrichten, denn zu Recht wird der Streit als größter Wertevernichter in Familiengesellschaften bezeichnet.

Nur wenige Streitigkeiten unter Familiengesellschaftern haben ein unternehmerisches Happy End wie die Gründungen von Aldi Süd und Aldi Nord oder von Adidas und Puma.  

Heftige Auseinandersetzungen sind auch außerhalb der Prominenz keine seltene Phänomene, wie eine Auswertung der in den letzten Jahren veröffentlichen Gerichtsentscheidungen zum Thema Gesellschafterstreit ergibt: In über 50 Prozent dieser Streitigkeiten geht es entweder um die Ausschließung eines Gesellschafters oder um die Abberufung eines Geschäftsführers. Die Mehrzahl der Auseinandersetzungen dreht sich also um tiefgreifende Zerwürfnisse mit negativen Auswirkungen auf die operativen Geschäfte.

Worüber streiten Gesellschafter?

Die Antwort ist letztlich immer die gleiche: Es geht um Macht und Geld; beide als Ausdruck der – vermeintlich – fehlenden Anerkennung für die Bedeutung eines Gesellschafters. Da dies alles bestens bekannt ist, stellt sich die Frage, ob es nicht juristisch möglich ist, streitsichere Gesellschaftsverträge zu entwickeln.

Auch wenn es keine juristischen Zauberklauseln gibt, die mit Sicherheit jeglichen Streit unter Gesellschaftern ausschließen, so gibt es doch Regelungen, die bekannte Streitthemen von vornherein adressieren und entschärfen können.

So sollten zum Beispiel unbedingt Fragen im Zusammenhang mit dem Ausscheiden eines Gesellschafters geregelt werden: Wann können die übrigen Gesellschafter einen Mitgesellschafter ausschließen und unter welchen Voraussetzungen darf ein Gesellschafter seinerseits aus der Gesellschaft ausscheiden?

 Auch pekuniäre Fragen wie die Berechnungsmethode und Zahlungskonditionen einer Abfindung oder die Höhe der jährlichen Ausschüttungen sind ein ewiger Quell des Streites zwischen Gesellschaftern.  

Großer Nachholbedarf

Finden sich Klauseln zu diesen streitanfälligen Themen in der Satzungsrealtität? Eine aktuelle Untersuchung von 250 Satzungen von Mehrpersonengesellschaften in Hamburg, München, Berlin, Frankfurt und Düsseldorf zeigt, dass hier noch Nachholbedarf besteht.

Regelungen zu einer Mindestausschüttung finden sich nur in 6 Prozent der untersuchten Satzungen. Den zwangsweisen Ausschluss eines Gesellschafters regeln immerhin noch 79 Prozent der Satzungen und 78 Prozent der Satzungen sehen Vorschriften zur Abfindung vor.

Das freiwillige Ausscheiden eines Gesellschafters wird aber nur in 62 Prozent aller untersuchten Satzungen adressiert. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass überall dort, wo diese Aspekte nicht geregelt werden, die allgemeinen gesetzlichen Regelungen greifen.

Es darf bezweifelt werden, dass jeder Gesellschafter weiß, was das im Einzelfall bedeutet und dass dies der Interessenlage der Gesellschafter immer entspricht. Insofern lohnt sich von Zeit zu Zeit eine Überprüfung, ob die derzeit gültigen Satzungsregelungen tatsächlich noch die Intention der Gesellschafter widerspiegeln.

Zu optimistisch

Doch auch die beste Satzung kann einen Gesellschafterstreit letztlich nicht verhindern. Dies liegt am Faktor Mensch. Wie die moderne Verhaltensökonomie lehrt, ist der Mensch nicht der homo oeconomicus, das rationelle Wesen, das seine Entscheidung immer nur nach dem optimierten Nutzen trifft.

Wir neigen vielmehr zu verzerrten Wahrnehmungen und überschätzen unsere Fähigkeit zu guten Entscheidungen maßlos. Diese Fehleinschätzungen befeuern auch die Gefahr eines Gesellschafterstreits.

Denn die Gesellschafter sind häufig schlicht zu optimistisch, wenn sie gemeinsam eine Unternehmung beginnen. Sie übersehen, dass Verträge für den Streit gemacht sind und verschließen sich vor dem Gedanken, dass ein solcher Streit kommen kann. Frei nach dem Motto: Streiten tun sich immer nur die anderen.

Sie vergessen, dass eine Gesellschaft auf eine sehr lange Zeit angelegt ist und dass ursprüngliche Annahmen im Laufe der Zeit durch die Realität überholt werden können. Erst später stellt sich heraus, dass das vermeintliche unausgesprochene Einvernehmen über grundsätzliche Themen gar nicht bestand.

Nun mag die Wahrscheinlichkeit einer Fehlentwicklung oder eines Streits vielleicht wirklich gering sein, die Realität zeigt aber, dass das Schadenspotential immens ist. Statt sich also auf die ohnehin nicht verlässliche Einschätzung von Wahrscheinlichkeiten zu verlassen, sollte dem Risiko entgegentreten werden.

Ausdrückliche Satzungsregelungen zu den oben genannten streitanfälligen Themen gehören zwingend dazu. Auch eine Familiencharta, in der das ethische Verständnis der Familienmitglieder niedergelegt ist, hilft.