Liegt keine der genannten Ausnahmen vor – Unterschreiten der 20.000-Euro-Grenze oder Haltedauer von mindestens einem Jahr – muss die Bank 15 Prozent Kapitalertragsteuer einbehalten und an das Finanzamt abführen. Dies gilt selbst dann, wenn die oben genannten Kriterien, insbesondere Mindesthaltedauer über 45 Tage aber unter einem Jahr und Mindestwertänderungsrisiko, erfüllt sein sollten. In diesem Fall müssen gemeinnützige Körperschaften bei ihrem Finanzamt im Nachgang einen Erstattungsantrag stellen. Der Antrag setzt voraus, dass die genannten Kriterien nachweisbar erfüllt wurden und eine Steuerbescheinigung vorgelegt werden kann. Welche Anforderungen an die Nachweise gestellt werden, ist derzeit noch unklar. Es bleibt zu hoffen, dass die Finanzverwaltung hierzu rasch ein BMF-Schreiben erlässt.
Die Prüfung, ob die Kriterien für eine Erstattung der Kapitalertragsteuer erfüllt wurden, kann mitunter aufwendig sein und wird sich häufig nicht ohne professionelle Hilfe bewerkstelligen lassen. Gemeinnützige Körperschaften müssen deshalb mit einem erhöhten Verwaltungs- und Kostenaufwand rechnen. Ärgerlich ist, dass der Gesetzgeber einen vereinzelten bekanntgewordenen Missbrauchsfall zum Anlass genommen hat, die Bürokratie für gemeinnützige Körperschaften entgegen allen allgemeinen politischen Beteuerungen weiter erheblich zu erhöhen.
Was Stiftungsvorstände nun tun müssen
Stiftungsvorstände müssen sich rasch auf die neue Situation einstellen. Für 2018 müssen sie – gegebenenfalls mit professioneller Hilfe – prüfen, ob eine Anzeige beim Finanzamt nötig ist. Die Frist hierfür läuft bereits am 10. Januar 2019 ab. Für 2019 sollten sie sich vor dem erläuterten Hintergrund mit ihrer Anlagestrategie auseinandersetzen sowie in die Anlagerichtlinien Regelungen zur Prüfung und Stellung von Erstattungsanträgen aufnehmen. Ein Verzicht auf Investitionen in inländische sammelverwahrte Dividenden ist sicherlich nicht angezeigt.
Es könnte aber beispielsweise vorgesehen werden, dass nach Möglichkeit eine Haltedauer von mindestens einem Jahr oder zumindest 45 Tage vor und nach dem Dividendenstichtag angestrebt wird und keine Absicherungsgeschäfte abgeschlossen werden. Die Regelungen sollten jedoch nicht zu sehr einengen und unter dem Vorbehalt stehen, dass Ertrags-und Risikogesichtspunkte weiterhin Vorrang haben. Sie müssen zudem von der vermögensverwaltenden Bank, die regelmäßig auf die Gesamtperformance abstellt, praktisch umgesetzt werden können.
Über die Autorin:
Dr. Eva-Maria Kraus ist als Rechtsanwältin und Steuerberaterin bei Flick Gocke Schaumburg Partnerschaftsgesellschaft am Standort Bonn tätig. Sie berät bundesweit Stifter, gemeinnützige und nicht gemeinnützige Stiftungen sowie ihre Organe insbesondere in steuerrechtlichen, stiftungsrechtlichen, vereinsrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Fragen.