Das Stiftungsmanagement gewinnt in der Finanzbranche zunehmend an Bedeutung. Kaum eine Bank oder Sparkasse, die sich hier eine Blöße gibt und das Feld den Mitbewerbern überlässt. Überraschen kann das nicht, ist das Geschäftsfeld Kundenstiftung doch sehr attraktiv: Mit dem entsprechenden Beratungs- und Dienstleistungsangebot verfügt das Geldinstitut über ein strategisches Kundenbindungsinstrument, verhindert den Vermögensabfluss im Erbschaftsfall und erschließt nicht selten hohe Ertragspotenziale. Mit innovativen Produkten und entsprechenden Kooperationen gelingt es, bei der Stiftungsklientel zu punkten und den eigenen Aufwand niedrig zu halten.
Der Erfolg eines Stiftungsmanagements, also der Akquisitionsbemühungen um Kundenstiftungen, hängt im Wesentlichen von zwei Faktoren ab:
Der erste Erfolgsfaktor für das Stiftungsmanagement
Sofern ein Geldinstitut Beratungsleistungen im Bereich des Generationenmanagements anbietet, beeinflusst das die Gründungsquote im Bereich der Kundenstiftungen stark. Dafür gibt es drei einfache Gründe: Zum einen hat kaum ein Kunde das Problem „Stiftung“. Das heißt: Kein Kunde wacht morgens auf und denkt: „Ich muss meinen Kundenberater sprechen, da ich unbedingt eine Stiftung brauche“. Zweitens: Die Vorteile einer Stiftung kennt der Kunde üblicherweise nicht – obwohl diese nicht zu vernachlässigen sind. Drittens: In den meisten Köpfen sind Stiftungen etwas für hochvermögende Menschen.
Kaum jemand weiß, dass das durchschnittliche Stiftungskapital aller Stiftungen in Deutschland gerade mal 250.000 Euro beträgt. Die millionen- und milliardenschweren Stiftungen bilden eher die Ausnahme denn die Regel. Fazit: Entsprechend groß sind die Testamentsspenden für die großen Spendenorganisationen. Diese profitieren davon, dass viele Kunden die Alternative, eine eigene Stiftung mit eigenem Vermögen zu gründen, nicht kennen.
Die Themenpalette des Generationenmanagements hingegen spricht den Kunden unmittelbar an. Insbesondere wenn er ein entsprechend hohes Alter hat. Ob Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht, Gestaltungsmöglichkeiten des eigenen Erbfalls oder Testamentsvollstreckung – Beratungsleistungen zu diesen Feldern werden erfahrungsgemäß gern angenommen; sie treffen auf konkrete Probleme, Fragestellungen und Bedarfe des Kunden. Stellt sich im Rahmen dieser Gespräche heraus, dass keine geeigneten Erben vorhanden sind, bieten sich zwangläufig die eigene Stiftung zur Lösung der Nachlassproblematik an.
Der zweite Erfolgsfaktor für das Stiftungsmanagement
Der zweite Faktor, der die Stiftungsentscheidung von Kunden positiv beeinflusst, ist das Angebot „niedrigschwelliger" Stiftungslösungen. Die größten Hindernisse für die Errichtung einer Stiftung sind die Fragen nach den erforderlichen Mindestbedarfen, wie nötiges Vermögen, Fördermöglichkeiten und Verwaltung und der Formulierung eines Testaments.
Mit welchem Mindestbetrag kann ein Bankkunde dem Wunsch nach stifterischen Engagement zu Lebzeiten aber auch nach seinem Ableben nachkommen? Muss er sich selber um die Verwaltung seiner Stiftung kümmern? Ihm wäre geholfen, könnte er seinem Wunsch, sich zu Lebzeiten stifterisch zu engagieren, bereits mit 25.000 Euro nachkommen – und wenn er sich nach Gründung seiner Stiftung um nichts kümmern muss. Die Lösung für diesen Fall heißt Gemeinschaftsstiftung.
Was hinter Gemeinschaftsstiftungen und Stiftungsfonds steckt
Die „Gemeinschaftsstiftung“, auch „Stiftergemeinschaft“ oder „Zustiftergemeinschaft“ genannt, ist eine Stiftung, die in der Regel als treuhänderische Stiftungen – optional als rechtsfähige Stiftungen – gegründet wird und das Engagement einer Vielzahl an Zustiftern zusammenführt. Zustifter sind Zuwendende, die mit ihrer Geld- oder Sachzuwendung das Stiftungsvermögen der Gemeinschaftsstiftung aufstocken. Spender sind demgegenüber Bankkunden, die mit ihrer Zuwendung die Stiftungsmittel für die Realisierung des Stiftungszwecks erhöhen.
Zustiftungen bleiben also erhalten, Spenden werden wieder für den Stiftungszweck ausgegeben. Mit der Gemeinschaftsstiftung können eine Bank oder Sparkasse, ein Finanzdienstleister, ein Verein oder eine Kirchengemeinde sowohl den Kunden, Bürgern und Unternehmen im Geschäftsgebiet, als auch den Freunden und Förderern sowie den Gemeindemitgliedern anbieten, sich auf eine sehr einfache und unbürokratische Art stifterisch zu engagieren.
Wie sieht dieses Engagement konkret aus? Jeder Stifter kann seine eigene „Unterstiftung“, also einen Stiftungsfonds unter diesem Dach der Gemeinschaftsstiftung einrichten und hat die Möglichkeit, seine individuellen Zwecke und Vorstellungen zu fördern, indem er zum Beispiel die Vereine benennt, die er mit den Erträgen seines Stiftungsfonds dauerhaft fördern möchte.
Oft tragen die Stiftungsfonds den Namen des Zustifters und werden in der Bilanz der Stiftung gesondert ausgewiesen. Neben den Zustiftungen können natürlich auch Spenden eingeworben werden, die dann kurzfristig Projekte in der Region fördern können. Mit einem Stiftungsfonds kann der Kunde somit seinem stifterischen Engagement auf die denkbar einfachste und individuellste Art und Weise nachkommen – ohne eine eigene Stiftung gründen zu müssen.
Für welche Private-Banking-Kunden eine Gemeinschaftsstiftung lohnt
Die Gemeinschaftsstiftung ist in der Regel für die Privat-, Firmen- und institutionelle Kunden – hier insbesondere eingetragene Vereine und Kirchengemeinden – interessant, die sich stifterisch engagieren möchten, ihr Engagement individualisieren und mit ihrem Namen verbinden möchten (Stichwort „eigenes Denkmal setzen“). So können Sie dauerhaft Gutes hinterlassen. Außerdem können die Kunden ihren Nachlass individuell gestalten oder ihre langjährigen Spendenaktivitäten über eine eigene „Stiftung“ verstetigen.
Auch Privat-, Firmen- und institutionelle Kunden, die über kleinere Nachlässe verfügen, für die eine eigene Stiftung nicht lohnt, können so Stifter werden. Das Modell eignet sich auch, wenn Unternehmer nach einem Firmenverkauf zur Senkung der Steuerlast eine eigene Stiftungslösung suchen. Aktive Unternehmer können im Sinne der Personalentwicklung Zugang zu Auszubildenden und zukünftigen Fach- und Führungskräften beziehungsweise Hochschul-, und Fachhochschulabsolventen erhalten. Das gelingt etwa über ein Stipendienprogramm, das über den eigenen „Unternehmen x-Stiftungsfonds“ dargestellt wird.
Unternehmen können ihr gemeinnütziges Engagement über eine Stiftungslösung profilieren und unbürokratisch abwickeln. Anwendbar ist die Lösung auch für gemeinnützige Vereine oder Kirchengemeinden, die ein nachhaltiges Finanzierungsinstrument benötigen. Über eine Stiftung können sie Mitgliedern eine attraktive Stiftungslösung zur Regelung des Nachlasses anbieten – und starten damit eine Art „Erbschaftsfundraising“.
Der Steckbrief der Gemeinschaftsstiftung
Die Gemeinschaftsstiftung
- ist eine treuhänderische Stiftung (alternativ: rechtsfähige Stiftung)
- kann mit 25.000 Euro gegründet werden (dieser Betrag kann steuerlich abgesetzt werden)
- kann einen Vorstand haben; muss sie aber nicht
- hat gegebenenfalls ein Kuratorium, in dem Zustifter ab einem bestimmten Betrag einen Sitz erhalten
- fördert alle gemeinnützigen Organisationen im Geschäftsgebiet des Finanzinstituts. Der Satzungszweck wird so weit gefasst, dass im Prinzip alle gemeinnützigen Organisationen gefördert werden können
- kann unter Umständen wieder aufgelöst werden
- ist im Vertrieb aufgrund von Standardverträgen, also etwa einer Zustiftungsvereinbarung zur Einrichtung von Stiftungsfonds (= zweckgebundene Zustiftungen), leicht zu handhaben, und aufgrund dessen für den Kunden sehr attraktiv
- bietet alle steuerlichen Vorzüge steuerbegünstigter Stiftungen
Wichtig ist: Rechtstechnisch handelt es sich bei einem Stiftungsfonds um eine Zustiftung zu einer bereits bestehenden Stiftung und nicht um ein selbstständiges Stiftungsvermögen im Sinne einer Stiftung. Der Kunde gründet somit keine eigene Stiftung, wenn er den Weg über die Gemeinschaftsstiftung wählt – er richtet einen Stiftungsfonds innerhalb einer bereits bestehenden Stiftung ein, ist somit Zustifter. Privatkunden können das Stiftungsvermögen beziehungsweise ihren eigenen Stiftungsfonds sowohl zu Lebzeiten als auch über eine entsprechende testamentarische Verfügung aufstocken. Daneben sind Spenden – auch in den einzelnen Stiftungsfonds hinein – möglich.
Die Wahl der Rechtsform für eine Gemeinschaftsstiftung
Gemeinschaftsstiftungen können sowohl in der Rechtsform einer rechtsfähigen Stiftung als auch einer treuhänderischen Stiftung gegründet werden. Die Praxis favorisiert allerdings in den meisten Fällen die Treuhand-Lösung, da sie im Vergleich zur rechtsfähigen Stiftung dem Geldinstitut als Stifter zahlreiche Vorteile bietet. Zu nennen sind hier folgende Aspekte:
Der bürokratische Aufwand ist sowohl bei der Gründung als auch bei der Verwaltung geringer, auch lässt sich die Stiftung schneller errichten. Die Treuhand-Lösung ist flexibel, insbesondere hinsichtlich möglicher Satzungsänderungen, die es dem Stifter erlauben, schnell zu starten. Die Treuhandstiftung kommt ohne Organe oder Gremien aus und macht somit die Frage nach der dauerhaften Vorstandsbesetzung obsolet, während der Stifter in der Verwaltung entlastet wird, weil der Treuhänder sie übernimmt. Die Vermögensausstattung ist im Treuhand-Modell zum Beispiel ab 25.000 Euro möglich, auch der Einsatz als reine Förderstiftung ist möglich.
Sollte es doch in Einzelfällen noch Argumente für eine rechtsfähige Stiftung geben, lässt sich die Treuhand-Lösung jederzeit umwandeln. Im schlimmsten Fall lässt sich die Stiftung auflösen, sollten sich die Vorstellung hinsichtlich des Wachstums nicht erfüllt haben. Wichtig ist: Eine Treuhandstiftung setzt auch einen vertrauensvollen Treuhänder voraus.
Bereits 1929 sind die Vorteile der treuhänderischen Stiftung von Helmut Hauger in seiner Promotionsschrift „Die unselbständige Stiftung“ zum Ausdruck gebracht worden: ,,Die Frage nach der unselbständigen Stiftung ist aber trotz ihrer großen Bedeutung völlig unberührt und ungelöst geblieben, obschon die unselbständige Stiftung, - die ursprüngliche Erscheinungsform der Privatstiftung - auch heute noch außerordentlich häufig auftritt und an Zahl den rechtsfähigen Stiftungen sogar überlegen ist; denn im Zweifelsfalle wird der Wille des Stifters stets auf eine unselbständige Gründung gerichtet sein und zwar namentlich deshalb, weil die Errichtung und das Bestehen einer rechtsfähigen Stiftung durch die besonderen Formvorschriften, den verwickelten Verwaltungsapparat und die behördliche Aufsicht erschwert ist.“ Aus den genannten Gründen bietet die Treuhandstiftung im Vergleich zur rechtsfähigen Stiftung dem Geldinstitut und der Private-Banking-Einheit auch aus vertrieblicher Sicht enorme Vorteile.
Die steuerliche Behandlung von Gemeinschaftsstiftungen
Ob treuhänderisch oder rechtsfähig: Steuerbegünstigte Stiftungen genießen steuerliche Vorteile. Dies gilt ebenso für Stiftungsfonds in Gemeinschaftsstiftungen. Über 95 Prozent der deutschen Stiftungen sind als gemeinnützig anerkannt. Der Staat belohnt gemeinnützige Stiftungen mit der Freistellung von Schenkung- und Erbschaftsteuern. Somit kann das Vermögen ungeschmälert übertragen werden. Die Erträge, die die Stiftung alljährlich erzielt, sind von allen Steuern befreit.
Im Hinblick auf die Einkommensteuer hat der Stifter die Möglichkeit, einmalig bei Stiftungsgründung bis zu eine Million Euro – beliebig verteilbar auf zehn Jahre – steuerlich abzusetzen. Bei Ehepaaren liegt der Satz bei in der Regel 2 Millionen Euro. Der allgemeine abziehbare Höchstbetrag für Spenden im Jahr der Zuwendung beträgt 20 Prozent des Gesamtbetrages der Einkünfte. Für Unternehmen, die spenden beziehungsweise eine Stiftung dotieren möchten, gilt der Höchstsatz von vier Promille der Summe der Umsätze, Löhne und Gehälter.
Über den Gastautor:
Björn Schulte ist seit Mitte 2023 Leiter Stiftungsberatung bei der Deutschen Stiftungsagentur. Zuvor war er selbst im Private Wealth Management tätig: Er war Senior-Berater im Private Banking der Sparkasse Hilden Ratingen Velbert sowie Senior Betreuer im Family Office der National-Bank Vermögenstreuhand.