Bericht aus der Praxis So gelingt die Gremienübergabe in puncto Stiftungsvermögen

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Mittlerweile hat sie das Register mit den Geeignetheitsbescheinigungen aus dem vergangenen Jahr aufgeschlagen. Dort wird zwar auf die Anlageziele der Stiftung Bezug genommen. Doch eine Entsprechung in den Stiftungsstatuten findet sie dazu nicht. Und noch etwas fällt ihr auf: Die Beratungsdokumentation der Hausbank weist nur ihren Vater als Gesprächspartner aus. Dieser ist zwar alleinvertretungsberechtigt. Aber im Innenverhältnis entscheidet der Vorstand als Gremium.

Aus den Gesprächen mit ihrem Vater weiß die Rechtsanwältin, dass die mittlerweile recht betagte Stifterin zumindest in jüngerer Zeit nicht an jeder Vorstandssitzung teilgenommen hat. Entsprechende Beschlüsse über die einzelnen Vermögenswerte sind in den Unterlagen nicht zu finden. Sind die vorhandenen Anlagen überhaupt wirksam zustande gekommen und könnte sich aus der Bankdokumentation ergeben, dass ihr Vater rechtswidrig gehandelt hat und mithin in einer verschärften Haftung steht? Ein gewisses Unwohlsein beschleicht sie an dieser Stelle schon.

Rechtsanwältin Brenner nimmt einen weiteren Schluck von ihrem mittlerweile nur noch lauwarmen Tee. Stiftungsrechtlich fühlt sie sich halbwegs sattelfest. Ihr ist klar, dass mögliche Versäumnisse des aktuellen Vorstands auch für sie künftig zum Problem werden können, wenn diese nicht bereinigt werden. Auch mit den Inhalten der Stiftungsrechtsreform aus dem Jahr 2021 und der dort im Gesetz verankerten Business Judgement Rule ist sie vertraut. Diese haben für Stiftungsgremien einen gewaltigen Vorteil: Halten sie sich an bestimmte Spielregeln, brauchen sie im Fall von missglückten Anlagen keine Angst vor persönlicher Haftung mehr zu haben. Im Gegenzug müssen sie bei der Anlageentscheidung professioneller agieren als viele Stiftungen dies in der Vergangenheit getan haben.

Das macht ihr die Übernahme nicht leichter. Für sich leitet sie daraus ab, dass es mit einem einfachen „Weiter so“ nicht getan ist. Die überkommenen Anlagetraditionen und -prozesse gehören dringend auf den Prüfstand, möglichst ohne den bisherigen Vorstand vor den Kopf zu stoßen. Aber um sich hier einen wirklich fundierten Überblick zu verschaffen, fehlt ihr die Zeit. Natürlich gibt es die langjährige Kundenbetreuung bei der Hausbank. Aber würde diese in der Übergangsphase wirklich frei von Eigeninteressen agieren? Und verfügt sie über die für Stiftungen notwendige Expertise?

Was jetzt gut wäre: eine zügige, neutrale Bestandsaufnahme zum Stiftungsvermögen, die systematisch sämtliche wichtigen Fragestellungen abarbeitet und eventuellen Handlungsbedarf mit konkreten Empfehlungen hinterlegt. Nach kurzem Zögern greift sie zum Telefonhörer und wählt die Nummer der Kundenbetreuerin bei der Bank.