Bericht aus der Praxis So gelingt die Gremienübergabe in puncto Stiftungsvermögen

Stefan Fritz (links) und Jörg Seifart

Stefan Fritz (links) und Jörg Seifart: Der Finanzstatus für Stiftungen ermöglicht eine saubere Übergabe an die nachfolgenden Gremien. Foto: Kirchliche Stiftungen München / GfdS

Herbst 2021 – Deutschland im Übergang. Noch sind nicht alle Wahlplakate abgehängt. Die alte Bundesregierung befindet sich nur noch kommissarisch im Amt, die neue versucht sich in intensiven Koalitionsverhandlungen gerade zu bilden. Während sich draußen die Lichter in der Binnenalster spiegeln, beugt sich Rechtsanwältin Tina Brenner über ihr Telefon. „Bitte heute keine Anrufe mehr durchstellen“, weist sie den Empfang an.

Die Enddreißigerin lässt sich in ihren Bürostuhl sinken und nippt an ihrer Tasse Tee. Vor ihr auf dem Schreibtisch stehen fünf Ordner nebeneinander. Sämtliche Rückenbeschriftungen weisen den Namen derselben Stiftung aus. Nur die beigefügten Jahreszahlen unterscheiden sich. Auf dem Parkett neben dem Schreibtisch setzt sich die Ordnerreihe fort. Bis ins Jahr 2005 reicht sie zurück.

Viele Fragezeichen: Stiftungsnachfolge im Wartestand

Rechtsanwältin Brenner seufzt, bevor sie den ersten Ordner aufschlägt. Ihr Vater ist ebenfalls Partner der Kanzlei, hat seinerzeit die Stifterin beraten und ist seit Gründung Vorstandsmitglied der Stiftung. Doch diese Ära geht nun zu Ende. Brenner Senior hat angekündigt, sich im kommenden Jahr sukzessive aus der aktiven Kanzleiarbeit zurückzuziehen und damit auch aus diesem Amt. Die Tochter soll übernehmen. Darum hat sie sich bis jetzt nicht gerissen und lieber eine abwartende Haltung eingenommen. Zwar kennt sie die Stiftung und die unternehmerisch tätige Familie der Stifterin. Dennoch hat sie kein gutes Gefühl.

Veranstaltungshinweis

Fortbildung: Stiftungen erfolgreich in der Vermögensanlage beraten (in Frankfurt am Main)

Die Fördertätigkeit bereitet ihr dabei weniger Sorgen. Vielmehr hat sie Bedenken im Hinblick auf die Vermögensanlage. Schon bei Gründung wurde die Stiftung mit Aktien und Anleihen im Wert von 5 Millionen Euro ausgestattet. Mit Freude der Stifterin am Wirken der Stiftung wuchs auch der Depotwert an. Zustiftungen und Wertsteigerungen vor allem bei den Aktien ließen den Depotwert auf jetzt gut 25 Millionen Euro anwachsen.

Aber es gab auch Jahre mit deutlichen Verlusten. Brenner ist sich nicht sicher, ob die satzungsmäßig vorgeschriebene reale Vermögenserhaltung bis jetzt erreicht wurde. Wie sind in der Vermögenserhaltungsrechnung die Zustiftungen zu berücksichtigen? Sie schlägt den 2019er-Ordner auf und blättert zum letzten geprüften Jahresabschluss. Doch dort findet sich nur der Depotauszug zum Jahresende als Nachweis der Vermögenserhaltung, jedoch keine Berechnung seit Stiftungsgründung.

Anlagenotstand und Haftungsfragen

62 Prozent Aktien weist die jüngste Depotaufstellung aus – wesentlich mehr als bei Gründung. Ist das noch stiftungsadäquat? Eine Anlagerichtlinie sucht sie in den Ordnern vergeblich. Wieder lässt sie ihren Blick über die jüngste Depotaufstellung schweifen. Teils Einzelwerte, teils Mischfonds. Auch ein Zertifikat ist darunter, wie Brenner mit einiger Mühe recherchiert. Hundertprozentig sicher ist sie sich nicht, was genau ein Zertifikat ist und ob Stiftungen diese überhaupt allokieren dürfen. Und warum ist das Depot überhaupt auf diese Art und Weise zusammengesetzt?