Portfolio-Inventur Stiftungen benötigen eine zeitgemäße Vermögensallokation

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Ausschließlich auf Aktien und Anleihen zu setzen, halten Stiftungsexperten ohnehin für überholt. Stabilisieren könnten Stiftungen ihr Portfolio über Immobilien und andere illiquide Anlageprodukte. Karsten Behr von der Niedersächsischen Bingo-Umweltstiftung hält Immobilien im Depot für unerlässlich: 10 bis 20 Prozent des Portfolios sollten sie ausmachen, so sein Rat.

Kleinere Stiftungen, etwa mit 3 Millionen Euro Kapital, können dabei auf Immobilienfonds, Aktien von Immobilienunternehmen oder Investmentfonds, die Immobilienaktien bündeln, setzen. Eine genaue Analyse der Immobilienfonds sei aber erforderlich, sagt Dieter Lehmann von der Volkswagen-Stiftung, der kleine Stiftungen bei der Kapitalanlage mit Rat unterstützt. „Es gibt sehr viele gute, aber auch sehr viele schlechte.“ Für größere Institutionen, etwa mit 25 Millionen Euro Kapital, kommen auch Direktinvestments in Immobilien infrage.

Laut Stiftungspanel des Bundesverbands hat die Hälfte der befragten Stiftungen bereits außerhalb der Anleihe- und Aktienmärkte investiert. Knapp 38 Prozent legten Geld in Immobilien an, 10 Prozent waren mit Unternehmensbeteiligungen und/oder Wagniskapital aktiv. Alternative Anlagen hält Karsten Behr als Beimischung für Stiftungen durchaus für geeignet, schränkt aber ein: „Ich würde nicht jeder Stiftung dazu raten.“ Bei illiquiden Assets gebe es Fallstricke, teilweise seien die Produkte intransparent. „Wer sich nicht so gut damit auskennt, sollte die Finger davon lassen.“

Zu wenig Wissen über das Thema ist für Stiftungen dann auch ein Grund, auf alternative Anlagen zu verzichten, zeigt die Umfrage des Bundesverbands. Am häufigsten genannt wurde aber, dass die Anlagerichtlinien entsprechende Investitionen nicht vorsehen. Weitere Gründe: Ein zu hohes Risiko und keine passenden Anlageprodukte. Bei vielen Institutionen sind Vorstand, Kuratorium und Beirat zudem gegen solche Investitionen. „Stiftungsgremien haben oft große Angst, dass etwas schiefgeht“, sagt Behr. Gerade bei kleineren Stiftungen arbeiten viele Vorstände ehrenamtlich. Oft fehlt das Vorwissen bei der Geldanlage.

Viele suchen sich andere Wege, wenn sie ihren Stiftungszweck nicht mehr über die Kapitalanlage realisieren können. „Fundraising wird für Stiftungen wichtiger“, sagt LMM-Geschäftsführerin Melanie Kühlborn-Ebach. Das beobachtet auch die BW-Bank. Das Institut hat vor fünf Jahren eine Online-Plattform ins Leben gerufen, auf der auch Stiftungen Projekte für Crowdfunding einstellen können.

Volkswagen-Stiftungsvorstand Lehmann sieht es kritisch, dass viele Stiftungen ihren Stiftungszweck vor allem über Spenden finanzieren und nicht aus Erträgen ihrer Vermögensanlage: „Das ist ein Problem.“ Wer nur noch auf Fundraising setzt, macht sich abhängig. Ein Umsteuern wäre aus seiner Sicht dringend notwendig.

Am Anfang steht eine Inventur

Aber wo anfangen? Stiftungen, die sich mit ihrer Vermögensallokation auseinandersetzen wollen, rät Achim Lange von der Zeit-Stiftung zunächst zu einer Inventur. Wie sieht das Portfolio der Stiftung aus? Kann mit den Anlagen der Stiftungszweck noch erfüllt werden? Diese Fragen sollten sich die Institutionen im ersten Schritt stellen, so Lange, der bis vor kurzem bei der Hamburger Sparkasse Stiftungen beriet. Das betrifft vor allem die festverzinsliche Seite: Lange empfiehlt, nicht nur auf die Kupons zu schauen, sondern auch die Restrenditen zu berücksichtigen.

„Bei einer Staatsanleihe mit ordentlichem Kupon, aber einer Negativrendite kann es sinnvoller sein, zu verkaufen und mit den Umschichtungsgewinnen das Stiftungsvermögen zu erhöhen“, so Lange. Auch auf die gehaltenen Aktien lohne sich ein Blick: Gibt es etwa Unternehmen, die in der Corona-Krise ihre Dividenden gestrichen haben? Wie sinnvoll ist es, diese Titel noch zu halten? Kleine Stiftungen ohne Finanzexperten können sich für die Inventur einen externen Verwalter hinzuholen. Über allem sollten die Fragen stehen: Welchen Ertrag benötigt die Stiftung, um ihren Zweck zu erfüllen? Welche Änderungen müssen im Portfolio – soweit möglich – vorgenommen werden, um das zu erreichen?

Stiftungen, denen eine professionelle Beratung zu teuer ist, rät Dieter Lehmann von der Volkswagen-Stiftung zur Gründung eines Vermögensbeirates. Ein solches Gremium könnte mit Menschen, die in der Finanzbranche tätig sind oder waren, etwa auch Ruheständlern, besetzt werden. „Viele engagieren sich gern ehrenamtlich, wenn ihr Fachwissen gefragt ist“, so der Stiftungsexperte. Der nächste Schritt: ein Blick in die Anlagerichtlinie. Zahlen des Bundesverbands zufolge haben knapp 70 Prozent der Stiftungen entsprechende Richtlinien erstellt. „Von vielen Stiftungen werden Anlagerichtlinien als unnötiges Hindernis angesehen“, sagt Lehmann – ein Fehler.

„Indem Stiftungen Richtlinien für die Geldanlage beschließen und dokumentieren, schaffen sie für sich einen Handlungsrahmen“, erklärt Lehmann. So könnten etwa ein Mindest-Rating für Anleihen sowie eine maximale Aktienquote festgelegt werden. Investiert der Stiftungsvorstand das Vermögen entsprechend, schütze er sich vor Anschuldigungen und Haftungsfällen. Wichtig sei, dass ein solches Papier längerfristig Bestand habe. Mirjam Schwink von der BW-Bank rät dennoch zur regelmäßigen Überprüfung: „Unser Tipp an die Stiftungen ist, mindestens einmal im Jahr darüber zu sprechen, ob man Änderungen vornimmt.“