Das bedeutet konkret?
König: Dass Malta die Nutzung der Yacht durch den Leasingnehmer auf Basis des Artikel 59a MwStRL von der maltesischen Umsatzsteuer freistellt, soweit die Yacht außerhalb der Hoheitsgewässer der EU verwendet wird. Die maltesische Finanzverwaltung geht dabei davon aus, dass größere Yachten stärker als kleinere außerhalb dieser Hoheitsgewässer unterwegs sind. Dementsprechend wäre es grundsätzlich für Zwecke der Umsatzsteuer notwendig, die Zeiten festzustellen, in denen die Yacht tatsächlich außerhalb der EU-Hoheitsgewässer genutzt wird.
Da dies in der Praxis angeblich schwierig sei, hat das maltesischen Finanzministeriums in einer „Richtlinie über die mehrwertsteuerliche Behandlung von Yachtleasing“ Schätzwerte festgelegt, wobei eine Abstufung, je nach Größe, vorgenommen wird: Je größer die Yacht, desto wahrscheinlicher die Nutzung außerhalb der EU-Gewässer, desto größer die Ersparnis, lautet die Formel.
Über welche Größenordnung einer Steuermeidung reden wir?
Olfen: Durch die teilweise Verlagerung des umsatzsteuerlichen Ortes der Leasing-Leistung in ein Drittland, sinkt beispielsweise die umsatzsteuerliche Belastung bei einer Yacht mit einer Länge von mehr als 24 Metern um 70 Prozent, also von 18,0 auf gerade mal 5,4 Prozent. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der abgeschlossene Leasingvertrag umsatzsteuerlich als sonstige Leistung und nicht als Lieferung eines Gegenstandes zu werten ist. Und das ist der Knackpunkt.
Inwiefern?
König: Bei der oben beschriebenen Art des Leasingvertrages wird dem Leasingnehmer bereits mit Abschluss des Vertrages ermöglicht, wie ein Eigentümer über die Yacht zu verfügen. Denn die Laufzeit des Leasingvertrages ist erheblich kürzer ist als die gewöhnliche Nutzungsdauer, und der Leasingnehmer kann die Yacht am Ende dieser Zeit gegen ein nur noch geringes Entgelt kaufen. Hieraus folgt für den Bereich der Umsatzsteuer, dass dem Leasingnehmer schon zu Beginn des Leasingvertrages durch Übergabe der Yacht die wirtschaftliche Verfügungsmacht an dieser verschafft wird.
Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 4. Oktober 2007 unter Verweis auf Artikel 14 Absatz 2 lit. b MwStSystRL bezüglich PKW-Leasingverträgen klargestellt, dass trotz des Abschlusses eines zivilrechtlichen Leasingvertrages für Zwecke der Umsatzsteuer von der „Lieferung eines Gegenstandes“, also einem Kaufvertrag, auszugehen ist, wenn dem Leasingnehmer am Ende der Laufzeit eine Kaufoption eingeräumt wird und die Ausübung dieser Kaufoption die einzig wirtschaftlich sinnvolle Entscheidung für den Leasingnehmer ist.
Olfen: Und dass ein Kauf die wirtschaftlich einzig sinnvolle Entscheidung ist, steht bei den Vertragsbedingungen des „Malta-Leasing-Modells“ wohl außer Frage, denn diese sahen – zumindest bisher – am Ende der kurzen Laufzeit einen Preis von einem Prozent des ursprünglichen Kaufpreises der Yacht vor.
Also ist in diesem Fall die Miete rechtlich gesehen ein Kauf.
König: Hieraus folgt zunächst, dass bereits seit der Veröffentlichung des EuGH-Urteils – und nun spätestens durch die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens durch die Europäische Kommission – durchgreifende Zweifel an der unionsrechtlichen Rechtmäßigkeit des Malta-Leasing-Modells bestehen. Was dazu führt, dass die in Malta in der Vergangenheit eingereichten Umsatzsteuererklärungen – vor allem der Leasinggeberin – unionsrechtlich wohl in sehr vielen Fällen zu beanstanden sind.
Diese Beanstandung betrifft zwar in aller Regel nicht das deutsche, sondern allein das maltesische Besteuerungsrecht. Aber: Im Paragrafen 370 Absatz 6 Satz 2 der Abgabenordnung ist der erweiterte örtliche und sachliche Anwendungsbereich des Straftatbestandes der Steuerhinterziehung bei Verkürzung von Umsatzsteuern in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union festgeschrieben. Die unionsrechtswidrige Festsetzung von Umsatzsteuern in Malta ist also auch in Deutschland von Bedeutung, da die Norm den deutschen Strafverfolgungsbehörden einen entsprechenden Ermittlungsauftrag auferlegt.