Steuerliche Risiken bei Cross-Border-Geschäften „Auf Anleger kommt die Pflicht zum Tätigwerden zu“

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Wenn der Verdacht ausreicht

Auch wenn nicht alle Inhaber von entsprechenden Briefkastengesellschaften diese zur Steuerverkürzung genutzt haben, macht die aktuelle Diskussion deutlich, dass neben gesetzeskonformen Verhalten hier offensichtlich auch moralisch korrektes Verhalten eingefordert werden soll. Es reicht allein der Verdacht aus, um an den Pranger gestellt zu werden.

Neben öffentlichen Vorverurteilungen droht nicht selten selbst bei legalen Gestaltungen die proaktive Verfolgung durch die Behörden unmittelbar im Einklang mit dem politischen Stimmungsbild oder bei Änderungen der Rechtsprechung. Ungeachtet der steuerlichen Komplexität des Themas wird in Anbetracht der Zeitverzüge bei der Aufklärung von Cum-Ex-Deals eine Bewertung als Steuerhinterziehung wegen der ins Auge gefassten längeren Festsetzungsverjährung wahrscheinlicher.

Nachdem der Bundesfinanzhof (BFH) 2013 die Bewertung von im Ausland unentgeltlich genutztem Immobilienvermögen durch Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft nach dem geltenden Doppelbesteuerungsabkommen (im entschiedenen Fall: Spanien) vorgenommen hat, sind etwa derartige Gestaltungen im Hinblick auf die erwarteten Mehreinnahmen unverzüglich ins Visier der Finanzämter geraten. Jeder, der eine solche Gestaltung im guten Glauben gewählt hat, kann einer Steuerhinterziehung verdächtig werden, wenn er nicht tätig wird.

Pflicht zum Tätigwerden

Die Erfahrungen mit dem europäischen Informationsaustausch im Rahmen der EU-Zinsrichtlinie zeigen aber auch, dass selbst die vollständige steuerliche Deklaration nicht vor Unbill schützen. Aufgrund unterschiedlicher steuerlicher Vorschriften der einzelnen Länder sind die im Rahmen des Informationsaustausches gemeldeten Daten über Kapitalerträge auch nur eingeschränkt nutzbar und es wird zu Differenzen zur Steuererklärung kommen. Dies wird zunächst zu Lasten des Anlegers gehen und eine vollständige Dokumentation aller Vorgänge erfordern.

In der Vergangenheit haben sich Anleger bereits dem unterschwelligen Vorwurf der Steuerhinterziehung ausgesetzt gesehen, wenn die sogenannte ZIV-Meldungen nicht mit den Steuererklärungen übereingestimmt haben. Für die betroffenen Steuerpflichtigen war dies nur schwer verständlich, hatten sie doch gerade mit der Teilnahme am Meldeverfahren statt am anonymen Quellensteuerabzug ihrem Wunsch nach steuerlicher Transparenz deutlich Ausdruck verliehen. 

Auf viele Anleger, die sich weitgehend in Sicherheit wähnen und ihre Anlagen nicht aktiv verwalten, kommt daher die Pflicht zum Tätigwerden zu. Kreative Steuergestaltung kann strafbar sein, muss es aber nicht.

Die Übergänge im Strafrecht zwischen legal und illegal sind meist fließend und für viele Anleger nicht unmittelbar ersichtlich. Wie schmal der Grat zwischen Steueroptimierung und einer durch die Behörden verfolgbaren Gestaltung ist, zeigt die aktuelle Empörungswelle rund um die Panama Papers.

Aktionismus der Behörden

Unter dem Druck der öffentlichen Meinung, der durch die gründlich vorbereitete Veröffentlichung der Medienrecherchen erzeugt ist, werden Bafin und Staatsanwaltschaften zum Aktionismus getrieben, obwohl diesen das Datenmaterial gar nicht vorliegt. Dabei erscheint der Hinweis auf die legitimen Gründe, die zur Gründung einer Offshore-Gesellschaft bestehen können, regelmäßig bestenfalls als Fußnote.

Mit dem Argument, sich mit den gesetzlichen Änderungen nicht befasst zu haben, wird in Anbetracht der Entwicklung hin zur vollständigen Transparenz eine Verteidigung daher in Zukunft noch schwieriger werden. Jedem Bürger mit Auslandsvermögen ist daher zu einer aktiven Anlagestrategie und vollständigen Dokumentation zu raten, um unerkannte Risiken durch sich beschleunigende internationale Gesetzgebung zu vermeiden.

Der Erklärungsaufwand für umfangreiche Auslandskonten und -depots dürfte dabei deutlich zunehmen. Eine korrekte Deklarierung setzt dabei zukünftig häufig auch eine private „Buchhaltung“ der Transaktionen voraus. Wer die noch bestehenden Möglichkeiten hierzu nicht nutzt, könnte in der Mausefalle landen.


Über die Autoren:
Oliver Schultze ist Inhaber der Steuerberatungskanzlei S&V Steuern und Vermögen. Der ausgebildete Bankkaufmann und studierte Betriebswirtschaftler arbeitete von 1993 bis 1999 bei Pricewaterhouse Coopers. Seit 2000 hat er seine eigene Kanzlei.

Ralph Kempcke ist Diplom-Kaufmann mit Steuerberaterqualifikation. Nach sechs Jahren im Private Wealth Management der Deutschen Bank wechselte er 1995 zu Pricewaterhouse Coopers, wo er in der Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung tätig war. Von 2000 bis 2014 arbeitete Ralph Kempcke als Mitglied der Geschäftsführung der Berlin & Co. Gruppe in der direkten Mandantenbetreuung. Seit 2014 ist Ralph Kempcke geschäftsführender Gesellschafter des Family Office Agusta.

Michael Olfen ist Fachanwalt für Steuer- und Strafrecht sowie zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht bei der Kanzlei Oberwetter & Olfen. Sein Studium der Rechtswissenschaften mit Schwerpunkten Wirtschaftsrecht und Strafrecht hat er in Bonn, Hamburg und Berlin absolviert.




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