Steuerliche Doppelbelastung adé Bekommt die Einkommensteuer Vorrang vor der Erbschaft- oder Schenkungsteuer?

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Erheblich Bedeutung für die Beratungspraxis

Die in der Praxis wichtige Frage, ob eine vGA zugleich Schenkungsteuer auslösen kann, wurden lange Zeit von der obersten Rechtsprechung eindeutig verneint: Zuwendungen einer Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter könnten verdeckte Gewinnausschüttungen, nicht aber zugleich Schenkungen sein (so schon der Reichsfinanzhof im Urteil vom 21. Januar 1943 – III e 38/41).

Für große Verunsicherung hatte dann allerdings im Jahr 2007 ein obiter dictum des II. Senats des BFH gesorgt, wonach eine verdeckte Gewinnausschüttung möglicherweise zugleich als freigebige Zuwendung der Kapitalgesellschaft an eine dem Gesellschafter nahestehende Person qualifiziert werden könnte (BFH-Urteil vom 7. November 2007 – II R 28/06).

Diese Steilvorlage nahm die Finanzverwaltung dankbar auf. Seitdem vertrat sie die Ansicht, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung als freigebige Zuwendung der Kapitalgesellschaft an den begünstigten Gesellschafter oder die begünstigte nahestehende Person schenkungsteuerpflichtig sein kann (Oberste Finanzbehörden der Länder, gleichlautende Erlasse vom 20. Oktober 2010 – 3 – S 3806/75, Bundessteuerblatt I 2010 Seite 1207 sowie vom 14. März 2012 – 3 – S 380.6/84).

Mit Urteil vom 30. Januar 2013 (II R 6/12) hat derselbe II. Senat des BFH dann allerdings klargestellt, dass im Verhältnis einer Kapitalgesellschaft zu ihren Gesellschaftern es neben betrieblich veranlassten Rechtsbeziehungen lediglich offene und verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Kapitalrückzahlungen, aber keine freigebigen Zuwendungen gebe.

Das Finanzgericht Münster behandelt nun den bislang noch nicht entschiedenen Fall im Dreiecksverhältnis und verneint auch hier ein Vorliegen einer schenkungsteuerlichen freigebigen Zuwendung neben einem entgeltlichen Vertragsverhältnis, das wie die verdeckte Gewinnausschüttung der Einkommensteuer unterliegt. Da gegen die Entscheidung des Finanzgerichts Münster Revision eingelegt wurde (Aktenzeichen BFH II R 54/15) sollten betroffene Fälle durch Einsprüche offen gehalten werden.

Ausblick

Die genannten Entscheidungen lassen erkennen, dass die Rechtsprechung wohl von einem generellen Vorrang der Einkommensteuer vor der Erbschaft- oder Schenkungsteuer ausgeht. Das würde eine Abkehr von der bisherigen Auffassung bedeuten, wonach die Doppelbelastung eines Vermögenszuwachses mit Einkommensteuer und Schenkungsteuer als zulässig erachtet wurde (vergleiche zum Beispiel BFH-Urteil vom 17. Februar 2010 – II R 23/09). So hat auch der VIII. Senat in seiner jüngeren Rechtsprechung ausgeführt, dass sich Einkommensteuer und Schenkungsteuer zumindest dann wechselseitig ausschließen, sofern das steuerauslösende Ereignis dasselbe ist (BFH-Beschluss vom 12. September 2011 – VIII B 70/09).

Umso überraschender ist, dass das Bundesverfassungsgericht am 7. April 2015 einstimmig beschlossen hat (1 BvR 1432/10), die Verfassungsbeschwerde zu der Frage, ob es mit Artikel 3 Absatz 1 und Artikel 14 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes vereinbar ist, dass auch bei der Vererbung noch nicht fälliger Stückzinsansprüche sowohl Erbschaft- als auch Einkommensteuer erhoben wird, nicht zur Entscheidung anzunehmen.

Es dürfte allerdings nur eine Frage der Zeit sein, bis das Bundesverfassungsgericht erneut die Gelegenheit bekommt, zum Verhältnis von Erbschaft- oder Schenkungsteuer zur Einkommensteuer Stellung nehmen und diese dann hoffentlich auch nutzt.


Über den Autor:
Dr. Axel Wepler, Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachberater für Internationales Steuerrecht, ist Partner der Augsburger Wirtschaftskanzlei Epple, Dr. Hörmann & Kollegen. Sein Schwerpunkt liegt auf dem Steuer- und Steuerverfahrensrecht, Gesellschafts- und Handelsrecht.

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