Steuerfalle für Unternehmerfamilien Finanzministerium plant verschärfte Wegzugsbesteuerung

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Dies könnte bedeuten, dass auch vor 2020 erfolgte Wegzüge von der Neuregelung betroffen sein sollen, soweit die Steuerfestsetzung und -stundung nicht bis zum 31. Dezember 2019 erfolgt ist. Im Ergebnis käme dies, auch wenn der Stundungsbescheid erst 2020 auf Basis des dann geltenden Rechts erginge, einer rückwirkenden Gesetzesänderung nahe, da das Vertrauen des Steuerpflichtigen in die im Zeitpunkt des Wegzugs bestehende Stundungsregel enttäuscht würde. Dies erscheint verfassungsrechtlich mindestens zweifelhaft.

Bewertung und Ausblick

Nach dem Referentenentwurf soll Paragraph 6 Außensteuergesetz „zeitgemäß“ ausgestaltet werden, die „Anforderungen an die erhöhte Mobilität der Steuerpflichtigen in einer globalisierten Zeit“ sowie die fiskalischen Interessen und Administrierbarkeit würden hierdurch angemessen ausbalanciert (vgl. S. 74 des Entwurfs). Ob dies wirklich der Fall ist, darf bezweifelt werden. Die internationale Mobilität der Anteilseigner von Kapitalgesellschaften, insbesondere von Familienunternehmen, wird durch die geplante Neuregelung ganz erheblich beschränkt.

Ebenso zweifelhaft erscheint die unionsrechtliche Zulässigkeit der geplanten Gesetzesänderung. Wie bereits dargelegt, beruht die derzeitige Stundungsregelung explizit auf der zur Wegzugsbesteuerung natürlicher Personen ergangenen EuGH-Rechtsprechung. In jüngeren EuGH-Urteilen erkannte das Gericht zwar an, dass auch eine ratierliche Steuererhebung in fünf Jahresraten unionsrechtlich zulässig sei (EuGH v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12, DMC; v. 21.5.2015, Rs. C-657/13, Verder Labtec). Diese sind allerdings zum Wegzug von Kapitalgesellschaften beziehungsweise zur Verlagerung betrieblichen Vermögens ins Ausland ergangen, sodass die Grundsätze nicht ohne Weiteres auf die Wegzugsbesteuerung natürlicher Personen übertragbar sein dürften. Belegt wird dies durch die Aussagen des EuGH im jüngst in der Rs. Wächtler ergangenen Urteil. Danach sei die Möglichkeit einer Zahlung der geschuldeten Steuer in Teilbeträgen nicht geeignet, den dem Steuerpflichtigen aus der Wegzugsbesteuerung erwachsenden Liquiditätsnachteil aufzuheben. Eine Ratenzahlung sei zudem für den Steuerpflichtigen kostspieliger als eine Stundung der Steuer bis zur Veräußerung der Gesellschaftsanteile (EuGH v. 26.2.2019 – Rs. C-581/17, Tz. 68). Vor diesem Hintergrund liegt es nahe, dass die geplante Gesetzesänderung eine ungerechtfertige Beschränkung der Niederlassungsfreiheit bedeuten würde.

Sollte der Gesetzgeber Paragraph 6 Außensteuergesetz entsprechend des Referentenentwurfs ändern, wird der EuGH in naher Zukunft Gelegenheit bekommen, hierzu abschließend Stellung zu beziehen. Bis dahin ist gerade bei Familienunternehmen in vielen Fällen durch geeignete Maßnahmen Vorsorge dafür zu treffen, dass die internationale Mobilität der Familie nicht zur Steuerfalle wird.


Über den Autor:

Jens Escher ist Partner bei der Sozietät Taylor Wessing in Düsseldorf (Bereich Private Wealth). Der Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht berät im Schwerpunkt Gesellschafter von Familienunternehmen, vermögende Privatpersonen und Family Offices, insbesondere in den Bereichen Nachfolgegestaltung, Vermögensstrukturierung und Stiftungen. Daneben ist er Honorarprofessor für Steuerrecht an der Juristenfakultät der Universität Leipzig.

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