Stefan R. Haake und Ferenc von Kacsóh „Transformatives Kapital bewirkt direkt gesellschaftlichen Nutzen“

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Und der zweite Ansatz?

von Kacsóh: Ist das Einwerben frischer Mittel über das strukturierte Fundraising-Maßnahmen.

Also Spenden einsammeln?

von Kacsóh: (lacht) Nein. Fundraising ist weit mehr als das. Es ist das Einwerben von Zuwendungen in den Kategorien Geld-, Sach- und Zeit-Zuwendungen. Sachspenden sind klar. Zeitspenden können bei der ehrenamtlichen Mitarbeit anfangen und gehen bis hin zu Beratertagen durch Wirtschaftsprüfern und Rechtsanwälten, die auf die Bezahlung ihres Honorars verzichten. Geldzuwendungen klingen am Einfachsten, sind aber tatsächlich das Vielfältigste, weil es die meisten Möglichkeiten gibt.

Als da wären?

Haake: In den vergangenen Jahren ist immer häufiger von wirkungsorientierten Anlagen zu lesen. Impact-Investment-Stammtische haben sich etabliert, auch der Bundesverband Deutscher Stiftungen ist hier sehr umtriebig. Trotzdem haben viele ein Problem damit, weil sie sich außer Stande sehen, diese Wirkung tatsächlich messbar zu machen. Zu diesen wirkungsorientierten Anlagen gehört auch das transformative Kapital. Bei Fördergeldern ist dieser von uns geprägte Begriff besonders zutreffend: Geldmittel – in diesem Fall Steuergelder oder Mittel für Förderprojekte von Stiftungen – werden so eingesetzt, dass sie eine direkte zivilgesellschaftliche Veränderung bewirken. Sie sparen sich also den Umweg, zuvor nochmals monetäre Rendite erwirtschaften zu müssen. Die gesellschaftliche Wirkung selbst ist die transformative Rendite.

von Kacsóh: Prägnant ausgedrückt: Profit Beyond Profit.

Hört sich an wie Impact Investment.

von Kacsóh: Das ist es aber gerade nicht. Der Unterschied liegt darin, dass Impact Investment – etwa Mikrokredite – zurückgeführt werden müssen, nebst einem gewissen, wenn auch noch so geringen, Zinssatz. Dadurch ist dort der wirtschaftliche Erfolg Basis für gesellschaftliche Veränderung. Transformatives Kapital bewirkt aber selbst die gesellschaftliche Veränderung, der wirtschaftliche Erfolg ist dann sozusagen das nachfolgende Nebenprodukt.

Haben Sie ein prägnantes Beispiel?

Haake: Wenn ein Automobilhersteller beschließt, in einem Werk nur noch Elektro-Autos zu bauen und auf eine digitale Produktion umzustellen, hat das Auswirkungen auf die Mitarbeiter. Die sind dafür nicht wirklich auf allen Ebenen geschult. Um sie nicht entlassen zu müssen, investiert der Hersteller Kapital in deren Ausbildung und Umschulung. Das Kapital bewirkt eine Transformation, die gesellschaftliche Wirkung besteht darin, dass die Menschen ihre Arbeit behalten. Mit zeitlichem Versatz profitiert die Umwelt durch weniger Abgase. Zudem bleibt der Wirtschaft die Konsumleistung der nicht arbeitslos gewordenen Mitarbeiter erhalten.

Das klingt komplex und schwer zu realisieren?

von Kacsóh: An diesem Beispiel möchte ich zweierlei verdeutlichen: Es zeigt, was transformatives Kapital konkret bewirken kann. Andererseits muss es mit einer gelungenen und hochprofessionellen PR- und Öffentlichkeitsarbeit begleitet werden – sei es zur Kommunikation der Erfolge, sei es als Basis für das Fundraising.

Haake: Man kann es so sehen: PR-Kommunikationsstrategie und Fundraising als die eine, transformatives Kapital und Wirkung als die andere Seite derselben Medaille. Allerdings: Diese Medaille hat paradoxer Weise zwei gleiche Seiten, auf der jeweils alle Aspekte verschmolzen zu sein scheinen.

von Kacsóh: Eine unbequeme Wahrheit gehört ebenfalls dazu: In Zeiten andauernder Negativzinsen sehen wir es als notwendig an, über regulatorische Änderungen nachzudenken. Zum einen muss es möglich sein, Rendite auch anders als rein monetär zu definieren, ohne sofort in Gefahr zu geraten, dass die Gemeinnützigkeit aberkannt wird. Zum anderen sind professionelle Stiftungsmanager im Ehrenamt nicht zu haben, schon gar nicht unter den gegebenen Haftungsrisiken. Das hat aber zur Folge, dass die Verwaltungskosten gemeinnütziger Organisationen erheblich steigen. Bei den zwei Dritteln der Stiftungen mit einem Kapitalstock unter einer Million Euro bedeutet das schnell, dass Niedrigzins-Kapitalertrag eventuell nicht einmal für die Verwaltungskosten reichen könnte.