private banking magazin: Kurz und knapp: Was macht eine moderne Vertriebsstruktur im Wealth Management aus?
Stefan Meine: Eine moderne Vertriebsstruktur im Wealth Management ist immer an den Bedürfnissen der Kunden ausgerichtet, die sich im Zeitverlauf ändern.
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private banking magazin: Kurz und knapp: Was macht eine moderne Vertriebsstruktur im Wealth Management aus?
Stefan Meine: Eine moderne Vertriebsstruktur im Wealth Management ist immer an den Bedürfnissen der Kunden ausgerichtet, die sich im Zeitverlauf ändern.
Und das ist bei der Bethmann Bank der Fall?
Meine: Wir haben eine 312-jährige Geschichte. Wenn die Bank in dieser Zeit den Kundenbedürfnissen nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt hätte, wären wir wohl noch ein Getreidehandel in Berlin – so hat das älteste Gründungsinstitut mal angefangen.
Sie haben ab 2017 das Firmenkundengeschäft der ABN Amro in Deutschland aufgebaut, sind 2021 in die Geschäftsleitung der Bethmann Bank gewechselt. Mit welchem Auftrag sind Sie damals angetreten?
Meine: Ich arbeite seit mehr als drei Jahrzehnten für verschiedene Banken im Kundenbereich. Dabei zieht sich das Thema Wachstum wie ein roter Faden durch meine Karriere: das Wachstum eines mittelständischen M&A-Geschäfts, eines internationalen Investmentbankings, der Wiedereinstieg der ABN Amro ins deutsche Großkundengeschäft. Und jetzt habe ich mit meinem Bethmann Bank Team einen großen Wachstumsauftrag im Wealth Management.
Da kommt einer von der niederländischen Mutter aus dem Firmenkundengeschäft und krempelt das Wealth Management um – gab es derartige Vorbehalte?
Meine: Nach meinem Gefühl bin ich eher durch ein offenes Tor gelaufen. Die Bethmann Bank hat eine lange Kredithistorie und ein umfangreiches Kreditbuch, allerdings immer auf der Seite der Privatkunden. Es war aber schwierig für die Bank, auch auf der Ebene der Unternehmen Kredite zu vergeben. Als Wealth Manager in einer großen Privatbank mit vielen Unternehmerkunden ist es sinnvoll, über Generationenplanung, Vermögensmanagement und -Strukturierung zu reden und dabei das Unternehmen einzubeziehen. Deshalb war der Widerstand nicht stark. Trotzdem braucht es für solche Veränderungsprozesse eine hohe Anschubenergie – und man muss kulturelle Sensitivitäten beachten.
Was meinen Sie genau?
Meine: Ein gängiger Vorbehalt aus Private-Banking-Sicht ist, dass Corporate Banker transaktionsorientiert sind und kurzfristiger denken – insbesondere, wenn es Richtung Investment Banking geht. Doch das ist nicht das Profil, dass die ABN Amro in Deutschland als langfristige Finanzierungsbank hat. Corporate Banker fürchten oftmals eine zu große Performance-Abhängigkeit, wenn Kunden im Wealth Management verankert werden.
Wie räumt man diese Vorbehalte aus?
Meine: Wir haben Spezialisten aus beiden Bereichen zusammengeführt. Das hat in Deutschland meines Wissens noch keine andere Bank gemacht. Wir führen die Mittelstandsfinanzierung aus dem Wealth Management heraus, nur eben mit Corporate-Banking-Spezialisten. Die sitzen nicht nur in der gleichen Niederlassung, sondern im gleichen Büro. Das verhindert, was viele Unternehmerkunden in anderen Häusern erleben: dass ein Team zum Beratungstermin kommt, das erst auf dem Parkplatz vor dem Werksgelände die Visitenkarten ausgetauscht hat.
Häufig stellt sich dann die Frage nach der Erlösverrechnung zwischen dem Wealth Management und Corporate Banking.
Meine: Ich habe immer an der Schnittstelle zwischen Wealth Management und Firmenkundengeschäft gearbeitet und kenne sämtliche Formen: Doppelanrechnung oder Verhandlungen unter den Bankern oder der Managementebene. Bei uns besteht zwischen beiden Seiten eine Interessenkongruenz. Denn die Mittelstandsfinanzierung – in der Bethmann Bank ist dies der Bereich Entreprise & Entrepreneur, kurz E&E – ist Teil des Wealth Managements und sitzt auf der gleichen Gewinn- und Verlustrechnung. Der Corporate Banker ist auf alle Einnahmen, die wir aus der Kundenbeziehung erzielen, voll gespiegelt. Umgekehrt ist der Wealth Manager voll gespiegelt auf die Erträge, die wir aus der Verbindung zum Unternehmen erzielen.
Beratungsunternehmen predigen schon seit Jahren, dass sich für Banken, die Vermögensmanagement und Firmenkundengeschäft verknüpfen, Erlöschancen bieten. Warum erst jetzt dieser Schritt?
Meine: Die Chancen sind in der Tat offensichtlich. Aber es braucht Zeit, aus einer reinen Wealth-Management-Kultur, nicht nur die Kompetenzvermutung, sondern auch die tatsächliche Kompetenz zu entwickeln. Die Ausbildungswege und Kultur von Wealth Managern und Corporate Bankern unterscheiden sich. Das tiefe Verständnis von Cashflows, Unternehmen und die Industrien zu entwickeln, ist für den traditionellen Wealth Manager nicht leicht.
Und aus Kundensicht? Da heißt es, viele Unternehmerkunden wollen private und geschäftliche Bankbeziehungen gar nicht verknüpfen, sind anspruchsvoll und risikoavers, also nicht die profitabelsten Kunden für die Vermögensverwaltung. Ist da was dran?
Meine: Die meisten unserer Kunden sind aktive oder ehemalige Unternehmer, die in der Regel die Märkte, die Produkte und das Pricing gut kennen. Es gibt Unternehmer, die nicht aus einer Hand betreut werden wollen. Die halten wir aus dem Corporate Bank selbstverständlich heraus. Die Mehrheit möchte das aber. Gerade die ältere Generation oder Familienmitglieder, die eine operative Rolle im Unternehmen haben, sehen die Finanzen des Unternehmens als ihre eigenen an. Wir spielen mit unserem E&E-Angebot die Lebensrealität unserer Kunden, und das sollte ja das Ziel jeder Bank sein.
Sparkassen und Genossenschaftsbanken haben im Firmenkundengeschäft in Deutschland einen gemeinsamen Marktanteil von 65 Prozent. Dazu kommen die Großbanken. Wo bleibt da noch Platz für eine Privatbank?
Meine: Meistens sind es nicht die Sparkassen und Volksbanken, mit denen wir konkurrieren. Oft sind es Unternehmen, die aus dieser Betreuung herauswachsen. Ab einer gewissen Unternehmensgröße braucht es eine Anbindung an internationale Märkte, ein entsprechendes Netzwerk, Außenhandelsfinanzierung. Und trotzdem freuen sich diese Unternehmen und Unternehmer, wenn Sie ihren Ansprechpartner weiterhin in Deutschland haben, bei einer renommierten Adresse. Da sehen wir unsere Markteintrittschancen.
Ist es aufwändiger einen Unternehmer als Klienten für das Wealth Management zu gewinnen?
Meine: Nicht aufwändiger als beispielsweise einen institutionellen Kunden oder ein Family Office. Wir haben preissensitive, aber auch qualitätssuchende Kunden. Der deutsche Wealth-Management-Markt hat eine fast atomistische Marktaufstellung mit einem engen Preisgefüge. Man muss groß und breit aufgestellt sein, um profitabel arbeiten zu können. Das sind wir.
Dass der Markt sehr umkämpft ist, hat die Bethmann Bank in den vergangenen eineinhalb Jahren zu spüren bekommen. Sowohl in Hamburg als auch in Düsseldorf und Köln hat die LGT bei ihrem Haus gewildert. Spürt man Enttäuschung oder Ärger, wenn Führungskräfte samt Teams gehen?
Meine: Dass Berater und Teams wechseln ist im Wealth Management nichts Neues. Auch die Bethmann Bank hat damit Erfahrung – sowohl auf der abgebenden als auch auf der aufnehmenden Seite. Einerseits stärkt es den Zusammenhalt der Bank, weil es als ein kleiner Angriff von außen empfunden wird. Viel wichtiger ist aber, das Kundeninteresse vorne anzustellen. Die wünschen sich Kontinuität, und für die ist es erstmal keine gute Nachricht, wenn der Berater geht.
Und für die Bank?
Meine: Für uns bedeutet es Aufwand, weil Arbeit anfällt, um die Kunden zu binden. Dabei waren wir sehr erfolgreich. Wenn Kunden erkennen, dass ihre Bank stabil und überzeugt von ihrer Strategie ist, stellen sie sich als nächstes die Frage, wo sie am besten aufgehoben sind. Da ist es ein Vorteil, wenn man ein großes Haus ist, das vielfältige Verbindungen zum Kunden hat – zum Beispiel auch über das Private-Equity- oder Kreditgeschäft. Ich denke, da ist es zu vielen Kundenentscheidungen gekommen, mit denen die scheidenden Banker nicht gerechnet haben.
Übersetzt: Es sind weniger Kundengelder abgeflossen, als befürchtet oder erwartet. Wie haben sich die Assets under Management im vergangenen Jahr entwickelt?
Meine: Man rechnet bei solchen Bewegungen mit einem Abfluss zwischen 20 und 30 Prozent – zumindest ist das der Case, mit dem die Berater rechnen und auf den die aufnehmenden Banken hoffen. Das war bei den angesprochenen Abgängen bei weitem nicht der Fall. Insgesamt lagen unsere Assets under Management Ende 2023 mit 44,3 Milliarden Euro um fast 9 Prozent über dem Vorjahreswert von 40,8 Milliarden Euro. Mit diesem Ergebnis sind wir sehr zufrieden.
Die Assets sind das eine. Konnten die Abgänge auch personell kompensiert werden?
Meine: Wir haben im vergangenen Jahr im Vertrieb 65 Mitarbeiter eingestellt, von denen sehr viele direkt am Kunden arbeiten. Insofern ist uns das gelungen. Generell muss man sagen: Was die Schlagzeilen macht, bewegt eine so große Bank wie unsere nur an einer Stelle und nicht in der Breite. Die Abwanderungsquote lag im vergangenen Jahr bei unter 5 Prozent. Bei der Mitarbeiterfluktuation liegen wir damit unter dem Branchenschnitt.
Kann man sich als Bank gegen die Abgänge ganzer Teams absichern?
Meine: Es ist wichtig, eng an seinen Leuten dran zu sein und ein attraktiver Arbeitgeber zu sein. Die Produkte müssen gut funktionieren, die Kundenzufriedenheit sollte hoch sein. Das haben wir alles. Wenn trotzdem ein Mitarbeiter sagt, er fühle sich woanders wohler, ist das völlig in Ordnung. Bei all der Aufregung im Markt: Wenn man das selbst einmal erlebt und gemeistert hat, entwickelt man auch eine gewisse Gelassenheit, was nicht Gleichgültigkeit bedeutet.
Ihre Führungsmannschaft im Wealth Management ist durch die Abgänge ungewollt kleiner geworden.
Meine: Wir haben die Bewegung zum Anlass genommen, um das Management-Team und die Vertriebssteuerung neu aufzustellen. Die zwei Geschäftsbereiche Nord und Süd sind jeweils mit einer Doppelspitze besetzt. Mir war es wichtig, dass wir ein kompaktes, erfahrenes Team haben, mit denen wir auch effiziente Entscheidungen treffen können. Das ist mit einer Gruppe aus 20 Personen schwierig. In den Niederlassungen haben wir jeweils Teamleiter, die vor Ort Entscheidungen treffen, um die Zentralisierung bewusst zu brechen – und um auch Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, Führungsverantwortung zu übernehmen.
Organisch zu wachsen ist im Wealth Management mühsam. Sind Zukäufe von Portfolios oder gar Banken mittelfristig denkbar?
Meine: Als Niederlassung der ABN Amro ist es Teil unserer am Kapitalmarkt kommunizierten Strategie, dass wir Konsolidierer in unserem Wealth-Management-Markt sind. Und die Historie der Bethmann Bank zeigt, dass wir dabei viel Erfahrung haben, ob es Delbrück, die Credit Suisse Deutschland oder LGT Deutschland war. Wir glauben, dass wieder mehr Bewegung in den Markt kommen wird, und werden uns jede einzelne Opportunität anschauen. Das kann können Portfolios, Teams, aber auch ganze Banken sein.
Und wann sind die wirklich interessant?
Meine: In puncto Niederlassungen schauen wir unter anderem auf Gebiete, die für uns noch weiße Flecke sind. Wenn wir auf Teams oder Individuen stoßen, die Lust haben, mit uns in einer Region ein Geschäft aufzubauen, schauen wir uns diese Business Cases an. So haben wir unsere jüngsten Standorte Würzburg und Wuppertal entwickelt. Auf diese Weise würden wir gerne weitere Standorte aufbauen.
Worauf kommt es bei Übernahmen an?
Meine: Die Kulturen müssen übereinstimmen. Sprich: Die Kunden müssen zu uns passen, wir aber auch für sie interessant und von Nutzen sein. Bei Übernahmen sollten die Unternehmen oder Portfolien eine gewisse Größenordnung haben, weil jede Integration mit Risiken und Kosten verbunden ist. Dabei haben wir keine harte Untergrenze, aber bei Assets under Management von einer halben Milliarde würde es wohl keinen M&A-Deal geben. Dann wäre der Aufwand zu hoch.
Über den Interviewten:
Stefan Meine: verantwortet seit 2022 als Geschäftsleitungsmitglied und Chief Commercial Officer das Kundengeschäft der Bethmann Bank, die seit 2004 zur ABN AMRO gehört. Im Jahr 2021 wurde er als Produktchef in den Vorstand der Bethmann Bank nominiert. Ab 2017 baute er als Geschäftsleiter für die ABN AMRO das Firmenkundengeschäft in Deutschland auf. Nach seiner Ausbildung zum Bankkaufmann bei der BHF Bank, Studien in Berlin und Berkeley und dem Berufseinstieg im Corporate Finance bei ING Barings BHF war er bereits zwischen 2001 und 2007 für die ABN AMRO im Corporate Banking tätig. Es folgten Top-Managementpositionen bei der Royal Bank of Scotland Deutschland und im Investmentbanking von Rothschild & Co.