Statt Diskussion um aktiv vs. passiv, Teil 1 Ein Plädoyer für aufgeklärtes Investieren

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Der Punkt, an dem passives Investieren scheitert

Finanzmärkte sind dazu da, Kapital effizient zu allokieren. Ein Markt, der zu 100 Prozent aus passiven Anlegern besteht, kann das nicht leisten. Dazu braucht es aktive Investoren für die Analyse, die Auswahl und die aktive Kontrolle von Unternehmen. Passive Investoren sind also Trittbrettfahrer – was an sich nicht verwerflich ist.

Gefährlich wird es, wenn alle die gleichen oder sehr ähnlichen Depotstrukturen besitzen. Denn das erhöht die Korrelation zwischen den Portfolios aller Investoren – ein Umstand, der sowohl während der globalen Finanzkrise 2008 als auch zuzeiten der Verschuldungskrise in Europa 2011 zu beobachten war. Gängige Finanzmarktheorien wie die moderne Portfoliotheorie wurden damals ad absurdum geführt, Volatilitäten erreichten über sämtliche Vermögensklassen ein Mehrfaches dessen, was hätte gelten sollen. Nicht nur das Risiko explodierte, auch die Korrelationen der einzelnen Anlageklassen kollabierten. 

Weil Kapitalmärkte auf Basis ausschließlich passiver Veranlagung also nicht funktionieren können, muss es einen Punkt geben, an dem passives Investieren scheitert – respektive, an dem aktives Investieren massive Vorteile hat. Wann dieser Punkt erreicht ist, ist schwer zu sagen. Fest steht jedoch: Wer passiv anlegt, ist – vielleicht unbewusst – davon überzeugt, dass Märkte langfristig immer steigen. 

Für Investoren kann wirklich passives Investieren sinnvoll, beispielsweise 50 Prozent Aktienindex MSCI World und 50 Prozent in einen globalen Rentenindex ohne Markt-Timing. Doch die meisten Anleger ertragen es nicht, bei Marktschwächen investiert zu bleiben oder im Rebalancing die Aktienquote antizyklisch hochzufahren.

Schlimmer noch: Statistiken zeigen, dass ETFs zum unnötigen Handeln verführen. Für den Kauf oder Verkauf der passiven Papiere braucht es nur einen Klick auf dem Smartphone. Häufiges Umschichten ist generell keine gute Idee. Bei der nächsten Korrektur aber könnten ETFs eine Verkaufswelle lostreten – und diese Korrektur scheint nicht mehr weit entfernt.

Die späte Phase des Aufwärtstrends

Nach fast 100 Monaten Bullenmarkt bei Aktien sowie über 400 Monaten Bullenmarkt bei Anleihen befinden wir uns in einer späten Phase des Aufwärtstrends. Der Markt hat gelernt, dass belohnt wird, wer „long“ geht – eine perfekte Welle für passives Investieren.

Vergessen wird, dass Märkte sich nicht rational verhalten und nicht informationseffizient sind. Sie werden von Menschen und deren Gefühlen geprägt, und der Aufstieg der ETFs verändert die Verhaltensweise von Märkten spürbar. Ihr Siegeszug führt zu Verzerrungen und Übertreibungen – nach oben, aber erst recht nach unten.

Unserer Überzeugung nach wird es später im Zyklus eine Korrektur geben. Dann werden Anleger – wie immer an dieser Stelle – überrascht sein und versuchen, durch dieselbe Tür den Markt zu verlassen. Wie schon beim Crash von 2008/2009 werden alle Vermögensklassen angesteckt.

Angeheizt wird die Situation dieses Mal durch die lange so niedrigen Zinsen und die nun limitierten Kapazitäten der Notenbanken. Die Panik wird zusätzlich dadurch geschürt, dass viele Anleger zu diesem Zeitpunkt ähnlich allokiert sind und ähnliche Anlage- und Risikomodelle nutzen.

Viele passive Investoren werden am Anfang versuchen, ihrer Strategie treu zu bleiben, Positionen zu halten oder im Rahmen des Rebalancing auszubauen. Doch nach und nach werden sie am Ende doch denken, dass es dieses Mal anders kommen könnte und kapitulieren. Verkäufe werden weitere Verkäufe anheizen. In diesem Szenario wird jeder dankbar sein, der Vertrauen zu seinem aktiven Manager hat.