Geht es um die richtige Allokation des eigenen Portfolios sind Anleger hauptsächlich mit drei Herausforderungen konfrontiert. Eine falsche Idee von Diversifikation, zu hohe Erwartungen an historische Daten und das Erreichen verschiedener Ziele zur gleichen Zeit. In der Praxis äußern sich diese auf unterschiedliche Art und Weise und verlangen eben auch unterschiedliche Schritte zur Verbesserung von Asset-Allocation-Strategien.
Falsche Vorstellung von Diversifikation
Diversifizierung ist das einzige „Free Lunch“ im Finanzwesen, wie Harry Markowitz gesagt haben soll. Der Ökonom Scott Willenbrock (Quelle 1, siehe Nachweise weiter unten) schlägt allerdings vor, dass die Diversifizierung eher als das einzige "Free Desert" bezeichnet werden sollte, da es sich um die zusätzliche Rendite handelt, die bei gleichbleibendem Risikoprofil erzielt wird. Beide Autoren stimmen darin überein, dass die Diversifizierung generell einen Nutzen bringen kann und es daher wichtig ist, diesen genau zu messen.
Häufig besteht die Versuchung, den Grad der Diversifizierung eines Portfolios anhand der Anzahl der vorhandenen Investmentfonds zu beurteilen. Dies kann sehr irreführend sein und ein falsches Bild vermitteln, da weder die Korrelationen zwischen den einzelnen Vermögenswerten noch das marginale Risiko, das jeder Baustein zum Gesamtportfolio beiträgt, berücksichtigt werden.
Eine effektivere Methode zur Messung von Diversifizierung ist die Betrachtung des Risikobeitrags. Bei dieser Messung wird die Kapitalallokation unter Risikogesichtspunkten betrachtet. Zudem wird die Korrelation zwischen den Portfoliobestandteilen berücksichtigt. Das ist wichtig, denn obwohl zwei Bausteine im Portfolio gleich gewichtet sein können, ist ihr Beitrag zum Risiko unterschiedlich, insbesondere wenn es sich zum Beispiel um Aktien und Anleihen handelt.
So kann ein scheinbar "gut diversifiziertes" Portfolio aus der Perspektive der Gewichtung immer noch sehr konzentriert sein, wenn man es durch das Prisma des Risikobeitrags betrachtet. Aber es gibt auch andere mögliche Messgrößen wie etwa die Diversifizierungsquote (siehe Choueifaty und Coignard, 2008, Quelle 2) sowie die Anzahl der unkorrelierten Wetten (Meucci, Santangelo und Deguest (2015, Quelle 3).
Es ist notwendig, eine vollständige Risikoattribution des Portfolios vorzunehmen, um zu verstehen, woher die Risiken aus einer ganzen Reihe gemeinsamer Risikofaktoren stammen und wie diversifiziert das Portfolio wirklich ist. Nur wenn wir die zugrundeliegenden Rendite- und Risikotreiber vollständig verstanden haben und mit den eigenen Präferenzen in Einklang bringen, können wir ein wirklich diversifiziertes Portfolio aufbauen, das unseren Zielen entspricht. Der Versuch, eine Portfoliodiversifizierung zu erreichen, indem man in eine große Anzahl von Fonds investiert, wird wahrscheinlich kaum mehr als ein teures Markt-Beta-Portfolio ergeben.
Im Zusammenhang mit Diversifizierung sollte auch das Thema Überzeugung betrachtet werden. Es wird zu Situationen kommen in den Investoren eine kurzfristige Marktmeinung umsetzen wollen, insbesondere in taktisch ausgerichteten Anlagestrategien. Hierbei ist es wichtig eine nennenswerte Allokation in den Fonds vorzunehmen, welche diese Sichtweise am besten widerspiegeln. Anderenfalls kann die Investmentidee ihren Einfluss auf das Gesamtportfolio nicht entfalten. Wie genau die Aufteilung des Portfolios in die taktische und strategische Asset-Allokation erfolgt ist eine ganz andere Frage.
Grenzen des Erwartbaren und der Geschichte
Ein wichtiger Bestandteil der Vermögensallokation ist für viele Anleger die Erstellung von Kapitalmarkterwartungen, da diese häufig grundlegend für ihre Allokationsentscheidungen sind. Allerdings ist es schwierig, künftige Preise oder Renditen mit einem gewissen Maß an Genauigkeit vorherzusagen. Robert Merton (1980, Quelle 4) unterstreicht die Schwierigkeiten bei der Berechnung erwarteter Renditen anhand einer Zeitspanne realisierter Renditen, und Greenwood und Schleifer (2014, Quelle 5) betonen, dass die Erwartungen der Anleger im Allgemeinen hochgerechnet werden und künftige Renditen im Allgemeinen nicht gut vorhersagen.
Sicherlich wissen wir, dass die Vergangenheit keine Garantie für die Zukunft ist, und angesichts der zitierten Studien stellt sich die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, historische Informationen heranzuziehen. Nach Ang, Chen und Xing (2004, Quelle 6) können einige aufschlussreiche Informationen aus historischen Risikozahlen gewonnen werden.
Historische Daten zu verwenden, um Rückschlüsse auf die Zukunft zu ziehen, hat jedoch auch Nachteile. Allerdings lassen sich aus dem realisierten Risiko mehr Informationen ableiten als aus der realisierten Rendite. Der Grund dafür ist, dass die aktuelle Volatilität häufig eine starke Beziehung zu ihrer eigenen Vergangenheit aufweist (siehe Bollerslev, Engle und Wooldridge (1988, Quelle 7). Dieses als Volatilitätscluster bekannte Phänomen führt zu einer Kontinuität bei der Größenordnung von Preisänderungen. Für die Renditezahlen selbst lässt sich dagegen kein solcher Zusammenhang feststellen.
Vorteile der Verwendung risikoorientierter Ansätze für die Investitionsanalyse können sowohl auf die Risikodiversifizierung als auch den Schutz vor Abwärtsrisiken ausgedehnt werden (Ang et al. (2006, Quelle 8). Dadurch wird der Vorteil des erwarteten Risikos gegenüber der erwarteten Rendite für künftige wirtschaftliche Entscheidungen noch verstärkt.
Nachdem wir festgestellt haben, dass Informationen eher aus Risiko- als aus Renditeinformationen zu gewinnen sind, stellt sich nun die Frage, welche Art von Risikomaß verwendet werden sollte. Rein historische Informationen sind nur sinnvoll, um die Vergangenheit zu beschreiben, aber möglicherweise nicht sehr aufschlussreich, um aktuelle und zukünftige Entscheidungen zu treffen. Aus diesem Grund kann es sinnvoller sein, Ex-ante-Risikomaße zu verwenden, die anhand eines Risikomodells geschätzt werden.
Das MSCI-Barra-Modell beispielsweise hebt die jüngsten Beobachtungen hervor, während frühere Ereignisse durch exponentielle Gewichtung berücksichtigt werden. Darüber hinaus ist es möglich, das Risikomodell zu nutzen und das Portfolio so zu zerlegen, dass den Anlegern ein Verständnis für die Risikotreiber vermittelt wird – insbesondere für die Verzerrungen ihres Gesamtportfolios.
Verschiedene Ziele und Bedingungen in Einklang bringen
Ein weiteres Thema, mit dem wir uns häufig befassen, ist die Frage, wie man mehrere und manchmal konkurrierende Ziele und Einschränkungen für Kunden bei der Portfoliokonstruktion ausgleichen kann. Eine häufige Forderung ist zum Beispiel, ein erhebliches Maß an Kohlenstoffreduzierung im Portfolio zu erreichen und gleichzeitig ein ähnliches Risikoprofil wie das ursprüngliche Portfolio beizubehalten. Ein solcher Spagat kann mit einem Optimierungsprozess erzielt werden. Dabei ist jedoch zu bedenken, dass die Optimierung einen Kompromiss oder einen „Trade-off“ eingeht und nicht unbedingt alle Probleme löst.
Aus diesem Grund raten wir, die Anzahl der Ziele und Nebenbedingungen in einer Optimierung zu begrenzen und sie entsprechend zu priorisieren. Werden zu viele Ziele ohne klare Prioritäten verfolgt, kann die Optimierung instabil werden. Eine Lösung zu finden, die einen erfolgreichen Ausgleich zwischen den verschiedenen festgelegten Anforderungen schafft, wird dann immer schwieriger. In diesem Zusammenhang muss die Abhängigkeit der Optimierungsparameter getestet und ihre Auswirkung bewertet werden, um eine Überanpassung und mangelnde Leistung abseits der Stichprobe zu vermeiden.
Unabhängig von der Leistung des Optimierungsalgorithmus selbst gibt es andere Gründe, warum der Optimierer instabile Lösungen produzieren kann. Beispielsweise können historische Renditedaten, die zur Schätzung der Volatilität und Korrelation zwischen den verschiedenen Vermögenswerten verwendet werden, gestört und mit Schätzfehlern behaftet sein. In diesem Zusammenhang kann jede aus der Optimierung resultierende Lösung für die Vermögensallokation nicht stabil genug sein und sich in der Realität – das heißt außerhalb der Stichprobe – unvorhersehbar verhalten.
Abschließend muss ein weiteres Thema sorgfältig geprüft werden: die Leistung des Portfolios. Im Allgemeinen sollte dieses auf Basis der Gesamtrendite beurteilt werden. Die Maximierung der Rendite ist zwar ein vernünftiges Ziel, allerdings kann die ausschließliche Konzentration darauf zu einem schlecht diversifizierten und potenziell volatilen Portfolio führen. Wenn man sich zudem vor allem auf die historische Rendite stützt, läuft man Gefahr einer vergangenen Performance hinterherzulaufen, ohne die Nachhaltigkeit der Rendite zu berücksichtigen.
Quellennachweise
1. Willenbrock, Scott (2011). "Diversification Return, Portfolio Rebalancing, and the Commodity Return Puzzle", Financial Analysts Journal, Vol. 67, No. 4, pp. 42-49, July/August.
2. Choueifaty, Y., Coignard, Y. (2008). Auf dem Weg zur maximalen Diversifizierung. The Journal of Portfolio Management, 35(1), 40-51.
3.Meucci, Santangelo, Deguest (2015). Risk Budgeting and Diversification Based on Optimized Uncorrelated Factors, SSRN.
4. Merton, Robert.C. (1980). On Estimating the Expected Return on the Market: An Exploratory Investigation. Kapitalmärkte: Asset Pricing & Valuation.
5. Greenwood, R.M., & Shleifer, A. (2013). Renditeerwartungen und erwartete Renditen. ERN: Expectations in Economic Theory & Markets.
6. Ang, A. et al., Abwärtsrisiko (3. März 2004). AFA-Tagung 2005 in Philadelphia.
7. Ollerslev, T. et al., A Capital Asset Pricing Model with Time-Varying Covariances. Journal of Political Economy 96 (1988): 116-131.
8. Ang, A. et al, Downside Risk (3. März 2004). AFA-Tagung 2005 in Philadelphia.
Über den Autor
Daniel Ung ist Head of Quantitative Research and Analysis, ETF Model Portfolio Solutions bei SPDR EMEA & APAC, der ETF-Sparte von State Street Global Advisors. In dieser Funktion ist er verantwortlich für die Bereitstellung von Research zur Vermögensallokation mit ETFs sowie für die Analyse, wie ETFs in Anlageportfolios implementiert werden können. Zuvor war er als Senior ETF Stratege für die Produktforschung und -analyse von SPDR ETFs mit Schwerpunkt auf Smart Beta sowie für die Entwicklung von Marktprognosen, Anlagethemen und Ideen zur Portfolioimplementierung zuständig, um Kunden bei der Erreichung ihrer Ziele zu unterstützen.
Zuvor war er Director of Global Research and Design bei S&P Dow Jones Indizes, war für Investment Research und die Entwicklung von Produktindizes in verschiedenen Anlageklassen verantwortlich. Ung arbeitete auch bei Barclays Wealth and Investment Management und in der Commodities Investor Derivatives Group bei BNP Paribas Fortis Bank.