Standortbestimmung des ETF-Markts „Viele Anleger unterschätzen die Indexwahl“

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Unterscheiden Investoren stark bei Nachhaltigkeits-Indizes?

Klein: Der Beratungsbedarf ist auf jeden Fall deutlich gestiegen. Von institutionellen Investoren bekommen wir in der Regel genaue Vorgaben, welche Nachhaltigkeitskriterien erfüllt werden sollen. Dann analysieren wir gemeinsam mit dem Investor, welche Kombination am besten die Vorgaben erfüllt. Grundsätzlich lassen sich nachhaltige Indizes nach drei Anlagestilen klassifizieren.

Der Negativ-Ausschluss ist der älteste und traditionellste Weg, bei dem bestimmte Unternehmen oder Sektoren aus dem Anlageuniversum ausgeschlossen sind. Die häufigsten Ausschlusskriterien betreffen Rüstungsgüter, insbesondere Streubomben und Landminen, oder auch Tabak und Alkohol.

Der Best-in-Class-Ansatz konzentriert sich auf Unternehmen, die in der Vergangenheit in Bezug auf Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsmaßnahmen innerhalb ihrer eigenen Branche besser abgeschnitten haben als ihre Konkurrenten.

Im Rahmen des thematischen Investierens wird gezielt in Branchen und Unternehmen investiert, die sich auf die Lösung spezifischer Sozial- oder Umweltprobleme spezialisiert haben, also zum Beispiel die Erzeugung erneuerbarer Energien, Trinkwasseraufbereitung oder Mikrokredite in Schwellenländern. Auch die Reduzierung der CO2-Emissionen durch die Portfoliogestaltung kann man als thematischen Ansatz auffassen. Durch entsprechende Indizes lässt sich ein Portfolio konstruieren, deren Indexmitglieder bis zu 50 Prozent weniger CO2 ausstoßen als der Basisindex. Dennoch ist die Performance vergleichbar.

Wann ist ein ETF-Nachbieter glaubwürdig nachhaltig unterwegs?

Klein: Unserer Meinung nach sollte ein Asset Manager – ob ETFs oder aktive Fonds ist dabei unerheblich – die Beachtung von ESG-Kriterien, also Aspekte rund um Umwelt, Soziales und Unternehmensführung, in seinem Investmentprozess voll integriert haben. Dann ist es auch glaubwürdig, nachhaltige Investments anzubieten.

Ein Aspekt, der oft vernachlässigt wird, ist das aktive Vertreten von Anlegerinteressen, das sogenannte Active Ownership. Das ist bei der DWS ein integraler Bestandteil unserer Investmentprozesse. Ich würde sogar so weit gehen, dass wir im Hinblick auf die Ausübung von Stimmrechten über unsere treuhänderische Pflicht weit hinausgehen. Das bescheinigen uns im Übrigen auch externe Marktbeobachter

Nur wie können das Investoren überprüfen?

Klein: Ein Beispiel ist die qualitative Nachhaltigkeitsbeurteilung der deutschen Rating-Agentur Telos. Dieses umfasst eine ganzheitliche Analyse und Bewertung der Implementierung und Beachtung von Nachhaltigkeitsaspekten innerhalb der Organisationsstruktur. Bei der aktuellen Datenerhebung im Zeitraum von Juni bis November 2019 wurde die DWS für die Umsetzung von ESG/Nachhaltigkeit erstklassig bewertet.

Welche weiteren Entwicklungen bei den Anbietern können Sie sich vorstellen?

Klein: Wie erwähnt hat sich das ETF-Geschäft professionalisiert. Dieser Prozess wir sicherlich weitergehen. Darüber hinaus könnte ich mir vorstellen, dass ETF-Anbieter noch stärker in Anspruch genommen werden, Indizes zu konstruieren oder ETF-Portfolios zusammenzustellen. Auch das Risiko-Overlay in Verbindung mit passiven Portfolios wird sich mit Sicherheit weiterentwickeln.

Ein weiterer Punkt sind digitale Portfolio-Order-Systeme, die ETF-Anbieter wie die DWS entwickelt haben. Damit können wir für Banken, Robo-Advisor oder Anbietern von fondsgebundenen Lebensversicherungen ein wesentlich effizienteres Portfoliomanagement mit ETFs zur Verfügung stellen. Teilweise sind dort heute noch Faxe und papiergebundene Order-Freigaben vorgesehen, was sich durch digitale Lösungen ersetzen lässt. Ich würde mich aber schwertun, einen bestimmten Punkt hervorzuheben, weil eben das Indexgeschäft mit institutionellen Investoren bereits sehr effizient funktioniert.

Und thematisch?

Klein: Alle Varianten von nachhaltigen Geldanlagen werden mit Sicherheit ein Schwerpunkt in den kommenden Monaten und Jahren sein. Aufgrund der Corona-Pandemie ist in den Hintergrund getreten, dass es bereits einen Zeitplan gibt, wann die EU-Taxonomie und die Offenlegungsverordnung bei nachhaltigen Anlagen in Kraft treten. Das wird das Interesse an ESG-ETFs noch einmal deutlich steigern.

Ein zweiter wichtiger Trend ist das Wachstum von Renten-ETFs. Bisher beträgt der Anteil von Renten-ETFs in Europa am ETF-Volumen gerade 30 Prozent. Die vergangenen Wochen haben aber gezeigt, dass Renten-ETFs gerade in Stressphasen deutliche Vorteile gegenüber einzelnen Anleihen haben, was Handelbarkeit und Kostenstruktur betrifft. Hier beginnt ein Umdenken bei institutionellen Investoren, das zu erheblichen Umschichtungen hin zu passiven Anlagen führen kann.

 


Über den Interviewten:

Simon Klein leitet seit 2013 den Vertrieb passiver Investments in Europa (EMEA) und Asien. Zuvor war er zwei Jahre bei der Investmentbank von Société Générale für die Geschäftsentwicklung der ETF-Marke Lyxor verantwortlich. Weitere Berufsstationen umfassen die Hypovereinsbank und die BayernLB.

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