Standortbestimmung des ETF-Markts „Viele Anleger unterschätzen die Indexwahl“

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Und was waren echte Innovationen am ETF-Markt?

Klein: Statt von Innovation würde ich eher von einer ständige Evolution bei passiven Investments sprechen. Das ETF-Volumen hat sich in Europa alle fünf Jahre verdoppelt. Dieser Trend ist bis heute intakt, trotz des Kursrutsches in diesem Frühjahr. Per Ende April 2020 umfasst der ETF-Markt in Europa über 800 Milliarden Euro. Gleichzeitig hat es einen riesigen Schub der Professionalisierung gegeben – bei den ETF-Anbietern, den Börsen, den Market-Makern, aber auch den Investoren.

Woran machen Sie das fest?

Klein: Ein Beleg dafür ist, dass in Europa physisch replizierende ETFs mit einer jährlichen Fixgebühr von 0,07 Prozent angeboten werden können. Das setzt extrem effiziente Prozesse voraus. Ein weiterer Beleg für die fortgeschrittene Entwicklung: ETFs sind in beinahe jedem privaten oder institutionellen Anlagevehikel vertreten, vom Dach- oder Spezialfonds über die Fondspolice bis zum Stiftungsvermögen, von Pensionsvermögen bis zur Vermögensverwaltung. Sicher gab es auch Produktinnovationen wir Faktor-ETFs, thematische ETFs oder ESG-ETFs, die zum Klimaschutz beitragen. Aber die kontinuierliche Entwicklung ist aus meiner Sicht wichtiger.

Klassische Indexfonds, ETFs, Segregated Accounts oder Smart Beta – was hat Zukunft?

Klein: Die DWS hat als Asset Manager keine Präferenzen, was die Produktverpackung angeht. Wir können institutionellen Anlegern einen ETF, einen Spezialfonds, ein Managed Account oder andere Konstruktionen anbieten. Das ergibt sich häufig aus den Anforderungen des Investors. Wenn eine Versicherung einen speziellen Index abgebildet haben möchte, geht das nicht über einen ETF, sondern zum Beispiel über Spezialfonds. Wenn eine Vermögensverwaltung schnell in ein Segment investieren und liquide bleiben will, sind dagegen ETFs das Mittel der Wahl.

Wie sehr haben die Investoren die ETF-Klaviatur verinnerlicht?

Klein: Das hat sich deutlich verändert. Früher gab es bei institutionelle Investoren spezielle Ansprechpartner, die sich mit Index-Trackern beschäftigt haben. Heute ist das Wissen weit verbreitet. Wichtig ist zu sehen, dass jeder institutionelle ETF-Anleger seine eigenen Schwerpunkte setzt und auch seine eigenen Beweggründe hat, ETFs einzusetzen. Versicherer zum Beispiel haben oft spezielle Vorgaben für die Portfoliostruktur, die sich aber sehr gut mit individuell konstruierten passiven Mandaten umsetzen lassen. Aktive Fondsmanager mögen ETFs, weil man mit ihnen schnell eine Allokation in einem Markt auf- oder abbauen kann.

Ein ETF wird immer nur seinen Index abbilden. Wie wichtig ist da das Know-how zu den Indizes?

Klein: Die Frage nach dem richtigen Index ist zentral und wird von vielen Anlegern unterschätzt. Idealerweise sollten Investoren erst untersuchen, welcher Index am besten das gewünschte Anlagesegment abdeckt. Erst dann sollte ein ETF ausgewählt werden, der diesen Index am besten abbildet.

Das Beispiel zeigt, dass Indexanbieter eine sehr wichtige Position im Ökosystem des passiven Asset Managements besetzen. Eine Konsolidierung hat durchaus schon stattgefunden: Beispiele sind der Zusammenschluss des Indexgeschäfts von Bloomberg und Barclays sowie von S&P und Dow Jones. Auch MSCI hat seine Marktstellung deutlich ausgebaut. Es ist spannend zu sehen, wie sich dies weiterentwickelt. Stand heute verlangen die Investoren den Zugang zu bestimmten Household-Names wie Dax, S&P 500 oder MSCI World. Möglicherweise haben die ETF-Anbieter irgendwann eine so große Marktstellung, dass ihr Zugang zu den Investoren wichtiger ist als der Markenname des Index. Spannend zu sehen ist auch, dass sich neue Indexanbieter am Markt etablieren, wie Solactive aus Frankfurt.

Vor fünf Jahren diskutierten wir hierzulande nahezu dogmatisch das Thema physisch-replizierende versus swap-basierte ETFs. Begegnet Ihnen die Schwarz-weiß-Denke noch?

Klein: Bei dieser Frage spielen nach unserer Erfahrung nur noch praktische Erwägungen eine Rolle, dogmatische Diskussionen erlebe ich nicht mehr. Es gibt nun einmal Segmente, wie Rohstoffe oder bestimmte Schwellenländer, in denen physische ETFs nur schwer darstellbar sind. In manchen Fällen kann auch die Handelbarkeit oder eine leicht bessere Performance für synthetische ETFs sprechen, hier wird rational abgewogen. Dabei muss man aber auch sagen, dass das Thema durch die veränderte Investorenpräferenz massiv an Bedeutung verloren hat. In Europa stecken gerade einmal 15 Prozent der ETF-Volumina in synthetischen ETFs.