Standortbestimmung des ETF-Markts „Viele Anleger unterschätzen die Indexwahl“

Von Anfang an dabei: Simon Klein, DWS-Vertriebsleiter Passive Investments Europa und Asien.

Von Anfang an dabei: Simon Klein, DWS-Vertriebsleiter Passive Investments Europa und Asien.

private banking magazin: Wir haben gerade drei Monate corona-bedingter Börsenturbulenzen hinter uns. Auch für ETFs ein ernster Lackmustest. Ihre Bilanz?

Simon Klein: Die ETF-Anbieter haben die Börsenturbulenzen intensiv verfolgt, aber ohne größere Sorgen. Das soll nicht überheblich klingen, aber Fakt ist, das ETFs in ihrer Historie eine ganze Reihe von Krisen gemeistert haben. Das beginnt bei der großen Finanzkrise, dann hatten wir die Euro-Krise mit dem Beinahe-Default von Griechenland, den Marktabsturz Ende 2018 und weitere Gelegenheiten. Die ETFs haben jeden Lackmustest bestanden.

Jeder Krise ist aber auch anders. Was ist dieses Mal hervorzuheben?

Klein: Im März 2020 hat sich ihr Vorteil besonders deutlich gezeigt, als Bond-ETFs stark gehandelt wurden, auch im Segment von Hochzinsanleihen. Einzelne Rentenpapiere wurden kaum gehandelt, gebündelte Anleihekörbe in Form von ETF-Anteilen aber sehr wohl. Heißt: ETFs haben tatsächlich eine zusätzliche Liquiditätsebene in gestressten Märkten geliefert. Auch die Kapitalmarktaufseher, zum Beispiel die Bank für Internationale Zusammenarbeit, haben sich positiv über ETFs geäußert. ETFs haben den Investoren auch in Stressphasen eine wertvolle Preisindikation geliefert und zur Beruhigung der Märket beigetragen.

Gab es auf Investorenseite keine Sorge um die Liquidität der ETFs?

Klein: Sicher gab es im März unterm Strich Netto-Abflüsse im europäischen Markt, die aber auf Allokationsentscheidungen zurückzuführen waren – und nicht auf die Sorge um die Liquidität. Aktien-ETFs wurden verkauft und in Staatsanleihen- und Gold-ETFs umgeschichtet. Ein Teil wurde nicht mehr investiert, sondern als Cash gehalten, um das Risiko in den Portfolios zu senken. Das waren erwartete Reaktionen von Investoren. Auch die Höhe der Netto-Abflüsse hielt sich im Rahmen, es waren weniger als 5 Prozent des investierten Kapitals in ETFs.

Im April hat sich der Trend schon wieder umgekehrt, mit Nettomittelzuflüssen in ETFs, zum Beispiel für europäische Aktien. Und noch eine Bemerkung zur Liquidität: Im März war das Handelsvolumen in manchen ETF-Segmenten fünf Mal so hoch wie zu normalen Börsenzeiten. Von einer Sorge um die Liquidität kann als nicht die Rede sein.

Vor 20 Jahren kam der erste ETF in Deutschland auf den Markt, anfangs von Vorbehalten begleitet. Sind diese in der Breite verschwunden?

Klein: Während die Verbreitung von ETFs bei Privatanlegern erst in den vergangenen Jahren einen großen Schub machte, wurden diese bereits seit ihrer Einführung in Europa vorwiegend von institutionellen Investoren genutzt. Entsprechend gelten ETFs mittlerweile als Standard eines institutionellen Portfolios. Das verdeutlicht eine Umfrage des Create Instituts unter 127 Pensionsfonds aus 20 Ländern. Schon heute werden 34 Prozent der Pensionsgelder mit passiven Strategien verwaltet. Knapp acht von zehn Befragten geben dabei an, dass der Anteil bis 2023 noch steigen wird.

Eine starke Entwicklung gab es zuletzt im Bereich der Stewardship-Aktivitäten. Das Führen und Einwirken auf die Beteiligungsunternehmen, beispielsweise durch Abstimmungen auf Hauptversammlungen, dem Proxy Voting, fordern Investoren von Asset Managern auch bei passiven Strategien ein. 98 Prozent, im Grunde nahezu alle Umfrageteilnehmer, haben angegeben, dass ihnen das Thema Stewardship wichtig, mehrheitlich sogar sehr wichtig ist.

84 Prozent der Pensionsverantwortlichen halten eine entsprechende Praxis ihres ETF-Anbieters für entscheidend, um die Qualität der Investmenterträge in ihren passiven Anlagen zu verbessern und gleichzeitig positive Auswirkungen auf Umwelt, soziale Belange und nicht zuletzt die Unternehmensführung zu erzeugen. Hier ist also ein Vorbehalt verschwunden, der früher durchaus existiert hat, nämlich dass passive Asset Manager bei der Wahrnehmung der Aktionärsinteressen zu passiv agieren würden.