Solvency-II-Review, Systemrisiken, Klimawandel Diese Themen müssen Versicherer im Blick haben

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Zusätzliche Berichtspflichten geplant

Anknüpfend an den IAIS-Ansatz hat der Europäische Ausschuss für Systemrisiken (European Systemic Risk Board, ESRB) mehrere Verbesserungen des europäischen Regelwerks erarbeitet. Unter anderem empfiehlt der Ausschuss die Einführung umfassenderer Berichtspflichten, EU-weite Standards für die Sanierung und Abwicklung von Versicherungsgesellschaften und sogenannte makroprudenzielle Instrumente zur Eindämmung von Systemrisiken. Sie umfassen zusätzliche Eigenkapitalanforderungen und Dividendenbeschränkungen, symmetrische Kapitalanforderungen für zyklische Risiken, Liquiditätsanforderungen und größere Ermessensspielräume für Eingriffe durch die Aufsichtsbehörden. Makroprudenzielle Maßnahmen dienen nach Angaben der Bundesbank dazu, das Finanzsystem insgesamt krisenfester zu machen.

„Auch wenn derartige Änderungen erst in einigen Jahren greifen werden, muss sich die Versicherungswirtschaft auf kritischere Prüfungen ihrer Liquiditätsrisikomanagement-Systeme einrichten“, sagt Elizabeth Gillam, die als Leiterin im Bereich EU Government Relations and Public Policy bei Invesco die Beziehungen zur Europäischen Union pflegt. Wie die Expertin ausführt, steht nun unter anderem die Frage im Mittelpunkt, ob die Versicherer ausreichende liquide Vermögenswerte zur Deckung von Rückkäufen und Margin Calls vorhalten, um zu vermeiden, dass in Stressphasen an den Märkten Vermögenswerte liquidiert werden müssen.

Ebenfalls stärker im Fokus stehen laut Invesco erneut Derivatetransaktionen. Grund dafür ist, dass Derivatepositionen die Verschuldungsquote und die Ansteckungsgefahr über das Kontrahentenrisiko erhöhen und sich durch Margin Calls auf die Liquiditätsposition der Versicherer auswirken. „Die jüngsten Vorschläge zum Umgang mit Liquidität und Verschuldungsquoten in der Versicherungsindustrie geben Hinweise darauf, was die Branche künftig erwarten könnte“, so Gillam. 

Nachhaltigkeits- und Klimarisiken

Ein weiterer zunehmend kritisch beobachteter Risikofaktor betrifft die Nachhaltigkeits- und Klimarisiken der Versicherungsindustrie, die von physischen Risiken durch Extremwetter oder die Energiewende direkt betroffen ist. Die IAIS untersucht seit längerem, wie Versicherungsgesellschaften und Aufsichtsbehörden auf diese Herausforderungen reagieren sollten. Ein Ansatz ist die Bewertung des Portfoliorisikos durch Anlagen in CO2-intensive Unternehmen und die Durchführung von Szenarioanalysen und Stresstests zu Klimafaktoren.

In Europa werden derzeit Maßnahmen wie die Einführung eines einheitlichen Klassifikationssystems (EU-Taxonomie) im Bereich nachhaltiger Finanzierung diskutiert, das die sogenannten ESG-Kriterien (Environment, Social, Governance) für verschiedene Asset-Klassen genau definiert. Neue Vorschriften zur Offenlegung von Nachhaltigkeitsrisiken und negativen Nachhaltigkeitsauswirkungen von Finanzmarktteilnehmern sind laut Invesco ebenso im Gespräch wie Vorschläge für Anpassungen an Solvency II und der Versicherungsvertriebsrichtlinie zur Integration von Nachhaltigkeitsrisiken und -faktoren.

 „Viele dieser Initiativen sind noch nicht im Detail ausgearbeitet. Klar ist aber, dass Versicherungsunternehmen Nachhaltigkeitsthemen künftig stärker im Blick haben werden müssen“, betont Gillam. Dazu gehörten der Aufbau der notwendigen analytischen Ressourcen, um Stresstests und Szenarioanalysen zu Nachhaltigkeitsrisiken durchzuführen, Erwägungen hinsichtlich der Optimierung strategischer Allokationen in nachhaltige Anlagen und die Berücksichtigung von ESG-Faktoren in den Investmentportfolios, so Gillam weiter.