private banking magazin: Herr Asshoff, seit unserem letzten Gespräch Ende 2021 hat sich einiges getan. Wie haben sich Zinswende und Co. auf die Strategie Ihrer Kapitalanlage ausgewirkt?
Gregor Asshoff: Das Grundprinzip unserer Strategie ist und bleibt die Diversifikation - sowohl geografisch als auch in Bezug auf verschiedene Assetklassen. Wir sehen darin den Schlüssel zu einer hohen Resilienz. Um es etwas überspitzt zu formulieren: Wir machen uns damit ein Stück weit "prognoseresistent". Das bedeutet nicht, dass wir völlig starr sind. Wir reagieren durchaus auf längerfristige Trends, aber nicht auf jede kurzfristige Marktbewegung.
Können Sie ein Beispiel für diese Herangehensweise geben?
Asshoff: Nehmen wir den Zinsanstieg der vergangenen Monate. Viele Investoren haben diesen zum Anlass genommen, massiv umzuschichten. Wir hingegen bleiben unserer Grundstrategie treu. Das hat sich bewährt: In einer Untersuchung über die vergangenen acht Jahre haben wir festgestellt, dass unser diversifiziertes Portfolio deutlich besser abgeschnitten hat als ein traditionelles, rentenlastiges Portfolio.
Können Sie ihre Untersuchungsergebnisse konkretisieren?
Asshoff: Bis 2015 hatten wir, wie zu dieser Zeit üblich, einen hohen Rentenanteil von über 70 Prozent. Untersucht haben wir, wo wir heute stehen würden, wenn wir diese Allokation bis Ende 2023 beibehalten hätten. Der Unterschied ist dramatisch, bezogen auf die Entwicklung der Rendite. Als Laie kann man den Eindruck gewinnen, dass ein rentenlastiges Portfolio in den Zeiten, in denen es an den Kapitalmärkten, insbesondere an den Aktienmärkten, bergauf geht, eher ertragsschwach ist. Dafür ist es dann aber in volatilen oder schlechten Zeiten ertragsstärker und sicherer. Dem ist aber nicht so. Anhand unserer Untersuchung können wir belegen, dass das diversifiziertere Portfolio in allen Phasen der Kapitalmärkte besser abgeschnitten hat.
Haben Sie konkrete Zahlen?
Asshoff: Bei der Untersuchung wurde unsere Portfoliozusammensetzung 2015 eingefroren. 73 Prozent Renten, 21 Prozent Immobilien und 6 Aktien Aktien und für die acht Jahre bis 2023 verglichen mit dem seit 2016 tatsächlich investierten Portfolio. Im Ergebnis konnte eine Medianrendite pro Jahr von 5,3 statt 4,6 Prozent erzielt werden bei einer gemessenen Volatilität von 6,1 statt 7,6 Prozent. Neben der zu erwartenden Verbesserung der Rendite wurde also sogar wesentlich deutlicher das Risiko reduziert. Selbst in dem für die Kapitalmärkte sehr negativen Jahr 2022, machte das tatsächliche Portfolio nur 11,0 statt 15,6 Prozent Verlust. Die Auswertung zeigt, dass das Portfolio durch die Diversifikation ein niedrigeres Risiko bei gleichzeitig höherer Rendite und entsprechend eine um 0,3 Punkte höhere Sharpe-Ratio aufweist.
Wie blicken Sie auf Corona zurück?
Asshoff: Wir haben taktisch darauf reagiert, hatten aber auch Glück. Zu Beginn der Pandemie im März 2020 verbuchte der Aktienmarkt ein Minus von 34 Prozent. Wir hatten ein Tail-Risk-Hedging, was zum Zuge kommt, wenn sich ein Vermögenswert oder ein Portfolio von Vermögenswerten um mehr als drei Standardabweichungen von seinem aktuellen Kurs nach unten bewegt. Hier lag der Trigger-Wert bei 9 Prozent. Das aus dieser Absicherung erhaltene Geld haben wir wiederum direkt zurück in den Aktienmarkt investiert. Das war Glück, niemand wusste zu der Zeit, wann der Boden erreicht ist. Ich warne immer davor, sich für besonders toll zu halten, weil man zufällig den richtigen Zeitpunkt erwischt hat. Deutlich machen möchte ich anhand dieses Beispiels, dass wir durchaus auf Ausschläge am Markt reagieren. Das ändert an unserer grundsätzlichen Ausrichtung aber nichts. Egal ob der Markt sehr gut oder sehr schlecht läuft, wir bleiben unserer Strategie treu, wollen kein Fähnchen im Wind sein.
Welchen Anteil haben Private Equity und Infrastruktur in Ihrem Portfolio?
Asshoff: Wir streben an, jeweils 8 Prozent unseres Gesamtportfolios in Private Equity und Infrastruktur zu investieren und 2 bis 3 Prozent in Private Debt. Auch bei Private Equity wollen wir eine etwa gleichmäßige Verteilung von je 30 Prozent in Asien, Europa und Amerika erreichen. Aktuell sind wir in Asien bei etwa 10 Prozent, sind in 100 Unternehmen in 13 Ländern investiert. Es geht also voran, aber es ist noch Luft nach oben.
Bei unserem letzten Gespräch 2021 sagten Sie, dass Private Equity in Asien noch in den Kinderschuhen stecken würde. Wie sieht es heute aus?
Asshoff: Den Kinderschuhen ist der Markt noch nicht entwachsen. In Japan, Südkorea und Australien kann man bereits gut investieren. In China und Indien ist es schwer. Das ist der wesentliche Grund, warum Asien einen 10 Prozentanteil unserer Private Equity-Investitionen aufweist.
Was müsste in Indien passieren, damit der Markt, nicht nur der Private-Equity-Markt, interessanter für Sie wird?
Asshoff: Grundsätzlich ist es in Indien, anders als China, nicht so sehr aus politischen Gründen schwieriger zu investieren. Die meisten Unternehmen dort gehören zu großen Konglomeraten oder sind noch relativ jung. Entsprechend gibt es einen starken Markt für große Unternehmen, welche in der Regel börsennotiert sind, und einen Markt für Venture Capital und Growth-Investments. Beide weisen in der Regel eine deutliche höhere Volatilität auf als die klassischen mittelständischen Unternehmen, die von Private Equity-Fonds präferiert werden. Die Mischung aus jungen Unternehmen und einer grundsätzlich höheren Volatilität in Entwicklungsländern sorgt für eine besonders hohe Volatilität.
Die erzielten Renditen spiegeln dieses Risiko aktuell aber noch nicht wieder. Unterstützt durch positive langfristige strukturelle Fundamentaldaten, einschließlich eines starken Bevölkerungswachstums, sowie wirtschaftlichen und steuerlichen Reformen entwickelt sich Indien als mögliches Zielland für Investitionen in Immobilien positiv. Solche sind insbesondere für ausländische Investoren aber noch sehr komplex und herausfordernd. Insbesondere fehlt es an Transparenz und Rechtssicherheit. Aus unserer Sicht ist der Standort Indien derzeit noch nicht an einem Punkt angelangt, an dem die zu erzielende Gesamtrendite im Verhältnis zum einzugehenden Risiko als attraktiv genug angesehen werden kann.
Wie entwickelt sich ihr Private-Debt-Portfolio?
Asshoff: Da Umwege über Anleihestrukturen gegangen werden mussten, war der Anfang sehr mühsam. Das Aufsetzen dieser Strukturen ist uns nun gelungen. Jetzt können wir endlich anfangen, zu investieren.
Was macht die Anleihestrukturen so kompliziert?
Asshoff: Nach der aktuellen Gestaltung der Anlageverordnung gibt es keine Kategorisierung für Private-Debt-Fonds. Entsprechend regulierte Investoren müssen somit den Umweg über ein Konstrukt gehen, welches diese Fonds bündelt und anschließend verbrieft. Der Aufsatz eines solchen Vehikels, die rechtliche Ausgestaltung und auch die Administration und das Rating eines solchen Verbriefungsvehikels verursachen eine Menge Aufwand.
Begrüßen Sie das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG II), das auch private Gelder in die alternativen Assetklassen lenken soll?
Das ist ein politisches Gebiet, an dem ich seit knapp drei Jahren intensiv mitarbeite, und wenn ich kein Sauerländer wäre, würden Sie jetzt ein Strahlen in meinem Gesicht sehen.
Aus welchen Gründen?
Asshoff: Es gibt eine eigene Infrastrukturquote in der Anlageverordnung, die 5 Prozent beträgt. Diese wird nicht auf die Risikoquote angerechnet und diese wurde ebenfalls noch einmal um 5 Prozent erhöht. Für einen Anleger wie uns, der vermeintlich risikoreicher investieren möchte und auch kann, weil wir entsprechend hohe Risikobudgets haben, ist das ein Segen. Das alles wird nicht ausschließlich, aber auch dem deutschen Infrastrukturmarkt zugutekommen. Wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen.
Was meinen Sie damit?
Asshoff: Wir sind keine Versicherung. Unsere Erwartung an Renditen in diesem Sektor sind nicht davon geprägt, dass wir einen laufenden Cashflow von 3 oder 4 Prozent pro Jahr brauchen. Bei uns kann auch zehn bis zwölf Jahre lang keine Rendite ankommen. Wenn am Ende ein IRR von 12 bis 15 Prozent steht, dann ist das für uns ein gutes Investment. Diese Erwartung müssen auch Infrastruktur-Investments in Deutschland erfüllen können.
An welcher Stelle kann oder muss die Politik dafür nachjustieren?
Asshoff: Beispielsweise im Bereich der Wasserstoffinfrastruktur für die Stahl-, Chemie, oder auch Zementindustrie. Ist Deutschland gewillt, diese Industrien zu halten – CO2-frei zu halten –, dann braucht es öffentliche Anschubinvestitionen und Investitionsanreize. Das Bewusstsein dafür ist da, mehr nicht – obwohl solche Investitionen von der Schuldenbremse ausgenommen sind. Das ist ungut, da die besagten Abnehmer-Industrien Klarheit brauchen.
Der Bau-Wirtschaft ging es bereits besser. Wie schätzen Sie die Lage ein?
Asshoff: Ich habe einen differenzierten Blick auf die derzeitige Lage. Es gibt in der Bauwirtschaft viele verschiedene größere Bereiche. Wohnungs-, Wirtschafts-, und öffentlicher Bau inklusive Infrastruktur. Im Bereich der Infrastruktur ist eigentlich keine Krise zu sehen. Schwankungen und Probleme gibt es immer mal wieder, das hat aber eher mit den Haushalten der Länder und des Bundes zu tun sowie mit Planungs- und Genehmigungsengpässen.
Soka-Bau besitzt etwa 8.200 Mietwohnungen in Deutschland. Wie soll der Bestand sich entwickeln?
Asshoff: Richtig, wir haben einen beträchtlichen Bestand an deutschen Wohnimmobilien. Als ich zu Soka-Bau kam, waren es noch knapp 11.000 Wohnungen auf der Eigenkapitalseite; wir planen, diesen Anteil weiter zu reduzieren. Das geschieht auf zwei Wegen: Zum einen werden wir Objekte verkaufen, zum anderen investieren wir neue Mittel vorwiegend außerhalb Deutschlands oder in andere Immobilienklassen. Unser Ziel ist es, innerhalb unseres Immobilienportfolios, das etwa 25 Prozent unserer Gesamtanlagen ausmacht, den Anteil deutscher Wohnimmobilien zu verringern und gleichzeitig das Portfolio zu verjüngen.
Der Diversifikationsgrad soll auf diesen Wegen steigen. In Leipzig beispielsweise haben wir zwei Wohnimmobilien entwickeln lassen, zum Ende hin auch selbst fertig gestellt. Auch versuchen wir wo möglich nachzuverdichten und energetisch zu sanieren. Wir haben jährliche Netto-Zuflüsse von gut 800 Millionen Euro – diese fließen jedoch in weit überwiegendem Maße nicht in Wohnimmobilien in Deutschland, sondern gegebenenfalls in andere Nutzungsklassen und ansonsten in Investitionen auf der Fremdkapitalseite.
Welche Erfahrungen machten sie auf der Verkäuferseite zuletzt?
Assoff: In den vergangenen zwei bis drei Jahren haben wir nicht viel verkauft. Wir haben keine Not, keinen Liquiditätsbedarf und hielten die Preiserwartungen auf der Käuferseite für unangemessen. Im nächsten Jahr rechne ich damit, auf der Verkäuferseite wieder erfolgreich sein zu können.
Konnten Sie auf der Käuferseite von Notverkäufen profitieren?
Asshoff: In Deutschland sind wir nicht tätig geworden. Zudem kam auch einer unserer Projektentwickler in Liquiditätsprobleme. Da wir eine eigene Bauabteilung haben, konnten wir mit unseren eigenen Möglichkeiten helfen.
Warum raus aus Deutschland? Und wie soll das Portfolio in 5 bis 10 Jahren aussehen, auch, was den Eigen- und Fremdkapitalanteil angeht?
Asshoff: Im Vordergrund unserer Ausrichtung bleibt die Diversifikation. Bei den 25 Prozent Immobilien wird es bleiben. 17 Prozent davon sind derzeit in Deutschland. 13 bis 14 Prozent sollen es 2030 sein. Die übrigen rund 11 Prozent werden zum kleineren Anteil auf Europa fallen, jeweils 4 bis 5 Prozent werden in Asien und Amerika investiert.
Apropos Verjüngung - wie stehen Sie zu den aktuellen Herausforderungen im Bereich der Büroimmobilien, insbesondere angesichts des Trends zum Home-Office?
Asshoff: Das ist in der Tat – global und nicht nur in Deutschland – eine spannende Entwicklung. Wir glauben nach wie vor an Büroimmobilien, allerdings mit einem klaren Fokus: Es müssen, zumindest derzeit, erstklassige Lagen mit hervorragender Ausstattung sein. Wir beobachten eine Art "Flight to Quality" - Mieter ziehen von schlechteren in bessere Lagen um, da die Mietpreise gefallen sind. Es findet eine Kannibalisierung in dem Markt statt, schlechtere Lagen und Ausstattungen sind kaum noch vermietbar.
Wieviel Büro haben Sie heute im Portfolio, wieviel soll es 2030 sein?
Asshoff: Abgesehen von einigen gemischt genutzten Immobilien in unserem Direktbestand und einer Büroimmobilie in Wiesbaden investieren wir hauptsächlich über Fonds- oder Co-Investments weltweit in Büros. Per Ende letzten Jahres machten Büros etwa 27 Prozent der auf diesem Wege gehaltenen Immobilien aus. Der Trend ist rückläufig, da in den letzten Jahren vor allem andere Nutzungsklassen in unseren Fokus gerückt sind. Eine feste Büroquote für 2030 haben wir uns nicht gesetzt, um auch in Zukunft auf mögliche Chancen in diesem Markt reagieren zu können. Interessanterweise sehen wir in diesem Bereich auch kulturelle Unterschiede.
Welche sind das?
Asshoff: In Asien ist der Trend zum Home-Office weniger ausgeprägt, in den USA gibt es einen stärkeren Druck zur Rückkehr ins Büro, während in Europa flexiblere Modelle erfolgreicher umgesetzt werden. Bei uns selbst setzen wir übrigens auf einen liberalen Ansatz: Wir überlassen es weitgehend den Abteilungen und deren Leitern, wie sie die Anwesenheit im Büro gestalten.
Warum gibt es diese Unterschiede zwischen Asien, Europa und den USA?
Asshoff: Kurz gesagt, Wohnungen in Asien sind im Durchschnitt sehr viel kleiner, was das Arbeiten in den eigenen vier Wänden unkomfortabler gestaltet. Der Wandel zu weniger Büro, der global stattfinden wird, wird hier auf sich warten lassen. In den USA ist das komplexer. Durch den demografischen Wandel schrumpft die Anzahl potenzieller Mitarbeiter.
Das in den USA verbreitete Instrument, Mitarbeiter zu kündigen, die nicht willens sind – wie in diesem Fall – aus dem Home-Office zu kommen, funktioniert nicht mehr. Sehen konnte man das beispielsweise bei den großen Finanzfirmen in New York. In Europa gehen die Arbeitgeber das Thema liberaler an. Teilzeitmodelle, komfortable Büros, der Mitarbeiter kann, wie bereits erwähnt auch bei uns, direkt und über Betriebs- beziehungsweise Personalräte mitbestimmen.
Sie sprechen von Asien und kleineren Wohnungen. Sind dort größere Wohnungen ein kommender Trend?
Asshoff: In Japan ist dieser Trend durchaus zu erkennen. Wir versuchen generell, von Trends zu profitieren, in dem wir die Hälfte in standardisierten Immobilienklassen investieren und die andere Hälfte in Nischenmärkten. In Japan sind größere Wohnungen noch ein Nischenmarkt. Wir beobachten aber, dass die jüngere Generation große Wohnungen in Randlagen, angeschlossen an das sehr gute öffentliche Verkehrsnetz, zunehmend wertschätzt.
Konnten Sie abseits der Immobilien von Notverkäufen profitieren?
Bei Infrastruktur und Private Equity gibt es einen wachsenden Secondary-Markt, auf dem wir investieren. Insbesondere nordamerikanische Pensionsfonds gaben Portfolios auf den Markt, um in die strategisch vorgegebenen Limits zurückzukommen. Hier konnten wir von Preisabschlägen profitieren.
Welche Kriterien muss ein solches Portfolio mitbringen, damit Sie investieren?
Asshoff: Wir investieren indirekt über Fonds. Bei der Strategie spielt wieder die Diversifikation, die die Manager vornehmen, eine große Rolle. Wichtig sind dabei die unterschiedlichen Jahre, in denen Investitionen getätigt wurden. Die Assetklassen spielen eine Rolle, der Track Record des Fondsmanagers. Wir investieren eigentliche nie, wenn es keine erfolgreiche Historie gibt. Den Manager gucken wir uns auch persönlich an. Gerade war ich deshalb beispielsweise in Boston. Wir wollen sehen, wie ein Team funktioniert. Gibt es einen allwissenden, genialen Chef, der von allen verehrt wird, dann investieren wir nicht. Mischung und Stimmung müssen passen, das kann man schlecht objektivieren, da muss man sich auch auf sein Bauchgefühl verlassen.
Das ist eine wichtige Due-Diligence – investieren wir in einen Manager für illiquide Assets, arbeiten wir schließlich mindestens ein Jahrzehnt zusammen; vorzeitig rauszukommen ist aufwendig, teuer und damit schmerzhaft. Da reichen mir nicht nur Zahlen. Das geht bei einem Aktienportfolio, aus dem man in wenigen Tagen aussteigen kann. Im illiquiden Bereich ist der menschliche Faktor wichtiger. Zu einer solchen Due Diligence gehört auch, ob die Einhaltung der ESG-Kriterien ernst genommen wird. Ein guter Hinweis auf ESG-Ernsthaftigkeit ist, wenn hierarchieübergreifend Personal an Bord ist, dass sich ausschließlich diesem Thema widmet.
Haben sie in Ihrem Haus ebenfalls Personal, das sich ausschließlich um ESG kümmert?
Asshoff: In der Kapitalanlage haben wir zwei KollegInnen, die sich vorrangig mit dem Bereich beschäftigen. Darüber hinaus haben wir weitere Mitarbeiter, die das Thema ESG in allen Bereichen unseres Hauses implementieren. Wir betreiben einen hohen Aufwand, auch weil wir als Aktiengesellschaft die CSRD-Richtlinie werden erfüllen müssen, obwohl Ebavs nach der europäischen Richtlinie davon eigentlich ausgenommen werden können. Das Justizministerium nimmt aber nur solche Ebavs von der CSRD-Pflicht aus, die Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit sind.
Welche Beweggründe dafür sehen Sie seitens des Justizministeriums?
Asshoff: Der falsche Pfad wurde bereits vor einigen Jahren mit der Umsetzung der europäischen Bilanzrichtlinie eingeschlagen. Damals wurden schon in Deutschland alle Aktiengesellschaften in die Pflicht genommen, auch die in dieser Rechtsform arbeitenden Pensionskassen und Pensionsfonds. Dieser Weg wird nun weitergegangen, weil es gesetzestechnisch einfacher ist, die Nachhaltigkeitsberichterstattung in dasselbe Muster zu integrieren. Es ist in meinen Augen ein Akt der Arbeitsvereinfachung eines Ministeriums in einem komplexen rechtlichen Umfeld. Wir wollen aber aus einem eigenen Antrieb heraus nachhaltig sein. Die große Produktion sinnloser Bericht hätten wir aber sehr gerne vermieden.
Wie integrieren Sie Nachhaltigkeitskriterien in Ihre Anlagestrategie?
Asshoff: ESG ist für uns kein Lippenbekenntnis, sondern integraler Bestandteil unserer Strategie. Seit 2018 überprüfen wir alle Kapitalanlagen nach ESG-Kriterien, 2020 haben wir die UN Principles for Responsible Investment unterzeichnet. Unser konkretes Ziel ist es, bis 2030 die CO2-Emissionen im liquiden Anlagebereich um 60 Prozent zu reduzieren, bezogen auf das Basisjahr 2019. Im illiquiden Bereich ist das komplexer, weshalb wir 30 Prozent als realistisch ansehen, und zwar soll dieser Anteil bis 2030 nach Artikel 8 oder 9 klassifiziert sein. Da es langfristige Investments sind, bedeutet das, dass wir bis 2030 nur noch Investments, die unter diese beiden Artikel fallen, zukaufen.
Was ist dabei die größte Herausforderung?
Die Datenbeschaffung und -qualität, insbesondere bei illiquiden Anlagen. Wir bauen daher weiter intern ESG-Expertise auf und stellen klare Anforderungen an unsere externen Manager. Ein Manager, der ESG nicht ernst nimmt oder nur oberflächlich behandelt, kommt für uns nicht in Frage. Auch der Asset Manager, bei dem ich in Boston war, ist, obwohl ESG in den USA stiefmütterlich behandelt wird, nach Artikel 8 klassifiziert.
Das klingt nach einem hohen Anspruch. Sie sprechen bereits die USA an, auch China ist weniger ESG-affin. Wie ist dort ihr Vorgehen?
Asshoff: Das ist in der Tat eine Herausforderung. Was China betrifft, so haben wir uns aufgrund von Governance-Bedenken weitgehend aus diesem Markt zurückgezogen. Das betrifft sowohl Neuinvestitionen als auch bestehende Engagements, liquide und illiquide. Uner Gesamtexposure in China lag in der Spitze bei circa 5 Prozent der gesamten AuM. Allerdings ist der Verkauf bestehender Objekte, beispielsweise von Büroimmobilien in Peking und Shanghai, nicht einfach, da sich viele internationale Investoren zurückziehen und der Käuferkreis dadurch stark eingeschränkt ist. Eigentlich gibt es nur lokale Käufer.
Und in den USA?
Asshoff: Da übt die Politik in einigen Bundesstaaten Druck auf Pensionsfonds aus, nicht in Investmentvehikel zu investieren, die ihrer Anlagestrategie ESG-Kriterien zugrundelegen. Das ist bedauerlich und wird sich hoffentlich wieder ändern. Uns hält das aber nicht davon ab, auch in den USA unsere ESG-Ziele zu verfolgen. Auch dort verschicken wir vor und während aller Investments einen ESG-Fragenbogen mit sehr konkreten Anforderungen und Entwicklungszielen. Die Einhaltung dieser Ziele überprüfen wir mindestens jährlich.
Welche Möglichkeiten haben Sie, wenn Ziele nicht erfüllt werden?
Asshoff: Teilweise versuchen wir Konsequenzen, beispielsweise Desinvestments, direkt in den Anlagebedingungen festzuhalten. Des Weiteren können wir –im Falle von Stimmrechten – durch die Ausübung von Wahlrechten Druck ausüben oder Diskussionen unter anderen Anlegern einbringen. Teilweise können wir jedoch auch nur drohen, keine weiteren Investments in Zukunft mehr einzugehen.
Sie investieren auch in Wälder. Wie passt das in Ihre Strategie?
Asshoff: Wald- und Holzinvestments sind für uns tatsächlich ein interessanter Nischenbereich mit einer risikoarmen, stabilen Rendite, in dem wir weiterwachsen wollen. Wir sind hier in verschiedenen Ländern aktiv, von Neuseeland über die USA bis hin zu Südamerika. Diese Investments haben einen sehr langen Horizont - von der Aufforstung bis zur Ernte können 30 Jahre vergehen.
Inwieweit berücksichtigen Sie dabei den Markt für CO2-Zertifikate?
Asshoff: Wir berücksichtigen dabei durchaus auch Erträge aus CO2-Zertifikaten, sind aber vorsichtig, weil die regulatorischen Abhängigkeiten hoch sind. Unser Ansatz ist daher, die Investments so zu kalkulieren, dass sie auch ohne diese zusätzlichen Erträge funktionieren. Das mag konservativ erscheinen, aber gerade bei so langfristigen Engagements ist Vorsicht geboten. In Neuseeland, einer stabilen Demokratie, haben wir zuletzt erlebt, wie politische Entscheidungen kurz vor einer Wahl unsere Investitionspläne durchkreuzen können.
Was ist für Sie die größte Herausforderung in Ihrem Job als Leiter der Kapitalanlage?
Asshoff: In einer Welt der zunehmenden geopolitischen Herausforderungen einschließlich politischem Extremismus und Isolationismus, des Klimawandels und der überbordenden bürokratischen Anforderungen nicht den eigenen Kompass zu verlieren.
Über den Interviewten:
Gregor Asshoff ist seit 2015 im Vorstand der Soka-Bau, der gemeinsamen Dachmarke für die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft und die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes. Diese verwaltet von rund 350.000 Rentnern Gelder in Höhe von knapp 9 Milliarden Euro. Vor dieser Zeit war der Jurist mit seiner Anwaltskanzlei selbstständig und hatte verantwortungsvolle Aufgaben unter anderem beim Baukonzern Hochtief. Von 1995 bis 1997 war er bereits als Abteilungsleiter bei Soka-Bau.