Konnten Sie abseits der Immobilien von Notverkäufen profitieren?
Bei Infrastruktur und Private Equity gibt es einen wachsenden Secondarie-Markt, auf dem wir investieren. Insbesondere nordamerikanische Pensionsfonds gaben Portfolios auf den Markt, um in die strategisch vorgegebenen Limits zurückzukommen. Hier konnten wir von Preisabschlägen profitieren.
Welche Kriterien muss ein solches Portfolio mitbringen, damit Sie investieren?
Asshoff: Wir investieren indirekt über Fonds. Bei der Strategie spielt wieder die Diversifikation, die die Manager vornehmen, eine große Rolle. Wichtig sind dabei die unterschiedlichen Jahre, in denen Investitionen getätigt wurden. Die Assetklassen spielen eine Rolle, der Track Record des Fondsmanagers. Wir investieren eigentliche nie, wenn es keine erfolgreiche Historie gibt. Den Manager gucken wir uns auch persönlich an. Gerade war ich deshalb beispielsweise in Boston. Wir wollen sehen, wie ein Team funktioniert. Gibt es einen allwissenden, genialen Chef, der von allen verehrt wird, dann investieren wir nicht. Mischung und Stimmung müssen passen, das kann man schlecht objektivieren, da muss man sich auch auf sein Bauchgefühl verlassen.
Das ist eine wichtige Due-Diligence – investieren wir in einen Manager für illiquide Assets, arbeiten wir schließlich mindestens ein Jahrzehnt zusammen; vorzeitig rauszukommen ist aufwendig, teuer und damit schmerzhaft. Da reichen mir nicht nur Zahlen. Das geht bei einem Aktienportfolio, aus dem man in wenigen Tagen aussteigen kann. Im illiquiden Bereich ist der menschliche Faktor wichtiger. Zu einer solchen Due Diligence gehört auch, ob die Einhaltung der ESG-Kriterien ernst genommen wird. Ein guter Hinweis auf ESG-Ernsthaftigkeit ist, wenn hierarchieübergreifend Personal an Bord ist, dass sich ausschließlich diesem Thema widmet.
Haben sie in Ihrem Haus ebenfalls Personal, das sich ausschließlich um ESG kümmert?
Asshoff: In der Kapitalanlage haben wir zwei KollegInnen, die sich vorrangig mit dem Bereich beschäftigen. Darüber hinaus haben wir weitere Mitarbeiter, die das Thema ESG in allen Bereichen unseres Hauses implementieren. Wir betreiben einen hohen Aufwand, auch weil wir als Aktiengesellschaft die CSRD-Richtlinie werden erfüllen müssen, obwohl Ebavs nach der europäischen Richtlinie davon eigentlich ausgenommen werden können. Das Justizministerium nimmt aber nur solche Ebavs von der CSRD-Pflicht aus, die Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit sind.
Welche Beweggründe dafür sehen Sie seitens des Justizministeriums?
Asshoff: Der falsche Pfad wurde bereits vor einigen Jahren mit der Umsetzung der europäischen Bilanzrichtlinie eingeschlagen. Damals wurden schon in Deutschland alle Aktiengesellschaften in die Pflicht genommen, auch die in dieser Rechtsform arbeitenden Pensionskassen und Pensionsfonds. Dieser Weg wird nun weitergegangen, weil es gesetzestechnisch einfacher ist, die Nachhaltigkeitsberichterstattung in dasselbe Muster zu integrieren. Es ist in meinen Augen ein Akt der Arbeitsvereinfachung eines Ministeriums in einem komplexen rechtlichen Umfeld. Wir wollen aber aus einem eigenen Antrieb heraus nachhaltig sein. Die große Produktion sinnloser Bericht hätten wir aber sehr gerne vermieden.
Wie integrieren Sie Nachhaltigkeitskriterien in Ihre Anlagestrategie?
Asshoff: ESG ist für uns kein Lippenbekenntnis, sondern integraler Bestandteil unserer Strategie. Seit 2018 überprüfen wir alle Kapitalanlagen nach ESG-Kriterien, 2020 haben wir die UN Principles for Responsible Investment unterzeichnet. Unser konkretes Ziel ist es, bis 2030 die CO2-Emissionen im liquiden Anlagebereich um 60 Prozent zu reduzieren, bezogen auf das Basisjahr 2019. Im illiquiden Bereich ist das komplexer, weshalb wir 30 Prozent als realistisch ansehen, und zwar soll dieser Anteil bis 2030 nach Artikel 8 oder 9 klassifiziert sein. Da es langfristige Investments sind, bedeutet das, dass wir bis 2030 nur noch Investments, die unter diese beiden Artikel fallen, zukaufen.
Was ist dabei die größte Herausforderung?
Die Datenbeschaffung und -qualität, insbesondere bei illiquiden Anlagen. Wir bauen daher weiter intern ESG-Expertise auf und stellen klare Anforderungen an unsere externen Manager. Ein Manager, der ESG nicht ernst nimmt oder nur oberflächlich behandelt, kommt für uns nicht in Frage. Auch der Asset Manager, bei dem ich in Boston war, ist, obwohl ESG in den USA stiefmütterlich behandelt wird, nach Artikel 8 klassifiziert.
Das klingt nach einem hohen Anspruch. Sie sprechen bereits die USA an, auch China ist weniger ESG-affin. Wie ist dort ihr Vorgehen?
Asshoff: Das ist in der Tat eine Herausforderung. Was China betrifft, so haben wir uns aufgrund von Governance-Bedenken weitgehend aus diesem Markt zurückgezogen. Das betrifft sowohl Neuinvestitionen als auch bestehende Engagements, liquide und illiquide. Uner Gesamtexposure in China lag in der Spitze bei circa 5 Prozent der gesamten AuM. Allerdings ist der Verkauf bestehender Objekte, beispielsweise von Büroimmobilien in Peking und Shanghai, nicht einfach, da sich viele internationale Investoren zurückziehen und der Käuferkreis dadurch stark eingeschränkt ist. Eigentlich gibt es nur lokale Käufer.
Und in den USA?
Asshoff: Da übt die Politik in einigen Bundesstaaten Druck auf Pensionsfonds aus, nicht in Investmentvehikel zu investieren, die ihrer Anlagestrategie ESG-Kriterien zugrundelegen. Das ist bedauerlich und wird sich hoffentlich wieder ändern. Uns hält das aber nicht davon ab, auch in den USA unsere ESG-Ziele zu verfolgen. Auch dort verschicken wir vor und während aller Investments einen ESG-Fragenbogen mit sehr konkreten Anforderungen und Entwicklungszielen. Die Einhaltung dieser Ziele überprüfen wir mindestens jährlich.
Welche Möglichkeiten haben Sie, wenn Ziele nicht erfüllt werden?
Asshoff: Teilweise versuchen wir Konsequenzen, beispielsweise Desinvestments, direkt in den Anlagebedingungen festzuhalten. Des Weiteren können wir –im Falle von Stimmrechten – durch die Ausübung von Wahlrechten Druck ausüben oder Diskussionen unter anderen Anlegern einbringen. Teilweise können wir jedoch auch nur drohen, keine weiteren Investments in Zukunft mehr einzugehen.
Sie investieren auch in Wälder. Wie passt das in Ihre Strategie?
Asshoff: Wald- und Holzinvestments sind für uns tatsächlich ein interessanter Nischenbereich mit einer risikoarmen, stabilen Rendite, in dem wir weiterwachsen wollen. Wir sind hier in verschiedenen Ländern aktiv, von Neuseeland über die USA bis hin zu Südamerika. Diese Investments haben einen sehr langen Horizont - von der Aufforstung bis zur Ernte können 30 Jahre vergehen.
Inwieweit berücksichtigen Sie dabei den Markt für CO2-Zertifikate?
Asshoff: Wir berücksichtigen dabei durchaus auch Erträge aus CO2-Zertifikaten, sind aber vorsichtig, weil die regulatorischen Abhängigkeiten hoch sind. Unser Ansatz ist daher, die Investments so zu kalkulieren, dass sie auch ohne diese zusätzlichen Erträge funktionieren. Das mag konservativ erscheinen, aber gerade bei so langfristigen Engagements ist Vorsicht geboten. In Neuseeland, einer stabilen Demokratie, haben wir zuletzt erlebt, wie politische Entscheidungen kurz vor einer Wahl unsere Investitionspläne durchkreuzen können.
Was ist für Sie die größte Herausforderung in Ihrem Job als Leiter der Kapitalanlage?
Asshoff: In einer Welt der zunehmenden geopolitischen Herausforderungen einschließlich politischem Extremismus und Isolationismus, des Klimawandels und der überbordenden bürokratischen Anforderungen nicht den eigenen Kompass zu verlieren.
Über den Interviewten:
Gregor Asshoff ist seit 2015 im Vorstand der Soka-Bau, der gemeinsamen Dachmarke für die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft und die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes. Diese verwaltet von rund 350.000 Rentnern Gelder in Höhe von knapp 9 Milliarden Euro. Vor dieser Zeit war der Jurist mit seiner Anwaltskanzlei selbstständig und hatte verantwortungsvolle Aufgaben unter anderem beim Baukonzern Hochtief. Von 1995 bis 1997 war er bereits als Abteilungsleiter bei Soka-Bau.