private banking magazin: Herr Asshoff, seit unserem letzten Gespräch Ende 2021 hat sich einiges getan. Wie haben sich Zinswende und Co. auf die Strategie Ihrer Kapitalanlage ausgewirkt?
Gregor Asshoff: Das Grundprinzip unserer Strategie ist und bleibt die Diversifikation - sowohl geografisch als auch in Bezug auf verschiedene Assetklassen. Wir sehen darin den Schlüssel zu einer hohen Resilienz. Um es etwas überspitzt zu formulieren: Wir machen uns damit ein Stück weit "prognoseresistent". Das bedeutet nicht, dass wir völlig starr sind. Wir reagieren durchaus auf längerfristige Trends, aber nicht auf jede kurzfristige Marktbewegung.
Können Sie ein Beispiel für diese Herangehensweise geben?
Asshoff: Nehmen wir den Zinsanstieg der vergangenen Monate. Viele Investoren haben diesen zum Anlass genommen, massiv umzuschichten. Wir hingegen bleiben unserer Grundstrategie treu. Das hat sich bewährt: In einer Untersuchung über die vergangenen acht Jahre haben wir festgestellt, dass unser diversifiziertes Portfolio deutlich besser abgeschnitten hat als ein traditionelles, rentenlastiges Portfolio.
Können Sie ihre Untersuchungsergebnisse konkretisieren?
Asshoff: Bis 2015 hatten wir, wie zu dieser Zeit üblich, einen hohen Rentenanteil von über 70 Prozent. Untersucht haben wir, wo wir heute stehen würden, wenn wir diese Allokation bis Ende 2023 beibehalten hätten. Der Unterschied ist dramatisch, bezogen auf die Entwicklung der Rendite. Als Laie kann man den Eindruck gewinnen, dass ein rentenlastiges Portfolio in den Zeiten, in denen es an den Kapitalmärkten, insbesondere an den Aktienmärkten, bergauf geht, eher ertragsschwach ist. Dafür ist es dann aber in volatilen oder schlechten Zeiten ertragsstärker und sicherer. Dem ist aber nicht so. Anhand unserer Untersuchung können wir belegen, dass das diversifiziertere Portfolio in allen Phasen der Kapitalmärkte besser abgeschnitten hat.
Haben Sie konkrete Zahlen?
Asshoff: Bei der Untersuchung wurde unsere Portfoliozusammensetzung 2015 eingefroren. 73 Prozent Renten, 21 Prozent Immobilien und 6 Aktien Aktien und für die acht Jahre bis 2023 verglichen mit dem seit 2016 tatsächlich investierten Portfolio. Im Ergebnis konnte eine Medianrendite pro Jahr von 5,3 statt 4,6 Prozent erzielt werden bei einer gemessenen Volatilität von 6,1 statt 7,6 Prozent. Neben der zu erwartenden Verbesserung der Rendite wurde also sogar wesentlich deutlicher das Risiko reduziert. Selbst in dem für die Kapitalmärkte sehr negativen Jahr 2022, machte das tatsächliche Portfolio nur 11,0 statt 15,6 Prozent Verlust. Die Auswertung zeigt, dass das Portfolio durch die Diversifikation ein niedrigeres Risiko bei gleichzeitig höherer Rendite und entsprechend eine um 0,3 Punkte höhere Sharpe-Ratio aufweist.
Wie blicken Sie auf Corona zurück?
Asshoff: Wir haben taktisch darauf reagiert, hatten aber auch Glück. Zu Beginn der Pandemie im März 2020 verbuchte der Aktienmarkt ein Minus von 34 Prozent. Wir hatten ein Tail-Risk-Hedging, was zum Zuge kommt, wenn sich ein Vermögenswert oder ein Portfolio von Vermögenswerten um mehr als drei Standardabweichungen von seinem aktuellen Kurs nach unten bewegt. Hier lag der Trigger-Wert bei 9 Prozent. Das aus dieser Absicherung erhaltene Geld haben wir wiederum direkt zurück in den Aktienmarkt investiert. Das war Glück, niemand wusste zu der Zeit, wann der Boden erreicht ist. Ich warne immer davor, sich für besonders toll zu halten, weil man zufällig den richtigen Zeitpunkt erwischt hat. Deutlich machen möchte ich anhand dieses Beispiels, dass wir durchaus auf Ausschläge am Markt reagieren. Das ändert an unserer grundsätzlichen Ausrichtung aber nichts. Egal ob der Markt sehr gut oder sehr schlecht läuft, wir bleiben unserer Strategie treu, wollen kein Fähnchen im Wind sein.
Welchen Anteil haben Private Equity und Infrastruktur in Ihrem Portfolio?
Asshoff: Wir streben an, jeweils 8 Prozent unseres Gesamtportfolios in Private Equity und Infrastruktur zu investieren und 2 bis 3 Prozent in Private Debt. Auch bei Private Equity wollen wir eine etwa gleichmäßige Verteilung von je 30 Prozent in Asien, Europa und Amerika erreichen. Aktuell sind wir in Asien bei etwa 10 Prozent, sind in 100 Unternehmen in 13 Ländern investiert. Es geht also voran, aber es ist noch Luft nach oben.
Bei unserem letzten Gespräch 2021 sagten Sie, dass Private Equity in Asien noch in den Kinderschuhen stecken würde. Wie sieht es heute aus?
Asshoff: Den Kinderschuhen ist der Markt noch nicht entwachsen. In Japan, Südkorea und Australien kann man bereits gut investieren. In China und Indien ist es schwer. Das ist der wesentliche Grund, warum Asien einen 10 Prozentanteil unserer Private Equity-Investitionen aufweist.
Was müsste in Indien passieren, damit der Markt, nicht nur der Private-Equity-Markt, interessanter für Sie wird?
Asshoff: Grundsätzlich ist es in Indien, anders als China, nicht so sehr aus politischen Gründen schwieriger zu investieren. Die meisten Unternehmen dort gehören zu großen Konglomeraten oder sind noch relativ jung. Entsprechend gibt es einen starken Markt für große Unternehmen, welche in der Regel börsennotiert sind, und einen Markt für Venture Capital und Growth-Investments. Beide weisen in der Regel eine deutliche höhere Volatilität auf als die klassischen mittelständischen Unternehmen, die von Private Equity-Fonds präferiert werden. Die Mischung aus jungen Unternehmen und einer grundsätzlich höheren Volatilität in Entwicklungsländern sorgt für eine besonders hohe Volatilität.
Die erzielten Renditen spiegeln dieses Risiko aktuell aber noch nicht wieder. Unterstützt durch positive langfristige strukturelle Fundamentaldaten, einschließlich eines starken Bevölkerungswachstums, sowie wirtschaftlichen und steuerlichen Reformen entwickelt sich Indien als mögliches Zielland für Investitionen in Immobilien positiv. Solche sind insbesondere für ausländische Investoren aber noch sehr komplex und herausfordernd. Insbesondere fehlt es an Transparenz und Rechtssicherheit. Aus unserer Sicht ist der Standort Indien derzeit noch nicht an einem Punkt angelangt, an dem die zu erzielende Gesamtrendite im Verhältnis zum einzugehenden Risiko als attraktiv genug angesehen werden kann.
Wie entwickelt sich ihr Private-Debt-Portfolio?
Asshoff: Da Umwege über Anleihestrukturen gegangen werden mussten, war der Anfang sehr mühsam. Das Aufsetzen dieser Strukturen ist uns nun gelungen. Jetzt können wir endlich anfangen, zu investieren.
Was macht die Anleihestrukturen so kompliziert?
Asshoff: Nach der aktuellen Gestaltung der Anlageverordnung gibt es keine Kategorisierung für Private-Debt-Fonds. Entsprechend regulierte Investoren müssen somit den Umweg über ein Konstrukt gehen, welches diese Fonds bündelt und anschließend verbrieft. Der Aufsatz eines solchen Vehikels, die rechtliche Ausgestaltung und auch die Administration und das Rating eines solchen Verbriefungsvehikels verursachen eine Menge Aufwand.
Begrüßen Sie das Betriebsrentenstärkungsgesetz (BRSG II), das auch private Gelder in die alternativen Assetklassen lenken soll?
Das ist ein politisches Gebiet, an dem ich seit knapp drei Jahren intensiv mitarbeite, und wenn ich kein Sauerländer wäre, würden Sie jetzt ein Strahlen in meinem Gesicht sehen.
Aus welchen Gründen?
Asshoff: Es gibt eine eigene Infrastrukturquote in der Anlageverordnung, die 5 Prozent beträgt. Diese wird nicht auf die Risikoquote angerechnet und diese wurde ebenfalls noch einmal um 5 Prozent erhöht. Für einen Anleger wie uns, der vermeintlich risikoreicher investieren möchte und auch kann, weil wir entsprechend hohe Risikobudgets haben, ist das ein Segen. Das alles wird nicht ausschließlich, aber auch dem deutschen Infrastrukturmarkt zugutekommen. Wenn die politischen Rahmenbedingungen stimmen.
Was meinen Sie damit?
Asshoff: Wir sind keine Versicherung. Unsere Erwartung an Renditen in diesem Sektor sind nicht davon geprägt, dass wir einen laufenden Cashflow von 3 oder 4 Prozent pro Jahr brauchen. Bei uns kann auch zehn bis zwölf Jahre lang keine Rendite ankommen. Wenn am Ende ein IRR von 12 bis 15 Prozent steht, dann ist das für uns ein gutes Investment. Diese Erwartung müssen auch Infrastruktur-Investments in Deutschland erfüllen können.
An welcher Stelle kann oder muss die Politik dafür nachjustieren?
Asshoff: Beispielsweise im Bereich der Wasserstoffinfrastruktur für die Stahl-, Chemie, oder auch Zementindustrie. Ist Deutschland gewillt, diese Industrien zu halten – CO2-frei zu halten –, dann braucht es öffentliche Anschubinvestitionen und Investitionsanreize. Das Bewusstsein dafür ist da, mehr nicht – obwohl solche Investitionen von der Schuldenbremse ausgenommen sind. Das ist ungut, da die besagten Abnehmer-Industrien Klarheit brauchen.