Nachhaltigkeitsexperte Jan Rabe So beeinflussen ESG-Ratings den Kapitalmarkt

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Im Umkehrschluss haben dann Emittenten von Wertpapieren das Nachsehen, deren Marktkapitalisierung niedriger ist: Der Zufluss an Liquidität in die „gewichtigen“ Titel hat implizit zur Folge, dass die Kapitalkosten der kleineren Unternehmen relativ zu denen großer Wettbewerber steigen, was zu einem Nachteil führt.

Aufgrund fehlender Ressourcen sind kleinere Unternehmen meist nicht in der Lage, umfangreiche Nachhaltigkeitskampagnen zu finanzieren und schneiden so bei ESG-Bewertungen oft schlechter ab als ihre schwergewichtigen Wettbewerber. Dies könnte neben der steigenden ökonomischen Unsicherheit, die Risikobereitschaft von Anlegern belastet, und fallenden Referenzzinssätzen, die die Nachfrage nach Dividendenstarken Titeln stärkt, seit 2007 zum Verfall der KGV-Bewertungsprämie der Börsenzwerge gegenüber marktkapitalisierungsstarken Titeln beigetragen haben (Abbildung 2).

Abbildung 2: Begünstigen strukturell schwächere ESG-Ratings den Verfall der Size-Bewertungsprämie bei EU-Aktien?
Relativer Zwölf-Monats-Forward-KGV-Bewertungsmultiplikator

 Quellen: MSCI ESG Research, Refinitiv, Metzler

Bemerkung: „Rating-Relativ (Industrie)“ bezieht sich auf industriespezifische ESGBewertungen. „Rating-Relativ (Markt)“ bezieht sich auf branchenübergreifende ESG-Bewertungen. Die Berechnungen basieren auf Durchschnittsgewichten.

Auf den ersten Blick: Kapitalmärkte differenzieren nach ESG-Kriterien führender Rating-Agenturen

Nach wie vor behaupten einige Marktteilnehmer, dass eine nachhaltige Kapitalanlage die Einzeltitelauswahl zu stark einschränkt und so Rendite-Risiko-Profile von Portfolios belastet. Diese Schlussfolgerung basiert jedoch einzig und allein auf einem breit angelegten Katalog von Ausschlusskriterien in einem Anlageuniversum.

Anlagechancen durch alternative Ansätze berücksichtigen sie hierbei nicht. Denn sobald Investmentmanager ESG-Faktoren systematisch bei der Analyse von Wertpapieren berücksichtigen – also die sogenannte ESG-Integration mit einbeziehen – zeigt sich, dass der Einfluss des Kapitalstroms, der durch führende Ratingagenturen vorbildlich nachhaltig bewerteten Emittenten von Wertpapieren zufließt, bereits zu signifikanten Überschussrenditen beigetragen hat.

Wir beobachten, dass im Europäischen Aktienmarkt seit etwa 15 Jahren verstärkt nach ESG-Ratings differenziert wird, um Portfolios nachhaltig auszurichten (Abbildung 3).

Abbildung 3: Globale Aktien – Differenzierung nach ESG-Ratings
Bruttorenditen in US-Dollar: Quantil 1 versus Quantil 5; Q1 2007 = 0

Quellen: MSCI ESG Research, Refinitiv (Alpha Testing), Metzler

Bemerkung: Es wird ein industriespezifisches ESG-Rating zugrunde gelegt. Die Berechnungen basieren auf einem monatlichen Rebalancing der Portfolios.