private banking magazin: Herr Bäuml, Family Office in Deutschland, Familienstiftung in Liechtenstein oder Österreich sowie Holding in der Schweiz: Nutzen Vermögende die Möglichkeiten des DACHLIE-Raums mehr als noch vor zehn Jahren?
Swen Bäuml: Die Zahl der persönlichen Wegzüge –also Wohnsitzwechsel aus Deutschland nach Österreich und in die Schweiz – hat sich in den vergangenen zehn Jahren gesteigert – allein in den Jahren seit 2020 um mehr als ein Drittel.
Und Liechtenstein?
Bäuml: Das Fürstentum spielt aufgrund der strengen Zuzugs- und Aufenthaltsbestimmungen nur eine Nebenrolle. Neben Österreich und der Schweiz dann eher noch Italien, das großzügige Einkommensteuerprivilegien speziell für vermögende Zuzügler anbietet. Vermögende wählen die Zieldestination zur Wohnsitznahme aber überwiegend nach privaten Kriterien wie zum Beispiel Sprache, Kultur, medizinische und sonstige Infrastruktur sowie die gesellschaftliche Stabilität.
Spielen Steuern oder die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gar keine Rolle?
Bäuml: Doch, aber nur bei sogenannten Vermögenswegzügen. Von denen gibt es erheblich mehr. Dabei verlagern Vermögende betriebliches oder privates Vermögen ins Ausland, indem sie Holdingstrukturen schaffen oder Stiftungslösungen nutzen. Und dann ist auch das kleine Liechtenstein wieder führend: Das moderne Stiftungsrecht ist dem der Schweiz und dem Österreichs überlegen, die staatliche Verwaltung ist effizient und hochmodern. Und nicht zuletzt spielen die steuerlichen Vorteile wie auch die hervorragende Infrastruktur für Finanzanlagen eine große Rolle dabei, dass Liechtenstein dabei mit Abstand führt.
Wie spiegelt sich das in den Zahlen zu Vermögenswegzügen wider?
Bäuml: Wir sprechen über ein Vielfaches an neu gegründeten Privatstiftungen in Liechtenstein im Vergleich zur Schweiz oder Österreich.
Nicole Schreiber: Selbst die vermögenden Schweizer haben ihre Familienstiftungen nicht selten in Liechtenstein, auch weil Liechtenstein anders als die Schweiz sämtliche Transparenz- und Auskunftsabkommen mit dem wichtigen Finanzmarkt USA unterzeichnet hat und zudem als EWR-Mitglied erleichterten Zugang zum Euroraum hat.
Bäuml: Im Bereich der Unternehmensholdings hat Österreich jedoch die Nase vorne. Trotz des mit Deutschland vergleichbaren Steuerniveaus. Das liegt am attraktiven Gruppenbesteuerungssystem, das grundsätzlich die grenzüberschreitende Verrechnung inländischer und ausländischer Verluste für Österreich-Holdings internationaler Unternehmensgruppen ermöglicht.
Für die Besteuerung herangezogen wird dann eine konsolidierte „Netto“-Bemessungsgrundlage. Das ist ein Vorteil gegenüber der deutschen steuerlichen Organschaft, die auf eine reine Inlandswirkung beschränkt ist. Dabei zahlen Unternehmen auch bei Auslandsverlusten von Tochtergesellschaften ungeschmälert Steuern, weil es an der Verrechenbarkeit mit inländischen Gewinnen mangelt. Hinzu kommt, dass Österreich die Schenkungs- und Erbschaftsteuer abgeschafft hat, während Deutschland diese 2009 verschärfte.
Warum gibt es diese Wegzüge?
Schreiber: Natürlich spielen Faktoren wie die Steuerbelastung eine nicht unerhebliche Rolle. Für Unternehmen geht es hierbei eher nachrangig darum, die laufende Ertragssteuerbelastung zu optimieren. Obwohl die Unternehmen die eindeutigen Vorteile in Österreich qua Gruppenbesteuerung oder auch insbesondere in Liechtenstein mit deutlichen Steuersatzarbitragen begrüßen.
Was ist dann entscheidend?
Schreiber: Die Schenkungs- und Erbschaftsteuer, die weder in Österreich noch Liechtenstein erhoben wird. Deutsche Familienunternehmer empfinden sie zunehmend als konfiskatorisch. Das liegt insbesondere daran, dass der Gesetzgeber die Finanzmittelreserven im unternehmerischen Mittelstand als sogenanntes „schädliches Verwaltungsvermögen“ einstuft. Dabei sind die Reserven für eine generationsübergreifende, nachhaltige Unternehmensplanung unverzichtbar.
Sie sind meist im Unternehmen gebunden, wurden zum Teil über Generationen aufgebaut, sind Garant für die wirtschaftliche Unabhängigkeit der deutschen Familienunternehmen und tragen zu einem guten Teil zu deren Krisenfestigkeit und Innovationskraft bei. Nur: Übertragen Familien dieses „schädliche Verwaltungsvermögen“ auf die nächste Generation, kann das zu einer Besteuerung mit Schenkungs- und Erbschaftsteuer von bis zu 30 Prozent führen. Das läuft dem Vermögensschutzgedanken vollständig entgegen.
Bäuml: Zudem empfinden Unternehmer zunehmend Planungsunsicherheit. Schließlich werden Rufe laut, eine Vermögensteuer oder eine Vermögensabgabe einzuführen sowie die Erbschaft- und Schenkungsteuer zu verschärfen. Dazu könnte die sogenannte 10-jährige Spekulationsfrist für im Privatvermögen gehaltene Immobilien zugunsten einer haltefristunabhängigen Wertzuwachsbesteuerung wegfallen, der Einkommensteuersatz sowie Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge steigen oder abgeschafft werden. Die als überbordend empfundene Bürokratie soll an dieser Stelle nur der Vollständigkeit halber erwähnt werden.
Die Vermögen sind faktisch aber ja immer ungleicher verteilt.
Bäuml: Und natürlich braucht es deshalb eine gesellschaftliche Debatte über Vermögensverteilung. Aber in ihr gibt es eine zunehmende Polarisierung, die die keineswegs homogene Gruppe „Die Reichen“ als Projektionsfläche politischer Forderungen nutzt. Dies alles widerspricht dem von zahlreichen Familienunternehmern häufig gelebten „dynastischen Gedanken“, dass über Generationen geschaffene Vermögen in einem guten, stabilen und planbaren Umfeld an die nächsten Generationen zu übergeben und als Treuhänder beziehungsweise Sachwalter der eigenen Vermögensverantwortung gerecht zu werden.
Apropos Polarisierung: Gerade Liechtenstein hat aber auch mit einem belasteten Ruf zu kämpfen. Stichwort CD-ROMs.
Schreiber: Die Liechtensteiner Steueraffäre 2008 rund um die „Treuhand-Stiftungen“, die Bankkunden unter anderem zur Steuerhinterziehung nutzten, hatte weitreichende Folgen. Zum einen verursachte sie eine große Welle an Selbstanzeigen und Ermittlungsverfahren in Deutschland. Zum anderen beendete sie das Liechtensteiner Bankengeheimnis in der damaligen Form. Um seine internationalen Beziehungen nicht zu belasten und seine Reputation zu wahren, veränderte Liechtenstein im Rahmen der sogenannten „Weißgeldstrategie“ seit 2009 konsequent seinen Kurs in Sachen Bankengeheimnis hin zu mehr Transparenz.
Was bedeutet das konkret?
Schreiber: Es folgten beispielsweise das Fatca-Abkommen mit den USA 2014, ab 2016 nahm Liechtenstein am Automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten (AIA) mit den EU-Mitgliedsstaaten teil. Darüber hinaus hat Liechtenstein im selben Jahr ein multilaterales Abkommen abgeschlossen, nach welchem es Informationen mit allen AIA-Partnerstaaten austauscht. Hinzu kommt die multilaterale Vereinbarung über den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten (MCAA) und über die gegenseitige Amtshilfe in Steuersachen.
Bäuml: Auch im Stiftungsrecht war Liechtenstein konsequent. Liechtenstein hat seit dem 1. April 2009 ein modernes Stiftungsrecht. Diese Totalrevision modernisierte das Stiftungsrecht, das ursprünglich aus dem Jahr 1926 stammt, grundlegend. Liechtenstein verfügt heute über eines der modernsten Stiftungsrechte überhaupt. Deutsche Stifterfamilien können dies exzellent nutzen, wenn sie die Vorgaben des inländischen Fiskus beachten.