Inflation, Zinsen, Rezession Das Shiller-KGV und was es aktuell im Portfoliomanagement aussagt

Hussam Masri von der Dekabank (oben links) und Malte Dreher vom private banking magazin sprachen im Expertengespräch mit Nobelpreisträger Robert Shiller (oben rechts) und Patrick Sobotta von Natixis IM (unten links). Bruno Poulin von Ossiam (Mitte) ordnet ein, welche Rolle das Shiller-KGV aktuell spielt.

Hussam Masri von der Dekabank (oben links) und Malte Dreher vom private banking magazin (unten links) sprachen im Expertengespräch mit Nobelpreisträger Robert Shiller (oben rechts) und Patrick Sobotta von Natixis IM (unten rechts). Bruno Poulin von Ossiam (Mitte) ordnet ein, welche Rolle das Shiller-KGV aktuell spielt. Foto: Dekabank / Ossiam / Natixis IM / Jessica Hunold

Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) ist eine der wichtigsten Kennzahlen bei der Bewertung von Aktien. Denn: Die Division des aktuellen Kurses einer Aktie durch den Jahresgewinn pro Aktie (EPS) misst im Wesentlichen, wie lange die Anleger bereit sind zu warten. Der Zeithorizont spiegelt wider, wie geduldig die Anleger mit einem bestimmten Unternehmen zu sein bereit sind:

Ein hohes KGV bedeutet, dass die Anleger geduldig sind, bis die Aktie ihren Nettogewinn wirklich erhöht, es besteht also eine Wachstumserwartung. Ein niedriges KGV bedeutet folglich, dass die Anleger bei den derzeitigen Gewinnen nur einen kürzeren Zeithorizont zulassen, bis sich der Aktienbesitz bezahlt macht. Im Preis einer Aktie mit niedrigem KGV kann daher eine Menge impliziter Wert enthalten sein.

Das Shiller-KGV als erweiterte Bewertungskennzahl

Eine Erweiterung dessen ist bekanntlich das Shiller-KGV. Oft auch als Cape bezeichnet – was eine Abkürzung für Cyclically Adjusted Price Earnings ist und ungefähr mit zyklisch bereinigten Kursgewinnen übersetzt werden kann – hat die Kennzahl gegenüber dem klassischen Kurs-Gewinn-Verhältnis einen Vorteil: In die Berechnung fließen zehn Jahre vergangener Gewinne ein, statt sonst nur eines.

Das bedeutet in etwa, dass ein vollständiger Wirtschaftszyklus berücksichtigt wird, anstatt nur ein Jahr. So wird vermieden, dass Anleger fälschlicherweise auf die schnellen Veränderungen der Erträge innerhalb eines einzigen Wirtschaftszyklus reagiert. So verwenden wir das Cape-Verhältnis etwa auf Sektorebene, um zu beurteilen, ob der Sektor relativ billig oder teuer bewertet ist.

Einen Blick in die Zukunft liefert aber auch das Shiller-KGV nicht, schließlich fußt es auf historischen Werten. Eine Marktweisheit besagt, dass „Bäume nicht in den Himmel wachsen“. Das Shiller-KGV versucht in dieser die kleineren Bäumen zu identifizieren und die höchsten zu vermeiden. Wann und wie hoch die Bäume wachsen werden, lässt sich nicht vorhersagen.

Das Shiller-KGV in Zeiten expansiver Geldpolitik

Gerade in den vergangenen Jahren rückte das Shiller-KGV aber in den Hintergrund. Der Grund: Wenn Bargeld im Überfluss vorhanden ist, scheinen Bewertungen zweitrangig zu sein: Jede Wachstums-Story ist eine gute Gelegenheit zu investieren. Daher wurde die Bedeutung des Shiller-KGV, obwohl es schon vor langer Zeit entdeckt wurde, in gewisser Weise vernachlässigt. Warren Buffet brachte es auf den Punkt: "Die Zinssätze sind für die Preise von Vermögenswerten das, was die Schwerkraft für den Apfel ist. Wenn die Zinssätze niedrig sind, ist die Anziehungskraft auf die Preise von Vermögenswerten sehr gering".

Das Shiller-KGV bei hohen Inflationsraten

Jetzt hat sich die Situation gedreht, es gibt hohe Inflationsraten und steigende Zinssätze. Da das KGV – wie eingangs erwähnt – ein Indikator für die "Geduld" der Anleger ist, liegt es auf der Hand, dass die Anleger weniger geduldig sind, wenn der Wert künftiger Erträge durch Inflation oder Abzinsungsfaktoren aufgezehrt werden kann, während der im Aktienkurs enthaltene Wert tendenziell mit der Inflation steigt. Die Vorhersagekraft des Shiller-Kurs-Gewinn-Verhältnisses nimmt also zu.

Das Shiller-KGV in einer Rezession

Die ebenfalls drohende Rezession ist ein normaler Bestandteil des Konjunkturzyklus, und die Dramatik, die mit ihrer Antizipation in den Aktienkursen einhergeht, ist eine mächtige Quelle für Einstiegsgelegenheit. Denn: Eine von uns veröffentlichte Studie über die Streuung der Aktienkurse innerhalb des S&P500 zeigte, dass im Jahr 2022 sowohl die Streuung insgesamt als auch der Anteil der sektoralen Streuung zunahm. Diese Streuung der Sektor-Performance und nicht die Rezession ist es, die die Chancen dieser Strategie erhöht.

Der Shiller-Indikator spielt in dieser Phase des Konjunkturzyklus eine wichtige Rolle, da Value-Investitionen im Allgemeinen und die Auswahl von Sektoren auf der Grundlage relativer Bewertungskennzahlen bei den Anlegern derzeit an Aufmerksamkeit gewinnen, während die Growth-Befürworter immer wieder neue Themen auf die Agenda heben, um neue Geschichten zu erzählen und Anleger anzuziehen. Ende 2022 zeigte das globale Shiller-KGV mit 27,48 für US-Aktien keine extremen Auswüchse, sodass es auf den ersten Blick schwierig ist, klare Rückschlüsse auf die Marktrichtung zu ziehen. Aber: Das hohe Maß an sektoraler Streuung Anfang 2023 war in der Vergangenheit eine Performance-Quelle für auf dem sektoralen Shiller-KGV basierende Strategien.


Über den Gastautor:
Bruno Poulin ist Gründer und Geschäftsführer der Natixis-Boutique Ossiam. Poulin arbeitete vor der Gründung Ossiams bei Systeia Capital Management und der Societe Generale. Ossiam bietet ETFs an, die einem Index nachbilden, der die Wertentwicklung einer Long-Position in vier US-Aktiensektoren wiederspiegelt. Diese Aktiensektoren werden monatlich auf Basis des relativen Shiller-KGVs ausgewählt. Der Index hinterließ in den vergangenen Jahren den breiten Markt hinter sich und ist wie alle Produkte von Ossiam unter anderem bei Bison WMS hinterlegt.

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen