
Frau Braun-Cangl, die Zinsen sind gestiegen, die globale Wirtschaft schwächelt. Welche Auswirkungen hat dies auf Private Debt?
Braun-Cangl: Steigende Zinsen führen zu höheren Renditen bei Private-Debt-Anlagestrategien, da viele mit einer Floater-Zinsstruktur ausgestattet sind. Im aktuellen Marktumfeld kommen steigende (Kredit-)Margen und höhere Transaktions-Abschlussgebühren hinzu, da die Nachfrage nach der privaten Fremdkapitalfinanzierung das Angebot übersteigt. Während die Private-Debt-Investoren in der aktuellen Situation profitieren, müssen Unternehmen höhere Kapitalkosten in Kauf nehmen, was die Gewinne belastet und die Liquidität für Zinszahlungen reduziert. Private-Debt-Investoren sollten sich auf einen Anstieg der Kreditausfälle und Verlustraten einstellen. Allerdings bieten die derzeit erwarteten Renditen bereits einen erheblichen Puffer für Kreditausfälle, so dass erfahrene Private Debt Manager in den nächsten Jahren in der Lage sein sollten, außergewöhnlich gute Ergebnisse zu erzielen.
Wie entwickeln sich die Ausfallraten?
Braun-Cangl: Auf den privaten Märkten sind die Auswirkungen der Zinserhöhungen noch nicht überall sichtbar. In den liquiden Märkten ist dieser Trend jedoch bereits deutlich erkennbar. Die Ausfallraten im Leveraged-Loan-Markt steigen bereits, auch wenn sie derzeit noch unter den historischen Durchschnittswerten liegen. Eine ähnliche Entwicklung werden wir im Private-Debt-Bereich sehen, auch wenn viele CFOs sich gut bei niedrigen Zinsen refinanziert haben und wir somit erst langsam, aber sicher auf eine massive „Maturity Wall“ in den nächsten zwei bis drei Jahren zusteuern. Die Refinanzierungen müssen demnächst zu den höheren Zinssätzen erfolgen. Das werden sich nicht alle Unternehmen leisten können.
Wie kann ein Private Debt Manager auf die aktuelle Situation reagieren?
Braun-Cangl: Private Debt Manager verfügen über eine breite Klaviatur an Instrumenten, um das aktuelle Marktumfeld besser navigieren zu können. Dazu gehört die individuelle Kreditstrukturierung, die erstrangige Besicherung der Kredite sowie die Vereinbarung eines individuellen Covenant-Sets. Die vereinbarten Covenants sind nicht nur im Restrukturierungsfall nützlich, sondern helfen auch, potenzielle Ausfallrisiken frühzeitig zu erkennen, so dass gegengesteuert und flexible Lösungen für die Kreditnehmer gefunden werden können. Zu solchen Gegenmaßnahmen zählen die Tilgungsstundung, eine Umwandlung in Payment-In-Kind-Kredite oder die Restrukturierung der Kredite. Wichtig ist, dass die Private Debt Manager ihre Restrukturierungskompetenz nutzen und konsequent die Underwriting-Standards einhalten. Ein solches proaktives Management zahlt sich aus und spiegelt sich in niedrigeren Kapitalverlustraten und deutlich höheren Erlösquoten im Vergleich zu börsennotierten Anleihen und Syndicated Leveraged Loans wider.
Oft sind Marktposition und Größe auch wichtig für Private Debt Manager. Eine starke Marktposition ermöglicht den kontinuierlichen Zugang zu einem breiten Angebot und damit die Selektion guter Transaktionen. Ein ausreichend großer Fonds kann die Gesamtfinanzierung als alleiniger Kreditgeber umsetzen und sich damit die Entscheidungskompetenz im Restrukturierungsfall sichern. In der Regel steht der Private Debt Manager in engem Austausch mit dem Kreditnehmer, was ihm eine bessere Einsicht in die Entwicklung des Unternehmens ermöglicht und bei Bedarf ein schnelles Eingreifen erlaubt.
Bietet der Private-Debt-Markt jetzt gute Einstiegsmöglichkeiten?
Braun-Cangl: Selten war die Anlageklasse Private Debt für Investoren so attraktiv wie heute. Die Renditeerwartungen sind außergewöhnlich hoch. Sie liegen für Senior Debt, also für erstrangige und teilweise besicherte Kredite, bei 10 bis 13 Prozent und dies ohne zusätzliche Leverage auf Fondsebene.
In welchen Segmenten sehen Sie derzeit gute Chancen?
Braun-Cangl: Nahezu alle Strategiesegmente der Asset-Klasse Private Debt bieten attraktive Einstiegsmöglichkeiten. Getrieben werden diese Chancen durch die strukturelle Marktverschiebung, die durch den Rückzug der Banken ausgelöst wurde. Insbesondere vorrangige Darlehen, sogenanntes Senior Debt, können Investoren ein attraktives risikoadjustiertes Profil bieten. In der Regel werden Senior Direct-Lending-Strategien als Kern eines Private Debt Portfolios genutzt. Opportunistische Kreditstrategien, Special Situations und Specialty Lending werden beigemischt. Diversifikation über Branchen, Manager und Jahrgänge sowie die Positionierung in der Kapitalstruktur sind entscheidend. Nur wenige Private-Credit-Strategien bieten Upside-Potenzial, daher ist es wichtig, die Downside proaktiv zu steuern und auch eine gute Portfoliodiversifikation zu erreichen. Derzeit sehen wir viele Investoren, die Aufgrund der erwarteten stark gestiegenen Renditen und des unsicheren volkswirtschaftlichen Umfelds Senior Lending-Strategien übergewichten und Investitionen in risikoreichere Strategien wie Mezzanine, Subordinated, etc. etwas untergewichten.
Nachhaltigkeit hat für Investoren an Bedeutung gewonnen, sowohl bei der Bewertung der Investments als auch als Anlageziel. Welche Rolle spielen ESG-Kriterien bei der Auswahl von Private Debt?
Braun-Cangl: Wir beobachten derzeit einen Wandel in der Private-Debt-Industrie. Fondsmanager integrieren ESG-Due-Diligence in ihren Auswahlprozess, bewerten ESG-Risiken und überwachen diese kontinuierlich. Immer häufiger sehen wir auch proaktive Ansätze von Fondsmanagern, die mit den Kreditnehmern an der Verbesserung der ESG-Standards arbeiten. Private Debt Manager gehen zunehmend auf die Anforderungen der Investoren ein. Auch bei der Integration von ESG-Reporting-Anforderungen sind Fortschritte zu beobachten. Die Qualität und Verfügbarkeit der Daten variieren leider noch von Manager zu Manager. Bei den Opportunistic- und Distressed-Debt-Strategien sind Entwicklung und Umsetzung sehr langsam. Letztlich müssen die privaten Kreditgeber die Kreditnehmer dazu bewegen, die relevanten ESG-Daten zu berichten. Gute, etablierte Fondsmanager sind dabei, ESG-Standards zu implementieren und verlangen vertraglich ein regelmäßiges ESG-Reporting.
Der Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft erfordert hohe Investitionen. Welche Rolle spielt Private Debt hier?
Braun-Cangl: Vor allem das Segment Infrastructure Debt trägt wesentlich zur Erreichung dieses Ziels bei. Private-Debt-Fonds und Private Lender, beispielsweise Versicherungen, spielen hier eine zentrale Rolle, da Infrastrukturprojekte häufig über private Märkte finanziert werden. Oft handelt es sich dabei um Investitionen in erneuerbare Energien und/oder Effizienzsteigerungen. Auf der Fremdkapitalseite ist das Angebot an Private- Debt-Fonds noch gering, wächst aber derzeit rasant.
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