Interview zum 100-jährigen Bestehen der Bayerischen Ärzteversorgung André Heimrich, Kapitalanlagenchef der BVK: „Seit jeher ist die Sachwertquote wichtig“

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Interview zum 100-jährigen Bestehen der Bayerischen Ärzteversorgung
André Heimrich, Kapitalanlagenchef der BVK: „Seit jeher ist die Sachwertquote wichtig“
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André Heimrich ist seit 2013 Vorstandsmitglied und Leiter des Bereichs Kapitalanlagen bei der Bayerischen Versorgungskammer (BVK), bereits seit 2002 verantwortet er dort das Wertpapiermanagement.

André Heimrich ist seit 2013 Vorstandsmitglied und Leiter des Bereichs Kapitalanlagen bei der Bayerischen Versorgungskammer (BVK), bereits seit 2002 verantwortet er dort das Wertpapiermanagement. Foto: Jens Schnabel

private banking magazin: Herr Heimrich, die Bayerische Ärzteversorgung blickt auf 100 Jahre Kapitalanlage zurück. Was sind die größten Unterschiede im Vergleich zu damals?

André Heimrich: Am 1. Oktober 1923 begann die Bayerische Ärzteversorgung ihre Tätigkeit mit 5.439 Mitgliedern; zunächst auf der Grundlage des Umlageverfahrens, da es nur bei diesem als möglich erschien, die Beitragsbelastung des Einzelnen in vertretbarem Rahmen zu halten. Die Höhe der Umlage wurde so bemessen, dass auch Rücklagen angesammelt werden konnten, deren Zinsertrag später dazu dienen sollte, den – wachsenden – Jahresbedarf teilweise zu decken und so die Umlage auf angemessener Höhe zu halten. In den ersten Jahren kamen die Zinseinnahmen im Wesentlichen aus der Vergabe von Darlehen an Mitglieder, Gemeinden und gemeinnützigen Anstalten. Anfang der 1930er-Jahre erfolgte dann der Übergang auf kapitalgedeckte Finanzierungssysteme.

Wie ist die BÄV durch die schwierigen Anfangsjahre mit der Hyperinflation, der Weltwirtschaftskrise und der Machtübernahme der Nationalsozialisten gekommen?

Heimrich: Mit der Stabilisierung der Wirtschaft, vor allem auch durch Währungsreform zum 15. November 1923, erholte sich in den „Goldenen Zwanzigern“ auch die wirtschaftliche Situation der drei Berufsstände Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte. Sowohl die Beitragseinnahmen als auch die Zinseinkünfte stiegen an. Die Bayerische Ärzteversorgung nahm eine so positive Entwicklung, dass sie bald auch freiwillige Leistungen gewähren konnte. Der Börsenabsturz am 24.10.1929 markiert den Ausgangspunkt für eine Krise, die später als „Große Depression“ die gesamte Weltwirtschaft erfassen sollte. Betrugen die Beitragseinnahmen im Geschäftsjahr 1930 noch 3,5 Millionen Reichsmark (RM), sanken sie von 3,25 Millionen RM (1931), auf 2,8 Millionen RM (1932) und schließlich 2,3 Millionen RM zum Höhepunkt der Krise im Jahr 1933. Die Stabilität des Versorgungswerks war jedoch nicht gefährdet. Die Bayerische Ärzteversorgung war auch nicht gezwungen, Wertpapiere zu niedrigen Kursen zu verkaufen. Selbst im Krisenjahr 1933 ist das Vermögen noch um 2,5 Millionen auf 32,1 Millionen RM angewachsen.

Dann kam Adolf Hitler an die Macht ...

Heimrich: In der Zeit des Nationalsozialismus blieb die Bayerische Ärzteversorgung als selbstständige gesetzliche Einrichtung bestehen. Trotz der schwierigen Kriegsverhältnisse hielten sich die Beitragseinnahmen fast durchweg auf der Höhe der Vorkriegsjahre, das Gesamtvermögen nahm weiter zu. Seit dem Jahr 1940 durften aufgrund des sogenannten „Führererlasses“ keine Sitzungen des Selbstverwaltungsgremiums mehr durchgeführt werden, auch Geschäftsberichte wurden nicht mehr veröffentlicht.

Wie ging es nach Kriegsende weiter?

Heimrich: Nach Kriegsende führte das Versorgungswerk den Betrieb ohne nennenswerte Unterbrechung weiter und bewährte sich besonders durch die rasche Wiederaufnahme der laufenden Versorgungsauszahlungen. Trotz der Kriegswirren erreichte das Vermögen der Bayerischen Ärzteversorgung bis zum Jahr 1948 ein Volumen von 77 Millionen RM. Mit der Währungsreform wurde das Vermögen der Bayerischen Ärzteversorgung im Wesentlichen im Verhältnis von 1 DM für je 10 RM unter Zuteilung von Ausgleichsforderungen gegen die öffentliche Hand umgestellt.

 

 

 

 In den folgenden Jahren wurden der Bayerischen Ärzteversorgung weitere Ausgleichforderungen zugeteilt. Ursprünglich war vorgesehen, die Versorgungsleistungen ebenfalls in einem Verhältnis von 1 DM für je 10 RM umzustellen. Aus Verantwortung den Ruhegeldempfängern gegenüber wurde – trotz Anordnung der amerikanischen Militärführung – eine wesentlich günstigere Umstellung vorgenommen, und schon bald konnten die Versorgungsleistungen wieder im Verhältnis 1:1 ausgezahlt werden. Dies war vor allem deshalb möglich, weil das Versorgungswerk über größere Alt-Guthaben bei Finanzinstituten verfügte. Bereits Mitte der 1950er-Jahre betrugen die Kapitalanlagen der Bayerischen Ärzteversorgung über 100 Millionen DM und überschritten Anfang der 1970er-Jahre bereits die Milliarden-Grenze.

 

 

Die BÄV hat nach der Hyperinflation und der Weltwirtschaftskrise auch den Crash der Dotcom-Blase und die Finanzkrise 2008 miterlebt. Wie haben all diese Ereignisse die Kapitalallokation geprägt?

Heimrich: Die Erfahrungen aus den genannten Krisen des 20. und 21. Jahrhunderts haben dazu beigetragen, dass unser Portfolio sukzessiver breiter und robuster aufgestellt wurde. Nach der Finanzkrise 2008 haben wir insbesondere gezielt die Fondsquote von damals 20 Prozent mit illiquiden Anlagen erweitert. Gesteuert haben wir den Ausbau immer unter Berücksichtigung der Passivseite. Mittels unseres Asset-Liabilities-Ansatzes, dem ein auf die Anforderungen unserer Versorgungswerke abgestelltes Risikotool zugrunde liegt, konnten wir die Bayerische Ärzteversorgung seit der Finanzkrise noch besser steuern.

Sie haben eine hohe Immobilienquote. Warum?

Heimrich: Immobilien passen nach unserer Auffassung sehr gut zu einem Versorgungswerk. Durch die langfristigen Verpflichtungen kann die BÄV auch einen größeren Teil der Anlagen in relativ illiquide Anlageklassen investieren. Durch die niedrigen Fremdkapital-Zinsen und die daraus entstehende Hebelwirkung konnten in der Vergangenheit Renditen über 5 Prozent erzielt werden. Die Anlageklasse Immobilien der BVK wächst seit 2015. Neben dem jährlichen Anstieg der Kapitalanlagen hat sich insbesondere die Immobilienquote von circa 13 Prozent auf mittlerweile rund 25 Prozent der gesamten Kapitalanlagen erhöht. Eine Investition in Sachwerte ist zudem aus unserer Sicht die geeignete Strategie, um sich in Krisensituationen zu behaupten – neben einer breit angelegten Diversifikationsstrategie.

Wie schützen Sie das Portfolio vor Inflation?

Heimrich: Seit jeher hat die Sachwertquote eine große Bedeutung im Portfolio der BÄV. Speziell durch Investments in Aktien, Beteiligungen und Immobilien versprechen wir uns auch einen Inflationsschutz, den nominal verzinste Anleihen nicht bieten. Auch der Ausbau alternativer Anlagestrategien wie Private Debt stellt das Portfolio der BÄV krisensicher und inflationsgeschützt auf.

Welchen Stellenwert spielt Nachhaltigkeit bei Ihren Investitionsentscheidungen?

Heimrich: Nachhaltigkeit hat für die Bayerische Ärzteversorgung und die Bayerische Versorgungskammer insgesamt einen hohen Stellenwert, sowohl auf Corporate- als auch Investmentebene. Als Deutschlands größte öffentlich-rechtliche Versorgungseinrichtung trägt die BVK die Verantwortung, ESG-Kriterien in der Kapitalanlage zu berücksichtigen. Bereits 2010 wurde eine Nachhaltigkeitsstrategie beschlossen. Zudem haben wir die UN-Prinzipien für verantwortungsvolles Investment (PRI) unterzeichnet und sind der Net-Zero Asset Owner Alliance (NZ AOA) beigetreten. Kernelement der BVK-Nachhaltigkeitsstrategie ist der Engagement-Ansatz, da wir davon überzeugt sind, nur durch einen konstruktiven Dialog mit den Unternehmen unseren Einfluss ausüben zu können, um diese zum nachhaltigen Wachstum anzuhalten.

 

 

 

Uns ist es wichtig, die Analyse von ESG-Kriterien in unsere Investmentprozesse zu integrieren und uns bei den investierten Unternehmen zu maßgeblichen ESG-Kriterien zu engagieren, um das Risiko nachteiliger Nachhaltigkeitsauswirkungen zu senken, die Performance zu verbessern, angemessene Standards einzufordern und die langfristige Wertschöpfung zu fördern. Somit steht diese Strategie nicht nur im Einklang mit dem zentralen Versorgungsauftrag der einzelnen Versorgungseinrichtungen, sondern stützt diesen zusätzlich.

 

Sie planen, demnächst umzuziehen. Was können Sie uns über die neue Zentrale schon verraten?

Heimrich: Auf dem ehemaligen Siemens-Areal im Münchner Stadtteil Bogenhausen entsteht ein moderner Gebäudekomplex in zum Teil Holzhybrid-Bauweise – wir streben eine Zertifizierung nach DGNB Standard in Gold an. Die zukünftige Bebauung soll sich städtebaulich und landschaftlich in die Umgebung einfügen und durch ihre offene Gestaltung die Nachbarschaft mit einbinden, so auch mit gastronomischen Angeboten und einer Kita. Beim Architektenwettbewerb entschied sich die Jury für den Entwurf des Pritzker-Preisträgers Sir David Chipperfield – er passt durch seine schlichte, klare Formsprache und flexible Grundrisse optimal zur BVK und unserem geplanten modernen Bürokonzept. Aktuell wird noch bis zum Ende des Jahres die Baugrube ausgehoben. Bis zum Einzug vergehen aber noch ein paar Jahre.

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