Amber-Gründer Florian Adomeit „Jährlich stehen 125.000 Betriebe zur Übernahme bereit“

Florian Adomeit, Mitgründer von Amber by Dealcircle

Florian Adomeit ist Mitgründer von Amber by Dealcircle, einer M&A-Plattform im DACH-Raum. Foto: Amber by Dealcircle

private banking magazin: Herr Adomeit, Search Funds gelten als alternative Form der Unternehmensnachfolge. Was unterscheidet dieses Modell von einem klassischen Management-Buy-in und erlebt es gerade mehr Zuspruch? 

Florian Adomeit: Ja, maßgeblicher Treiber ist der demographische Wandel: Immer mehr Babyboomer gehen in Rente, jährlich stehen rund 125.000 Betriebe zur Übergabe bereit. Für Deutschland ist es ein großes Problem die Nachfolgelücke in kleinen und mittleren Unternehmen zu schließen. Damit bieten sich für Search Funds gute Kaufgelegenheiten. Gleichzeitig ist der ein oder andere Gründungsinteressierte von der VC-Mentalität in Europa verbrannt.

In den vergangenen 20 Jahren wurde viel Geld eingesammelt und teilweise in Firmen investiert, die sich nicht rentiert haben. Die Übernahme von Unternehmen hat hingegen den Vorteil, dass weniger Kapital benötigt wird, als bei einem Start-up. Trotz eines moderateren Wachstums kann sich eine Übernahme positiv auf das persönliche Vermögen auswirken, Fremdkapital genutzt werden kann. Hinsichtlich der Unterschiede zwischen Search Funds und Management-Buy-in (MBI) sind die Grenzen fließend.

Aber die beiden Modelle lassen sich sicherlich so abgrenzen: Der Search Fund hat meist externe Investoren und zielt auf größere Unternehmen mit 1 bis 5 Millionen Euro EBITDA. Der MBI ist etwas kleiner und häufig ohne Investoren oder aus eigener Tasche finanziert. Hier kaufen Privatpersonen Unternehmen mit 100.000 Euro bis 1 Millionen Euro EBITDA und finanzieren sie mit 25 bis 40 Prozent Eigenkapital. Der zweite Unterschied ist der Zeithorizont. Search Funds haben oft ein Exit-Szenario von 5 bis 7 Jahren, ähnlich wie Private Equity, während ein MBI tendenziell längerfristig, oder sogar für immer ist. 

Sie weisen auf Top-Manager aus der Start-up- und Tech-Szene hin, die mit Search Funds in den Mittelstand einsteigen – was treibt diese neue Unternehmergeneration an?

Adomeit: Zunächst sicherlich der Wunsch unternehmerisch tätig zu sein. Aber statt etwas komplett Neues aufzubauen, will diese neue Unternehmergeneration etwas Bestehendes wachsen und gedeihen lassen. Schließlich wollen nicht alle von Null anfangen. Zudem gewinnt das Thema „Unternehmen mit jahrzehntelanger Historie“ derzeit in der Start-up- und Tech-Szene an Charme.

 

Zwar sind die Wachstumsambitionen eines mittelständischen Betriebs nicht ganz so aggressiv wie bei vielen Start-ups, trotzdem gibt es ähnliche Returns. Darüber hinaus erleben wir aufgrund des demographischen Wandels aktuell einen Käufermarkt. Viele junge Searcher haben bereits im Konzern oder in einem laufenden Unternehmen (Scale-up) gearbeitet und ein Skillset erworben, was sie wieder anwenden möchten. Sie erkennen daher die Chance, bestehende Prozesse bei einem bewährten Geschäftsmodell durch Digitalisierung zu optimieren und effizienter zu gestalten.

Welche Rolle spielt der demografische Druck bei der Nachfolge im Mittelstand? Profitieren Search Funds von einem wachsenden Mangel an familieninternen Lösungen?

Adomeit:  Definitiv, der demografische Wandel führt derzeit zu einem Angebotsüberhang, weil sie viele Unternehmerinnen und Unternehmer jetzt mit dem Thema Nachfolge befassen müssen. Ein weiterer Punkt ist die aktuell herausfordernde wirtschaftliche Lage. Unternehmen können vergleichsweise günstig erworben werden.

Daraus ergibt sich jedoch auch eine Herausforderung: Das veränderte Marktumfeld ist noch nicht bei jedem Verkäufer angekommen ist, entsprechend hoch ist möglicherweise die Erwartungshaltung hinsichtlich des Kaufpreises. Von den genannten Punkten profitieren Searcher natürlich. Einziges Manko ist vielleicht das Finanzierungsumfeld und die Zurückhaltung der Banken.

Auf Ihrer Plattform Amber wollen Sie Suchende und Unternehmen zusammenbringen – wie funktioniert das in der Praxis? Und was unterscheidet einen „guten“ Searcher von anderen?

Adomeit:  Amber arbeitet vor allem mit Nachfolge- und M&A-Beratern sowie Investmentbankern zusammen, die von der Verkäuferseite mandatiert wurden. Vor allem im Small- und Micap-Segment, in dem viele Searcher suchen, ist der Markt sehr intransparent. Zudem kann oder will nicht jeder Searcher groß die Werbetrommel rühren, etwa aus Wettbewerbsgründen. 
Statt selbständig Kontakt zu den Beratungshäusern zu suchen, bietet Amber einen zentralisierten Marktplatz. Der Verkaufsberater kann über seinen Account ein Inserat erstellen.

Dank KI-Unterstützung reichen dazu wenige Angaben. Nach einer Qualitätskontrolle durch Amber ist das Inserat innerhalb von 24 Stunden auf der Plattform. Dieser Schritt ist kostenlos, denn wir wollen den Small- und Midcap-Markt effizienter machen und Hürden abbauen. Ein weiterer Vorteil für Verkäufer: Amber ist kein schwarzes Brett, sondern legt sehr viel Wert auf Privatsphäre. Sprich der Verkäufer und sein Inserat bleiben zunächst anonym. Mit Amber kann er die Sichtbarkeit eigenständig aussteuern und entscheiden, welche Käufergruppen sein Angebot sieht. 

Der Käufer meldet sich ebenfalls kostenlos an und erstellt ein Profil. Auch dieses ist privat bis er Interesse bekundet und sich entscheidet, sein Profil mit einem Verkäufer zu teilen. Nur wenn der Verkäufer die Anfrage des Käufers akzeptiert, kommt es zu einem Match und sie können im nächsten Schritt weitere Details wie beispielsweise Non-Disclosure-Agreements (NDAs) austauschen. Bei einer erfolgreichen Transaktion zahlt die Käuferseite eine 2 Prozent Provision. 
Ein guter Searcher zeichnet dabei dadurch aus, dass er ergebnisoffen in einen Prozess geht. Heißt, sich nicht versteift, sondern den Blick links und recht offenhält, ohne den Fokus zu verlieren. Idealweise wird in den Branchen gesucht, in denen man vielleicht schon Erfahrungen gemacht hat, etwa durch das eigene familiäre Umfeld. 

Ganz wesentlich sind zudem Eigenschaften wie Verantwortungsbewusstsein und eine gesunde Einschätzung der eigenen Fähigkeiten. Schließlich setzt man nicht nur sein eigenes Geld, sondern das Geld von Banken und Investoren aufs Spiel. Generell muss man während der Suche nach dem richtigen Zielunternehmen noch nicht alle Kapitalzusagen haben. Aber man sollte seine Finanzierungsoptionen evaluiert haben. So lassen sich böse Überraschungen im Prozess vermeiden. Schließlich sollte ein guter Searcher in der Lage sein, sich in Unternehmensstruktur einfügen zu können. Zuhören und Veränderungen nicht überhastet umsetzen, sind etwa ganz wesentliche Kriterien.  

Stichwort Finanzierung: Was sind die Unterschiede zwischen „Self-funded Searchern“ und von Investoren finanzierten Search Funds – und welche Variante setzt sich durch?

Adomeit: Generell ist der Begriff „Self funded Searcher“ etwas missverständlich. Tatsächlich wird nicht der gesamte Prozess eigenfinanziert, sondern nur kein Suchkapital eingesammelt. Beim traditionellen Modell wird vor der Suche nach einem Target Search Capital akquiriert. Das sind in der Regel 500.000 bis 700.000 Euro, um sämtliche Kosten für zwei Jahre zu decken. Im nächsten Schritt pitcht der Searcher das entsprechende Zielunternehmen (Target) dem Investorenkreis, der das Suchkapital beigesteuert hat. Bei eigenfinanziertem Modell (Self funded) verzichtet der Searcher hingegen auf dieses Suchkapital, versucht aber bei einem Deal, Kapital bei Investoren einzusammeln.

 

Die jeweiligen Modelle haben Vor- und Nachteile: Bei der eigenfinanzierten Variante ist der Anteil am Zielunternehmen für den Searcher größer, teilweise werden nur 30 bis 40 Prozent abgegeben. Allerdings ist die Finanzierung unsicherer. Der traditionelle Searcher gibt bis zu 70 Prozent der Anteile ab, wenn er mit einem Accelerator zusammenarbeitet, teilweise sogar mehr. Oft haben diese Searcher allerdings eine härtere Verpflichtung: Die Investoren haben ihm bereits Kapital gegeben, es besteht also ein Vertrauensverhältnis und die Sicherheit ist größer. Bei Unternehmensverkäufern werden traditionelle Searcher daher gelegentlich als seriöser wahrgenommen. 

Ob eigenfinanzierte Suche oder klassischer, investorenfinanzierter Search Fund ist letztlich eine persönliche Präferenz. Man muss sich die Frage stellen, wie viele Anteile man abgeben möchte und ob man bereit, und in der Lage ist, zwei Jahre auf ein Gehalt zu verzichten. Was sich in den kommenden Jahren durchsetzen wird, wäre allerdings Kaffeesatzleserei. 

 

Welches Volumen und welches Renditepotenzial sehen Sie auf dem deutschen Markt für Search Funds?

Adomeit: Für den deutschen Markt gibt es wenig belastbare Zahlen. Aktuell sind Search Funds in Deutschland bisher eher ein Tropfen auf den heißen Stein bei der Lösung der Nachfolgewelle. Aber es gibt keine Gründe, warum das Modell nicht so groß wie der VC-Markt werden kann und maßgeblich zur Lösung der Nachfolgekrise kann. Viele High-Net-Individuals und kleinere institutionelle Investoren wollen ihr Kapital lieber auf einer Deal-per-Deal-Basis oder in eine Person investieren.

Statt in einen großen Fonds zu investieren, ermöglichen Search Funds, die sich eher dem Private-Equity-Markt zuordnen lassen, genau diese Individualität. Für Search Funds spricht außerdem das Renditepotenzial. Laut Stanford Search Fund Study erwirtschaften sie eine durchschnittliche jährliche Rendite von 35,1 Prozent (IRR). Sie verbinden somit geschäftlichen Erfolg mit gesellschaftlichem Mehrwert.

Vielversprechend sind zudem die moderaten Finanzierungskonditionen – trotz zurückhaltender Banken. Bei einem guten Deal gibt es einen guten Fremdkapitalhebel und viele Unternehmen haben ein großes Wachstumspotenzial, Stichwort Buy-and-Build.

Welche Branchen und Unternehmensgrößen sind für Search Funds besonders attraktiv? Und wie steht es um die Akzeptanz auf der Unternehmerseite – suchen Mittelständler gezielt solche Käufer?

Adomeit: Die typische Unternehmensgröße liebt typischerweise bei einer bis 5 Millionen Euro EBITDA. Generell ist es einfacher, ein Unternehmen aus einer Industrie zu kaufen, in der es makroökonomischen Rückenwind gibt und der Markt wächst. Attraktive Branchen sind derzeit etwa ambulente Pflegemodelle, da sie wenig Kapital benötigen. Aufgrund des Konsolidierungspotenzials sind auch Handwerksbetriebe derzeit vielversprechend.

Gleiches gilt für Immobilienverwaltungen und Unternehmen aus dem Bereich energetische Sanierung. Letztlich alle Branchen mit wiederkehrenden, margenstarken Umsätzen, die wenig Kapital benötigen und es einen makroökonomischen Rückenwind gibt. In Deutschland ist das Search-Fund-Modell allerdings noch zu neu, als dass Mittelständler gezielt nach solchem Käufer suchen.

Es gibt Pioniere wie Tembo Search Partners oder Novastone Partners, die versuchen das Konzept bekannter zu machen. Für Searcher ist es daher eine Chance, das Modell bei den entsprechenden Verkäufern zu platzieren und Vertrauen aufzubauen.

Was muss sich noch entwickeln, damit der Search-Fund-Markt in Deutschland weiter zulegen kann?

Adomeit: Mehr Sichtbarkeit sowohl auf Käufer- als auch auf der Verkäuferseite. In Deutschland haben wir viele gutausgebildete, junge Menschen, die sich überlegen, wie die nächsten Karriereschritte aussehen könnten. Statt in einen Konzern zu gehen oder ein Start-up zu gründen, könnte für diejenigen mit unternehmerischen Ambitionen, die Übernahme eines Unternehmens eine gute Alternative sein. Je mehr erfolgreiche Beispiele es gibt, desto bekannter wird das Modell und es wird einfacher Verkäufer von dem Konzept begeistern. 

 

Denn aktuell stehen wir vor der großen Herausforderung, dass 60 Prozent aller Transaktionen in diesem Bereich scheitern. Wirtschaftskraft und Know-how geht damit einfach verloren. Aus diesem Grund ist das Sterben des Small-Bereichs ein ähnlich großes Problem wie die Rentenlücke. Dortist nicht der Staat gefordert, sondern die deutsche Gesellschaft.

Wir brauchen effizientere Mechanismen, wie Käufer und Verkäufer zusammenfinden können, um die Quote auf 40 Prozent zu heben. Dazu braucht es eine bessere Vernetzung des Ökosystems, die wir mit Amber aber auch mit Dealcircle schaffen. Berater können automatisierbare Arbeiten auslagern und sich stärker auf Themen wie Verhandlungen konzentrieren. Heißt, sie können Mandate annehmen, die sich vorher für sie finanziell nicht gelohnt hätten. 

Wünschenswert wären zudem mehr Finanzierungsoptionen. Dazu braucht es mehr professionelle Investoren wie Private Equity, die in Searcher investieren. Zudem braucht abseits von Banken Finanzierungslösungen, die in solche Modelle investieren. In den USA gibt es beispielsweise sogenannte SBA-Loans. Dabei hilft der Staat über persönliche Bürgschaften in bestimmten Größenkriterien Unternehmensnachfolgen zu finanzieren. Die KfW hat zwar schon ein vergleichbares Programm, aber dennoch ist hier noch Luft nach oben

 


Über den Interviewten:

Florian Adomeit ist Mitgründer von Amber by Dealcircle, einer M&A-Plattform im DACH-Raum.

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