Der Büromarkt in den Vereinigten Staaten erholt sich zusehends – allerdings muss der Betrachter genau hinschauen, um den Aufschwung zu erkennen. Denn der findet abseits der großen Zentren wie New York, Chicago oder Los Angeles statt. US-Unternehmen haben zum einen die Suburbs (Vorstädte) großer Städte für sich als Standort entdeckt, zum anderen profitiert davon vor allem der Südosten der USA. Und institutionelle Investoren interessieren sich – laut einer Analyse der US-Immobilieninvestmentfirma Clarion Partners – zunehmend für diesen Trend.
Doch wie kam es zu dieser Entwicklung? Warum entwickeln sich die Märkte in Zeiten des Homeoffice dort so anders als beispielsweise in Deutschland? Hauptgrund dafür ist sicherlich ein Kulturunterschied. Denn das Büro ist zentraler Bestandteil der US-Wirtschaft und ein Motor für Produktivität, berufliche Entwicklung, Kultur und Innovation. So stieg die Flächennachfrage durch Mieter 2023 für Büros um mehr als 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Unternehmen mit Return-to-Office-Regelungen
Dies wird neben der verbesserten konjunkturellen Entwicklung vor allem durch RTO-Policies (Return-to-Office-Richtlinien) von großen Unternehmen angestoßen. So arbeiten gemäß einer aktuellen Studie weniger als ein Prozent der Fortune-100-Mitarbeiter vollständig von zu Hause und 77 Prozent davon hybrid. Viele Büromieter haben die Möglichkeit des Remote-Arbeitens für ihre Belegschaft reduziert oder inzwischen wieder abgeschafft.
Die Einführung von Remote- und hybriden Arbeitsmodellen hat die Art und Weise, wie viele Unternehmen heutzutage Büroräume nutzen, zwar verändert, aber das Büro nicht überflüssig gemacht. Im Gegenteil – Unternehmen setzen immer stärker auf die Rückkehr ihrer Mitarbeiter ins Büro. Das ergab jüngst eine Studie des Immobilienunternehmens Cushman & Wakefield. Demnach verdoppelte sich die Zahl der Unternehmen, die das Büro als Arbeitsplatz in den Mittelpunkt stellen, zwischen 2022 und 2024 nahezu von 19 auf 35 Prozent. Entsprechend gingen auch die Anteile des hybriden Arbeitens von 58 auf 50 Prozent und des Arbeitens ausschließlich im Homeoffice von 22 auf 13 Prozent zurück.
Neugebaute Büros sind Mangelware
Diese Entwicklung hin zu mehr Arbeit im Büro spiegelt sich bislang noch nicht in den Marktdaten wider. So ging das Investitionsvolumen auf dem US-Büromarkt im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2022 um 60 Prozent auf 43 Milliarden US-Dollar zurück. Und es wurden 2023 zudem lediglich rund 47 Millionen Quadratmeter Bürofläche fertiggestellt. Dieser Wert könnte 2026 auf unter zehn Millionen Quadratmeter sinken, wenn die allgemeine Bautätigkeit nicht bald Fahrt aufnimmt.
Soweit die schlechten Nachrichten für Projektentwickler. Es sind allerdings gute Neuigkeiten für die Eigentümer hochwertiger Bestandsflächen. Denn die Rückkehr ins Büro und die Verbesserung des makroökonomischen Umfelds tragen in den USA – laut einer Studie des international tätigen Architekturbüros HKS – und vor allem im Südosten zu einem stetigen Wachstum der Büronachfrage bei. Und das wird wahrscheinlich zu Angebotsengpässen am oberen Ende des Marktes führen, die sich in den kommenden Quartalen noch verstärken und die Nachfrage auf den Class-A-Markt im Allgemeinen ausweiten werden.
Große Mietflächen wieder gefragt
Neben dieser Entwicklung gibt es seit 2022 zum ersten Mal wieder regelmäßigere Nachfrage von Mietern, die Flächen von 10.000 Quadratmetern und mehr am Stück mieten. Diese Mieter sind oft Teil großer, internationaler Konzerne und sichern sich Flächen besonders langfristig. Dies trägt positiv zur durchschnittlichen gewichteten Dauer von Mietverträgen in Bürogebäuden bei, welche für potenzielle Käufer von Büroimmobilien ein wichtiger Faktor ist.
Und diese Büroimmobilien finden sich eher in suburbanen Gemeinden, nicht in den direkten Stadtzentren. Denn sie bieten einige Vorteile: Die Objekte befinden sich meist in der Nähe von Wohngebieten und sie bieten genügend Platz für eine Vielzahl von Parkplätzen. Die Folgen: Die Anfahrt für Beschäftigte ist kurz, einen Stellplatz zu finden kein Problem. Und dies erhöht inzwischen den Druck auf die Mitarbeiter, wieder im Büro, statt von zu Hause aus zu arbeiten. In den USA zeigt sich anders als hierzulande: Die Erfahrungen der Corona-Pandemie haben daran nichts geändert. Und: Arbeitgeber gehen dorthin, wo sie genügend gut ausgebildete Mitarbeiter anwerben können.
Suburbs in den USA bieten hohe Lebensqualität
Zum Verständnis dieser Entwicklung ist die Beschreibung notwendig, was in den USA als suburban gilt. Anders als in Deutschland sind damit nicht kleine Vororte, sogenannte Schlafstädte, gemeint. In denen kann zwar aufgrund günstiger Immobilienpreise meist einfacher eine Bleibe gefunden werden als in den Großstädten. Ansonsten ist die Attraktivität, was Freizeit-, Kultur- und Einkaufsangebote betrifft, eher gering.
Das ist in den USA meist ganz anders. Wenn dort von suburbanen Kommunen oder Suburbs die Rede ist, sind Städte mit rund 80.000 Einwohnern und mehr gemeint. Und die bieten in der Regel umfassende Möglichkeiten, sich auch außerhalb der Arbeitszeit dort wohlzufühlen. Restaurants, Kinos, Shopping Malls oder Fitness-Center sind dort zu finden, ebenso wie gute Ausbildungsmöglichkeiten.
Clevere Vermieter von Büroflächen haben ihre Immobilien mitunter mit eben solchen Angeboten im selben Gebäude aufgewertet. Gerade Fitness-Center in Büroobjekten erfreuen sich großer Beliebtheit. Auch geteilte Flächen, in denen Mieter Veranstaltungen abhalten können, sind sehr gefragt.
Überproportionales Bevölkerungswachstum in Vorstädten
Dieser Zuzug in die Vorstädte lässt sich auch zahlenmäßig erfassen. Denn diese Veränderung belegen auch Daten der US-Census-Behörde. So gehörten im vergangenen Jahr gleich drei Vororte in Florida und South Carolina zu den 15 Städten mit mehr als 20.000 Einwohnern in den USA mit dem größten prozentualen Bevölkerungswachstum im Vergleich zu 2022. Haines City – nur 40 Minuten Fahrzeit von Orlando entfernt – nahm um knapp elf Prozent zu. Leesburg (50 Minuten von Orlando) und Fort Mill (25 Minuten von Charlotte) verzeichneten ein Bevölkerungsplus von jeweils knapp neun Prozent. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum betrug es über alle 50 Bundesstaaten hinweg betrachtet lediglich 0,6 Prozent. Und sechs der 15 nach absoluten Einwohnerzahlen am stärksten gewachsenen Städte in den USA liegen ebenfalls im Südosten – in North Carolina, Florida und Georgia.
Insbesondere seit Ausbruch der Corona-Pandemie hat sich das Migrationsverhalten der US-Bürger verändert. Dies ist unter anderem bedingt durch die Abwanderung der Bevölkerung von bestimmten, ehemals sehr gefragten Standorten im Nordosten und Westen, wie New York, Chicago oder auch San Francisco oder Los Angeles. Die Bevölkerung zog es überwiegend in den Süden und Südosten der USA. Georgia, Florida, North- und South Carolina sowie Texas profitierten am stärksten von der Binnenmigration in den Vereinigten Staaten.
South Carolina ist der am stärksten wachsende Bundesstaat
Fünf der zehn Bundesstaaten mit dem höchsten Bevölkerungswachstum lagen zudem im Südosten. South Carolina mit einem Plus von 1,7 Prozent übertraf die US-Wachstumsrate um fast das Dreifache. Florida (1,6 Prozent), North Carolina (1,3 Prozent) sowie Tennessee und Georgia mit 1,1 Prozent lagen knapp dahinter. Übrigens: Rund die Hälfte des Zuwachses ist auf den Zuzug aus anderen Bundesstaaten zurückzuführen.
Vor dem Hintergrund des insgesamt niedrigen Transaktionsniveaus auf dem US-Immobilienmarkt halten sich zurzeit auch institutionelle Anleger noch meist zurück. Sie haben den Trend hin zu suburbanen Büromärkten aber erkannt, wie wir aus vielen Gesprächen wissen.
Positiv stimmt uns zudem eine Erkenntnis aus den vergangenen Jahrzehnten: Selbst nach dem hausgemachten Subprime-Debakel zum Ende der Nullerjahre als Auslöser der internationalen Finanzkrise, hat sich der US-Immobilienmarkt sehr schnell erholt. Die USA wurden mal wieder ihrem Image als Stehaufmännchen gerecht.
Über die Autoren
Scott Bryant ist Geschäftsführer (Managing Director) der TSO Europe Funds, einer seit 2006 in Deutschland tätigen Tochtergesellschaft der The Simpson Organization, die seit 1988 am US-Immobilienmarkt tätig ist. Er hat gut 35 Jahre Berufserfahrung, ist seit 20 Jahren im Bereich Gewerbeimmobilien aktiv und verfügt über Expertise im Zusammenhang mit allen Phasen der Lebensdauer von Immobilien, von dem Erwerb und der Entwicklung bis zur Veräußerung. Bryant war zuvor bei The Related Capital Companies, Harry Macklowe Real Estate, sowie Cushman & Wakefield tätig.
Zusätzlich zu seiner Erfahrung im Bereich Immobilien verfügt Bryant über 15 Jahre
Erfahrung im Bereich Finanzdienstleistungen und war unter anderem im Vertrieb von Anla-
geprodukten für American Express und Ameriprise Financial tätig.
Sascha Dohmen ist Key-Account-Manager bei TSO Europe Funds. Weitere Karrierestationen waren bei der Credit Suisse, UBS und der Postbank.