Schwierige Rechtslage Stellt die Sterbehilfe den Risiko-Lebensversicherer leistungsfrei?

Tobias Strübing ist Rechtsanwalt und Partner bei der Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte

Tobias Strübing ist Rechtsanwalt und Partner bei der Kanzlei Wirth-Rechtsanwälte

In der aktuellen politischen Diskussion ist die sogenannte „Sterbehilfe“ in jeder Form ein häufiges Thema, das schließlich in einer Änderung des Strafgesetzbuches mündete. Danach wird nunmehr die geschäftsmäßige Beihilfe zur Selbsttötung unter Strafe gestellt.

Anlässlich dieser Diskussion stellt sich die Frage, inwiefern sich die verschiedenen Arten der Sterbehilfe auf den Versicherungsschutz in einer Risikolebensversicherung auswirken können.

Gemäß Paragraf 161 Absatz 1 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) ist nämlich ein Risikolebensversicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn die versicherte Person sich vor Ablauf von drei Jahren nach Abschluss des Versicherungsvertrages vorsätzlich selbst getötet hat. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Tat in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen worden ist. Entsprechende Regelungen finden sich auch in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (ALB; vergleiche Paragraf 5 Absatz 1 ALB 2012).

Missbrauch vorbeugen

Diese Regelung dient vor allem dem Schutz des Risikolebensversicherers davor, dass ein Versicherter auf seine Kosten mit seinem Leben spekuliert (BGH-Urteil vom 05.Dezember 1990; Gz.: VI ZR 13/90). Der Versicherer hat ein berechtigtes Interesse daran, davor geschützt zu werden, dass ein Versicherungsnehmer in hoffnungslos erscheinender finanzieller Lage eine Lebensversicherung abschließt und sich anschließend vorsätzlich das Leben nimmt, um seine Hinterbliebenen wirtschaftlich abzusichern (OLG Saarbrücken, Urteil vom 30. Mai 2007; Gz.: 5 U 704/06).

Folgt der Suizid hingegen nicht vorsätzlich, ist es auch nicht gerechtfertigt, den Versicherer zulasten der Hinterbliebenen freizustellen (BGH, siehe obiges Urteil). Paragraf 161 VVG ist nicht nur auf (reine) Todesfallversicherungen, sondern auch auf Lebensversicherung auf den Todes- und Erlebensfall anwendbar.

Bei dem vom Gesetzgeber neu geregelten Sachverhalt erhält der Sterbewillige beispielsweise von einem nahen Angehörigen Medikamente, die in entsprechender Dosierung zum Tode führen. Diese Medikamente nimmt der Sterbewillige letzten Endes selbst zu sich.

Erfolgt dieser Medikamenteneinnahme innerhalb von drei Jahren seit Vertragsschluss und sind auch sonst keine Indizien erkennbar, die auf eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit hinweisen, greift der oben genannte Ausschlusstatbestand. Die Angehörigen des Sterbewilligen würden somit keine Versicherungsleistung aus einer Risikolebensversicherung erhalten.

Auf die Definition kommt es an

Etwas schwieriger ist die Rechtsfrage bei der sogenannten indirekten oder passiven Sterbehilfe zu beantworten. Eine so genannte indirekte Sterbehilfe liegt vor, wenn etwa ein Arzt einem Todkranken mit dessen Einverständnis schmerzlindernde Medikamente gibt, die als Nebenwirkung den Todeseintritt beschleunigen. Diese Art der Lebensverkürzung ist nicht strafbar. Sie ermöglicht dem Patienten einen Tod in Würde und in Schmerzfreiheit.

Zur sogenannten indirekten Sterbehilfe kommt es auch bei Patienten mit schweren Krebserkrankungen im Endstadium, denen dann hohe Dosen Morphium verabreicht werden.

Als sogenannte passive Sterbehilfe gilt der Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen bei einer tödlich verlaufenden Krankheit oder Verletzung. Dieses bewusste Sterben, etwa durch das Abschalten eines Beatmungsgerätes, ist ebenfalls zulässig und sogar geboten, wenn eine entsprechende Willenserklärung des Patienten vorliegt oder von den nahen Angehörigen glaubhaft nachgewiesen werden kann.

Im Unterschied zum erstgenannten Fall wird die letztlich zum Tod führende Handlung somit nicht durch den Versicherungsnehmer selbst, sondern durch Ärzte oder/und nahe Angehörige vorgenommen. Legt man den Wortlaut der oben genannten Regelung zugrunde greift der Ausschluss somit nicht, da sich der Versicherungsnehmer nicht „vorsätzlich selbst getötet hat“.

Allerdings erfolgen die vorgenannten Handlungen bei der indirekten Sterbehilfe regelmäßig mit seinem bewussten und bei der passiven Sterbehilfe zumindest mit seinem vermuteten Einverständnis. Da die sogenannte „Selbsttötungsklausel“ regelmäßig als Ausschluss in den Versicherungsverträgen geregelt ist, kann eine solche Handlung jedoch nur dann dem Versicherungsnehmer zugerechnet werden, wenn die Ärzte oder Angehörigen als Repräsentanten zu bewerten sind.

Als Repräsentanten gilt nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH derjenige, der Obhut-und Vertragsverwaltung über den Risikolebensversicherungsvertrag hat. Repräsentant kann danach grundsätzlich nur derjenige sein, der befugt ist, auf das Schicksal des Versicherungsvertrages Einfluss zu nehmen als auch derjenige, der die tatsächliche Obhut innehat (BGH-Urteil vom 21. April 1993; Gz.: VI ZR 34/92).

Legt man einmal diese Maßstäbe zugrunde, dürften weder Ärzte, die todkranken Versicherungsnehmern lebensverkürzende Schmerzmittel verabreichen, noch die nahen Angehörigen, die sich beispielsweise aufgrund einer Patientenverfügung gegen lebenserhaltende Maßnahmen entscheiden, Repräsentanten sein.