Schwellenländer sind anders Von minus 63 bis plus 1.000 Prozent

Patricia Ribeiro ist Senior-Portfoliomanager für Emerging Markets-Strategien bei der Fondsgesellschaft American Century Investments

Patricia Ribeiro ist Senior-Portfoliomanager für Emerging Markets-Strategien bei der Fondsgesellschaft American Century Investments

Aktive Fondsmanager stehen manchmal pauschal in der Kritik. Ein gängiger Vorwurf lautet, dass die meisten von ihnen den Markt nicht schlagen und trotzdem hohe Gebühren von den Anlegern kassieren. Richtig ist: Wer an effiziente Märkte glaubt, die alle verfügbaren Informationen adäquat einpreisen, der sollte wohl ein passives Investment auswählen. In einem ineffizienten Markt hingegen können aktive Manager deutliche und nachweisbare Mehrwerte generieren. Ein Paradebeispiel dafür sind die Emerging Markets.

Ineffizienz abseits der Industrieländer

Mit gezielter Titelselektion, Portfoliokonstruktion und gutem Risikomanagement schaffen es viele aktive Manager in den Emerging Markets, dauerhaft den Markt zu schlagen. Im Vergleich mit einem Investment in den iShares MSCI Emerging Markets ETF erzielten zwei Drittel der aktiven Emerging Markets-Fonds im Zeitraum zwischen Ende April 2003 und Ende Februar 2020 eine Überrendite. Das zeigt eine Auswertung der Performance von 210 aktiv verwalteten Emerging-Markets-Fonds des Datenanbieters FactSet. Nur das schlechteste Drittel der Fonds schnitt schlechter ab als das passive Investment. Interessant dabei: Die Überrendite des besten Drittels fällt beinahe doppelt so hoch aus wie die Underperformance des schlechtesten Drittels. 

Ein wesentlicher Grund für den positiven Wertbeitrag aktiver Manager in Emerging Markets ist die Ineffizienz dieser Märkte. Zwar verbessert sich der Zugang zu Informationen über die Unternehmen, doch unter dem Strich sind die Schwellenmärkte nach wie vor weniger effizient als die entwickelten Märkte. Informationen werden nicht so schnell eingepreist und verlässliche Daten sind teils schwieriger zu beschaffen. Im Vergleich zu den entwickelten Märkten decken weniger Finanzanalysten die aufstrebenden Unternehmen ab, und viele Wachstumsfirmen haben überhaupt keine Analystenabdeckung. Das ist bei kleineren Unternehmen besonders ausgeprägt.

Viele Firmen in den Emerging Markets sind zudem weniger transparent. Eine weniger gute Finanzberichterstattung, schlechterer Zugang zum Management sowie sprachliche und kulturelle Barrieren führen oft zu weniger Transparenz – auch mit Blick auf die Unternehmensführung. Dies führt zu einer größeren Streuung der Gewinnprognosen von Analysten, einer höheren Wahrscheinlichkeit von Gewinnrevisionen und mehr Überraschungen, sowohl positiver als auch negativer Art. In einem solchen Umfeld können gute Fundamentalanalyse und gezielte Titelauswahl den Unterschied machen.

Von minus 63 bis plus 1.000 Prozent

Die Titelauswahl ist aus einem weiteren Grund besonders wichtig: Die Volatilität in Emerging Markets ist deutlich höher als in entwickelten Ländern, während die Renditeverteilung auf die einzelnen Aktien besonders weit gespreizt ist. Wie hoch die Schwankungen sind, zeigt etwa die Standardabweichung von Emerging Markets-Aktien an, die zum Ende des Jahres 2019 bei einem hohen Wert von 17,08 lag. Indes belief sich die Standardabweichung von Aktien aus entwickelten Ländern (ex-USA) nur auf 14,53, wie FactSet-Daten belegen.

In einem ohnehin volatilen Markt ist zusätzlich eine große Kluft zwischen guten und schlechten Aktien zu beobachten. Das ist in einzelnen Jahren besonders extrem: Im Jahr 2006 beispielsweise brachte die schwächste Aktie im MSCI Emerging Markets Index ein Minus von 63 Prozent ein, während die stärkste Aktie ein Plus von über 1.000 Prozent einfuhr. Aktive Titelselektion ist in einem solchen Markt natürlich besonders vielversprechend.