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Geldpolitik in den Schwellenländern Rückgang der Inflation bietet Chancen in den Emerging Markets

Neubauten in Curitiba, im brasilianischen Bundesstaat Paraná

Neubauten in Curitiba, im brasilianischen Bundesstaat Paraná: Die Aussicht auf Zinssenkungen in den Schwellenländern in Verbindung mit einer stärkeren konjunkturellen Entwicklung wirkt sich positiv auf Lokalwährungs-Anleihen aus. Foto: Imago Images / Pond5

Peter Becker

Die Schwellenländer haben schon länger mit der Inflation zu kämpfen, das vergangene Jahr ist keine Ausnahme gewesen. Dafür habe es mehrere Gründe gegeben, so Becker: Steigende Rohstoffpreise infolge des Ukrainekriegs, Lieferketten-Probleme und schwache Schwellenländerwährungen seien Treiber des Preisauftriebs gewesen. Doch Becker ist überzeugt, dass sich die Vorzeichen ändern: Mit der Umkehrung des letztjährigen Anstiegs der Lebensmittel- und Energiepreise, der Lockerung von Lieferkettenengpässen und einem schwächeren US-Dollar habe sich die Inflation in den meisten aufstrebenden Volkswirtschaften sowohl im Monats- als auch im Jahresvergleich verlangsamt. Darüber hinaus seien die Inflationsüberraschungen, die in den letzten Jahren zumeist positiv ausfielen, nun im Allgemeinen negativ geworden. „Dieser Disinflationstrend dürfte sich in der zweiten Jahreshälfte fortsetzen“, blickte Becker voraus.

Entschlossene Zentralbanken

Hinzu komme die Tatsache, dass die Zentralbanken vieler Schwellenländer denen der Industrieländer voraus waren und die Zinssätze früher und aggressiver angehoben hätten, um die Inflation zu bekämpfen. Ein Beispiel für das entschlossene Vorgehen in den Emerging Markets habe die Notenbank von Brasilien gegeben, welche die Zinsen von 2 Prozent (Stand: Ende 2020) insgesamt auf die derzeit aktuellen 13,75 Prozent erhöht habe. Mit Erfolg: In Brasilien sei die Inflation bereits auf unter 4 Prozent gefallen. Das Land sei aber nur ein Beispiel für einen Markt in dem es einen positiven Realzins gebe, also einen Zinssatz, der abzüglich der Inflation positiv sei. „Es ergeben sich in den Emerging Markets historisch einmalige Gelegenheiten, da die Inflation fällt, gleichzeitig aber die Zinsen auf einem recht hohen Niveau sind.“

Entlastung auf der Angebotsseite

Ein wichtiger Aspekt bei der Betrachtung der Inflationsentwicklung sei zudem die Angebotsseite. In vielen entwickelten Märkten hätten die Regierungen in Corona-Zeiten Konjunkturprogramme aufgelegt. Gleichzeitig seien die Konsumenten damals jedoch gar nicht in der Lage gewesen, Geld auszugeben. „Die Sparqoute war im privaten Sektor daher recht hoch. In der Nach-Coronazeit floss dann viel Geld in den Konsum und führte zu Problemen auf der Angebotsseite“, erinnerte Becker. „In den Emerging Markets haben die Regierungen hingegen schlicht nicht genug Geld gehabt, um monetäre Anreize zu setzen. Es gibt auf der Angebotsseite daher auch keine Knappheit, was die Inflation abschwächt“, so der Experte.

 

Wann genau der Abwärtstrend bei den Leitzinsen Realität werde, sei schwierig zu prognostizieren. „Aber in Verbindung mit insgesamt vernünftigen Fundamentaldaten, relativ attraktiven Nominalzinsen sowie positiven Realzinsen in weiten Teilen der Schwellenländer sind Schwellenländeranleihen recht positiv zu bewerten“, sagte Becker.  

Angesichts der unterschiedlichen Politik- und Inflationsdynamik in den einzelnen Ländern sowie der verschiedenen relativen und absoluten Bewertungen der Emittenten komme es jedoch darauf an, selektiv vorzugehen. „Wir sehen in lateinamerikanischen Lokalwährungsanleihen angesichts der Kombination aus attraktiven Nominal- und positiven Realzinsen, moderater Inflation und proaktivem Verhalten der Zentralbanken ein Wertpotenzial“, erklärte der Experte. Die makroökonomischen Bedingungen sähen jetzt besser aus als Ende letzten Jahres und die Tendenz zu positiveren Fundamentaldaten dürfte die Bedenken hinsichtlich politischer Risiken in diesen Ländern vorerst überwiegen. Die mittel- und osteuropäischen Länder würden hingegen noch immer mit der Eindämmung der Inflation kämpfen – und die realen Zinssätze seien nach wie vor negativ – die Region beginne jedoch, attraktiver zu werden.

Eine Frage des US-Dollars

Schließlich werde auch der US-Dollar eine wichtige Rolle spielen, da es für die Zentralbanken der Schwellenländer schwierig sein werde, in einem Umfeld mit starkem Greenback und schwacher lokaler Währungen die Zinsen zu senken. Ein starker US-Dollar habe die Zentralbanken der Schwellenländer in der Vergangenheit oft dazu gezwungen, die Zinsen zu erhöhen, während eine schwächere US-Währung es ihnen ermöglicht habe, die Zinsen zu senken. „Abgesehen davon, dass der US-Dollar nach fast allen Bewertungsmaßstäben überbewertet ist, gibt es jetzt eine Reihe von Faktoren, die für einen schwächeren Dollar sprechen, darunter das bevorstehende Ende des Zinserhöhungszyklus der Fed und die Wiedereröffnung Chinas“, unterstrich Becker. Auch wenn noch nicht klar ist, dass die Hausse des US-Dollars eine Wende genommen hat, dürfte seiner Meinung nach der größte Teil des allgemeinen Aufwertungszyklus der US-Währung hinter den Märkten liegen.

Außenbilanzen verbessern sich

Hinzu komme: Die fundamentalen Aussichten für die Schwellenländer sähen konstruktiv aus, was eine Trendwende bei den Schwellenländerwährungen gegenüber dem Dollar unterstützen könnte. „Die Inflation und die Sorge um die Lebenshaltungskosten haben Druck auf die Haushaltsdefizite ausgeübt, die im Vergleich zu früheren Höchstständen in den Schwellenländern hoch sind, obwohl die öffentliche Verschuldung immer noch unter dem Niveau der Industrieländer liegt und überschaubar bleibt“, stellte Becker fest. Die Devisenreserven seien in gewissem Umfang geschrumpft, doch hätten sich die Außenbilanzen vieler Schwellenländer dank unterbewerteter Wechselkurse allgemein verbessert.

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