Schritt in die richtige Richtung Perfektion ist bei Nachhaltigkeit der falsche Ansatz

Frank Huttel, Leiter Portfoliomanagement bei Finet Asset Management: „Unter Privatanlegern hält knapp jeder zweite nachhaltige Investments für interessant“.

Frank Huttel, Leiter Portfoliomanagement bei Finet Asset Management: „Unter Privatanlegern hält knapp jeder zweite nachhaltige Investments für interessant“. Foto: Finum AM

Unsere Erde gerät an ihre Grenzen. Klimawandel, Artensterben, die Plastikflut in den Weltmeeren, Luftverschmutzung, belastete Gewässer, gerodete Wälder – die Liste der Warnmeldungen ist lang. Nur noch wenige Jahre bleiben, dann kippt das Klima, dann gerät die Welt und somit unser Leben außer Kontrolle. Das ist, was die Forscher sagen, das ist, worauf sich Greta Thunberg, Rezo und all die anderen Klimaretter berufen.

Und Deutschland reagiert: Die Jugend geht seit Monaten für den Klimaschutz auf die Straßen, viele machten bei der Europawahl Ende Mai erstmals bei der Klimapartei schlechthin ihr Kreuz, bei den Grünen. Doch reden und wählen sind eine Sache. Das eigene Geld eine andere – zumindest in Deutschland. Hier wird das Thema Nachhaltigkeit in der Geldanlage von vielen noch kritisch beäugt. Zurecht?

Begeben wir uns auf Spurensuche: Früher als unrentable Anlageklasse für Gutmenschen abgestempelt, hat nachhaltige Geldanlage im Jahr 2019 längst die unliebsame Nische der Vergangenheit verlassen. Investieren nach ökologischen, sozialen und gesellschaftlichen Aspekten ist heute vor allem bei institutionellen Investoren wie Stiftungen, Pensionskassen und Kirchen gefragt. Das Argument, dass die Produkte eine geringere Rendite abwerfen könnten als klassische Angebote, lässt sich entkräften: Die Statistik spricht hier eine andere Sprache.

Das schnelle große Geld ist allerdings bei nachhaltigen Geldanlagen nicht zu erwarten. Aber bei klassischen Anlagen eben auch nicht. Das heutige Zinsumfeld relativiert ohnehin das Anspruchsdenken der Anleger. Bei den Privatanlegern hält knapp jeder zweite Anleger nachhaltige Investments für interessant, immerhin zwölf Prozentpunkte mehr als noch vor fünf Jahren. Das zeigt eine aktuelle Umfrage der Fondsgesellschaft Union Investment. Wenn die Entwicklung so weitergeht, sollten bald alle Zweifler überzeugt sein. Dabei spielt für drei Viertel der Befragten das nachhaltige Handeln eine wichtigere Rolle als das Erzielen kurzfristiger Gewinne.

Die Möglichkeiten im Segment nachhaltige Geldanlagen sind groß - von ethischen Banken, „grünen“ Sparbüchern bis hin zu nachhaltigen Fonds. Auch gibt es smarte Software-Lösungen, die eine anlagezielbasierte hybride Beratung ermöglichen. Hier vereint sich das Know-how aktiv gemanagter Fonds mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit mit der Kostenreduzierung einer hocheffizienten Softwarelösung. Dieser „Hybriden-Robo-Beratung“ - zu der auch Vividam zählt - also einer Mischform aus Robo-Advisor und persönlicher Beratung, gehört aus unserer Sicht die Zukunft.

Noch fehlt eine gesetzliche Definition, was denn Nachhaltigkeit eigentlich genau ist. Momentan dürfen Fondsgesellschaften Begriffe wie „nachhaltig“ und „grün“ noch weitgehend frei verwenden. Verwirrend ist dabei weniger die stattliche Zahl von mehreren Hundert Angeboten am Markt, als vielmehr die unterschiedlichen Ausprägungen und Auslegungen. Genau an diesem Punkt bemängeln interessierte Anleger häufig fehlende Transparenz.

Wo Nachhaltigkeit draufsteht, muss auch Nachhaltigkeit drin sein. Dieser Anspruch scheint selbstverständlich. Anleger formulieren ihn immer dann besonders lautstark, wenn wieder einmal aufgedeckt wird, dass Nachhaltigkeitsfonds Bekleidungsunternehmen enthalten, deren angeblich sozialverträglich hergestellten Textilien unter kaum zumutbaren Bedingungen entstehen, oder dass ethische Fonds Rüstungstitel enthalten. Hier stellt sich aber nicht die Frage, wie es dazu kommen kann, sondern stattdessen: „Ist 100 Prozent Nachhaltigkeit überhaupt möglich?“

Um diese Frage einmal neutral für sich selbst beantworten zu können, hat Vividam unlängst für eine seiner Strategien, die Vividam Nachhaltig 50, von der unabhängigen Ratingagentur Your SRI in Liechtenstein ein Rating durchführen lassen. Dieses hatte vor allem zwei Ziele: Erstens eine interne Kontrolle der eingesetzten Investmentfonds und zweitens eine Dokumentation der Nachhaltigkeit und der Vividam-Philosophie nach außen in Richtung der Endkunden. Schaut man sich die Zusammenfassung des Ratings an, so hat die Strategie Vividam Nachhaltig 50 bei einem Score von 6,5 von 10 die höchste Ratingstufe A erhalten. Im Peer-Group-Vergleich wurde ein Score von 85 von 100 Punkten erzielt. Das ist die höchste Stufe und wird mit der Auszeichnung „5 Diamanten“ belohnt.

Dennoch gab es im Portfolio zwei Titel, die gegen den UN Global Compact verstoßen. 100 Prozent Nachhaltigkeit ist demzufolge schwierig, wenn nicht sogar unmöglich. Schlussendlich muss der Kunde entscheiden, ob die Ergebnisse eines solchen Ratings für ihn ausreichend sind und seinen Werten entsprechen.

Als Reaktion will die EU nun im Rahmen eines Aktionsplans zur Finanzierung nachhaltigen Wachstums festlegen, was Nachhaltigkeit genau bedeutet. Ab 2020 sollen sich Anleger nach und nach mehr mit dem Thema beschäftigen. Kunden werden dann beispielsweise beim Fondskauf gefragt, ob es nicht doch ein sozial-ökologisches Produkt sein darf. Das wird der Nachfrage privater Anleger einen weiteren Schub verleihen.

Unterm Strich verdichten sich in der zunehmend globalisierten Welt die wirtschaftlichen Verflechtungen: Unternehmen vieler Branchen haben heute Tausende Zulieferer, die das Unternehmen direkt beliefern oder indirekt über weitere Zuliefererbetriebe. So ergeben sich lange und teilweise sehr komplexe Zuliefererketten, Zulieferer der zweiten, dritten oder achten Reihe fallen häufig durchs Kontrollraster.

Aus gutem Grund haben viele Nachhaltigkeitskonzepte daher gewisse Toleranzschwellen. Perfektion wird man demzufolge auch hier vergeblich suchen, doch eines ist sicher: Wer sich für eine nachhaltige Geldanlage entscheidet, macht einen Schritt in die richtige Richtung und muss sich gleichzeitig nicht vor mangelnder Rentabilität fürchten.


Über den Autor:
Frank Huttel ist Leiter Portfoliomanagement bei Finet Asset Management, das seit Ende 2018 den Robo Advisor Vividam betreibt. Als Händler und Portfoliomanager hat er in 25 Jahren Erfahrungen in fast allen Anlageklassen gesammelt. Seit Januar 2019 ist er als SRI Advisor (EBS) zertifiziert.

 

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