Basel IV: Werden Gewerbeimmobilien ungerecht behandelt?
Die aktuelle Überarbeitung des Basel-Regelwerks unter dem Stichwort Basel IV strebt nun eine möglichst hohe Vergleichbarkeit durch eine Fokussierung auf Standardmodelle zur Risikobewertung an. Dabei setzt sie zugleich auf eine noch stärkere Differenzierung zwischen verschiedenen Risikoklassen als bisher. Erklärtes Ziel ist, die Eigenkapitalanforderungen insgesamt nicht noch einmal signifikant steigen zu lassen. Dennoch dürfte es zu signifikanten Veränderungen des Eigenkapitals in verschiedenen Darlehenssegmenten kommen – und zwar in beide Richtungen. Das gilt nicht zuletzt auch für Immobilienfinanzierungen. Hier ist mit beträchtlichen Auswirkungen zu rechnen, mindestens auf dem Kapitalmarkt, eventuell auch auf den Immobilienmärkten selbst.
Am wenigsten Veränderung ist zunächst bei Wohnimmobilienfinanzierungen zu erwarten. Diese werden auch unter der mit Basel IV einzuführenden LTV-Orientierung bevorzugt behandelt. Sehr konservative Finanzierungen mit einem LTV von weniger als 50 Prozent etwa erhalten eine Risikogewichtung von lediglich 20 Prozent. Bei einem LTV zwischen 60 und 80 Prozent liegt die Risikogewichtung bei 30 Prozent. Bei LTVs über 100 Prozent dagegen steigt sie dramatisch an – auf 70 Prozent. Alle an dieser Stelle genannten Zahlen haben allerdings einen Haken: Sie gelten nur für Finanzierungen, bei denen die Rückzahlung nicht von Cashflows aus der Immobilie selbst abhängt. Das dürfte zwar bei Eigenheimfinanzierungen der Standard sein, nicht aber bei von Unternehmen finanzierten, vermieteten Immobilien. Die Risikogewichtung solcher Finanzierungen nämlich steigt signifikant an. Bei einem LTV zwischen 60 und 80 Prozent etwa liegt sie bei 45 Prozent, also um 50 Prozent höher als bei Finanzierungen, die nicht vom Immobilien-Cashflow abhängig sind. Ähnliches gilt für Gewerbeimmobilien – wenn auch auf einem höheren Niveau. Die Risikogewichtung einer Gewerbeimmobilienfinanzierung mit einem LTV zwischen 60 und 80 Prozent, deren Rückzahlung vom Cashflow der Immobilie selbst abhängig ist, liegt unter Basel IV bei satten 90 Prozent.
Wird diese Art der Differenzierung den Verhältnissen am deutschen Immobilienmarkt gerecht? Und darf man diesen Anspruch an ein regulatorisches Regelwerk von globaler Reichweite überhaupt haben? Die Antwort auf beide Fragen lautet: Nein. Gerade die ungünstige Bewertung der Risiken von Gewerbeimmobilien erscheint angesichts der langjährigen Stabilität des deutschen Gewerbeimmobilienmarktes mit sehr niedrigen Verlustquoten überzogen und ungerecht. Andererseits funktioniert ein globaler Regulierungsrahmen eben nur, wenn seine Komplexität beherrschbar bleibt. Dafür wiederum ist es unabdingbar, eben nicht auf jede nationale oder regionale Besonderheit Rücksicht zu nehmen – und sei sie auch noch so berechtigt.
Gleichwohl helfen diese theoretischen Erwägungen den auf die Immobilienfinanzierung spezialisierten Banken hierzulande nicht – ebenso wenig wie Immobilieninvestoren und -entwicklern, die mit steigenden Kapitalkosten rechnen müssen. Panik ist dennoch fehl am Platz. Denn wie schon im Fall von Basel III spielt sich auch die Einführung von Basel IV nicht im luftleeren Raum ab. Vielmehr ist Basel IV nur einer von mehreren Faktoren, die sich teils verstärken, teils gegenseitig eliminieren.
Nach wie vor sind Immobilienpreise schließlich ganz maßgeblich durch das Zinsumfeld getrieben – und das allgemeine Zinsniveau unterliegt einem seit Jahrzehnten andauernden Abwärtstrend. Gleichzeitig hat sich das Beleihungsniveau im Mittel substantiell verringert: Während noch vor 30 Jahren 100-Prozent-Finanzierungen für Gewerbeimmobilien üblich waren, sind es heute eher 50 bis 60 Prozent. Dadurch sinkt einerseits der Fremdkapitalbedarf, andererseits auch die Risikogewichtung unter Basel IV. Schließlich ist der Kapitalmarkt gerade bei Immobilienfinanzierungen in den vergangenen Jahren immer diverser geworden.
In den USA als traditionellem Vorreiter gibt es inzwischen einen munteren Wettbewerb zwischen traditionellen Banken, Mortgage REITs, Darlehensfonds und Private-Equity-Unternehmen. Ein ähnlicher Trend lässt sich auch hierzulande beobachten: Neue Finanzierungsformen wie Darlehensfonds oder auch Crowdfunding machen den klassischen Banken zunehmend Konkurrenz, setzen Kreditmargen unter Druck und erleichtern Prolongationen. Hinzu kommt, dass auch die Renditeerwartungen von Eigenkapitalgebern in den vergangenen Jahren immer geringer geworden sind.
Kurzum: Basel IV wird den Immobilienmarkt in Deutschland vermutlich zu Anpassungen zwingen, aber nicht nachhaltig schädigen. Wie bei jeder tiefgreifenden Neuerung wird es Gewinner und Verlierer geben – und wer sich frühzeitig mit den Auswirkungen des Regulierungspaketes auf sein Geschäft beschäftigt, hat gute Chancen auf der richtigen Seite zu stehen.
Über den Autor:
Nikolai Dëus-von Homeyer ist Geschäftsführer von NAS Invest.