Rückwirkend bis 1. Januar 2009 Verfassungsgericht kippt Regelungen der Grunderwerbsteuer

Alexander Lehnen ist Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Crowe Kleeberg Real Estate

Alexander Lehnen ist Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Crowe Kleeberg Real Estate

Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist grundsätzlich die Gegenleistung, das heißt der Kaufpreis einer Immobilie. In allen Fällen, in denen eine explizite Gegenleistung für die Übertragung des Grundstücks nicht existiert oder ermittelbar ist, regelt Paragraf 8 Absatz 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) die Anwendung der sogenannten Ersatzbemessungsgrundlage in Form des Bedarfswerts nach den Paragrafen 138 fortfolgende des Bewertungsgesetz.

Dies betrifft hauptsächlich all diejenigen Fälle, bei denen es aufgrund der Übertragung von Anteilen an grundbesitzenden Personen- oder Kapitalgesellschaften oder durch Umwandlungen zum Anfall von Grunderwerbsteuer kommt.

Das Urteil

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit Beschluss vom 23. Juni 2015 (Veröffentlichung am 17. Juli 2015) entschieden, dass die Regelung über die Ersatzbemessungsgrundlage im Grunderwerbsteuerrecht mit dem Gleichheitssatz nach Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes unvereinbar ist. Bringt der Gesetzgeber eine Ersatzbemessungsgrundlage zur Anwendung, muss diese, um dem Grundsatz der Lastengleichheit zu genügen, Ergebnisse erzielen, die denen der Regelbemessungsgrundlage weitgehend angenähert sind.

Der Ersatzmaßstab des Paragraf 8 Absatz 2 GrEStG, der auf das Bewertungsgesetz verweist, führt jedoch zu einer erheblichen und sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung gegenüber dem Regelbemessungsmaßstab, der an die Gegenleistung des Erwerbsvorgangs anknüpft.

Der Gesetzgeber ist verpflichtet, spätestens bis zum 30. Juni 2016 rückwirkend zum 1. Januar 2009 eine Neuregelung zu treffen. Bis zum 31. Dezember 2008 ist die Vorschrift weiter anwendbar.

Auswirkungen auf die Praxis

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist im Grundsatz nicht überraschend. Denn die Werte, die nach den Bewertungsregeln der Paragrafen 138 fortfolgende des Bewertungsgesetzes (BewG) ermittelt wurden, lagen regelmäßig weit unter den Verkehrswerten der bebauten oder unbebauten Grundstücke.

Allerdings war nicht zu erwarten, dass das Bundesverfassungsgericht die Unanwendbarkeit des Paragraf 8 Absatz 2 GrEStG rückwirkend ab dem 1. Januar 2009 beschließen würde.

Das Gericht führt zwar aus: „…Steuerpflichtigen musste nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. November 2006 (dieser erging unter anderem zur Bewertung von Immobilien für Erbschaft- und Schenkungssteuerzwecke) klar sein, dass die Bewertungsregeln der Paragrafen 138 fortfolgende BewG zu erheblichen Ungleichheiten führen, die mit großer Wahrscheinlichkeit auch die Grunderwerbsteuerbemessung betreffen würden.“

Allerdings war in der Beraterschaft eher erwartet worden, dass man – wie bei der Erbschaftsteuer – dem Gesetzgeber aufgeben würde, bis zum 30. Juni 2016 eine Neuregelung mit Wirkung ab Veröffentlichung des neuen Gesetzes zu treffen.