Welche Vorteile hat Blackrock gegenüber kleineren Asset Managern?
Wang: Als einer der größten Vermögensverwalter der Welt vertrauen mehr Kunden Blackrock ihr Vermögen an als jedem anderem Hause, weltweit. Das bedeutet für uns eine enorme Verantwortung und Vertrauen und für unsere Kunden Chancen in der Zusammenarbeit. Die Vorteile durch die Skalierung aus Sicht des Lösungsangebots haben wir schon angesprochen. Für unsere Lösungen selbst bedeutet das auch, dass unsere Kunden beispielsweise von Kostenvorteilen durch Skalierungseffekte in der Implementierung und Exekution profitieren könnten. In bestimmten Anlageklassen – wie Emerging Markets – ist unsere globale Präsenz gleichzeitig essenziell für ein effektives Management. Wir können in jeder wichtigen Zeitzone handeln, haben spezialisierte Teams und können damit dediziertes Management bieten.
Schlussrunde: Welche mittel- bis langfristige Erwartung haben Sie an das Zinsumfeld und die Rentenmärkte?
Jurczyk: Da sich die Volatilität der Anleihen, beispielsweise gemessen am sogenannten Move-Index für US-Staatsanleihen, derzeit auf historischen Höchstständen befindet, gehen wir in mittelfristiger Sicht von einem deutlichen Rückgang dieser Volatilität aus. Aufgrund der hohen Staatsverschuldung, die bei einem dauerhaft hohen Zinsniveau kaum finanzierbar wäre, gehen wir nicht von weiter deutlich steigenden Langfristzinsen aus. Wir erwarten eher, dass es in den Jahren 2023 und 2024 wieder Lockerungsmaßnahmen seitens der Geldpolitik geben wird, um das Wirtschaftsgeschehen zu unterstützen. Dazu wird gegebenenfalls ein moderat erhöhtes Inflationsniveau seitens der Zentralbanken akzeptiert. Entsprechend wird das Realzinsniveau auch weiterhin historisch niedrig bleiben. Folglich sehen wir bereits auf dem derzeitigen Niveau durchaus die Attraktivität von Staatsanleihen mit langer Duration steigen. Außerdem glauben wir, dass Staatsanleihen ihre traditionelle Absicherungsfunktion im Falle von Verwerfungen am Kapitalmarkt mittelfristig wieder erfüllen werden.
Orthgieß: Im Augenblick befinden wir uns in der Schockphase. Diese wird vermutlich so lange anhalten, bis die am Aktienmarkt bereits teilweise eingepreiste Rezession tatsächlich da ist. Von dem Zeitpunkt an werden Anleihen wieder der bekannte stabilisierende Baustein im Portfolio sein. Fu?r die langfristigen Aussichten ist entscheidend, wie ausgeprägt die bevorstehende Rezession sein wird. Dies bestimmt das Zinsniveau und die Ausfallraten. Dann sollte ein gutes Bondpicking wieder ein wichtiger Erfolgsfaktor werden, und es heißt raus aus den Corporate-Bond ETFs.
Franck: Ich denke, dass die Rentenmärkte inzwischen viele Risiken eingepreist haben. Die Notenbanken werden auf Sicht die Geschwindigkeit der Zinserhöhungen reduzieren, die aktuellen Zinsen kompensieren in Teilen bereits das Inflationsmuster. Wir gehen davon aus, dass sich Mitte 2023 die Kapitalmärkte beruhigen und wieder prognostizierbarer werden.
Shulman: Der europäische Anleihemarkt musste sich wie andere Anleihemärkte in der ganzen Welt mit der harten neuen Realität der hohen Inflation auseinandersetzen. Die Staatsanleihen der baltischen Länder und der osteuropäischen Länder wie Polen, Ungarn und der Slowakei waren stärker betroffen als die der westeuropäischen Länder. Betrachtet man die Staatsanleihen der Eurozone, ergibt sich die folgende Verteilung: Deutsche und niederländische Staatsanleihen weisen relativ niedrige Renditen auf, während baltische, italienische und griechische Anleihen höhere Renditen bieten.
Vogt: An den Rentenmärkten der etablierten Regionen Europa und Nordamerika wird auf absehbare Zeit kein realer Ertrag zu verdienen sein. Würde Frau Lagarde das Zinsniveau auf ein angemessenes Niveau zur Inflationseindämmung anheben, droht in Europa eine Krise epischen Ausmaßes. Daher erwarten wir anhaltend negative Realzinsen, denn die Inflation wird kurzfristig nicht wieder auf Regionen um 2 Prozent zurückgehen. Es bestehen unverändert hohe Kursrisiken, die nicht durch Nominalrenditen kompensiert werden.
Über die Gesprächsteilnehmerinnen und -Teilnehmer:
- Anja Franck, Geschäftsführerin der Pardus Capital in Hamburg. Sie betreut seit 2003 vermögende Privatkunden und Unternehmer. Zuvor war sie bei der BHF Bank, Marcard, Stein & Co und der Dresdner Bank tätig.
- Boris Jurczyk ist seit Juli 2020 bei Auretas family trust zuständig für die liquide Vermögensverwaltung. Er ist verantwortlich für Themen der strategischen und taktischen Asset-Allokation sowie die Auswahl externer Investmentmanager.
- Alexander Orthgieß startete 2000 bei der Döttinger/Straubinger, war seit 2010 im Vorstand. Nach der Fusion mit dem Family Office Spudy & Co zu Auretas Family Trust. 2015 war er in der Geschäftsleitung. 2019 gründete er Bagus Capital.
- Smadar Shulman ist Leiter Fixed Income Indices EMEA bei S&P Dow Jones Indices. Sie leitet das Produktmanagement und die Strategie, einschließlich ESG-Initiativen für festverzinsliche Wertpapiere und neue Produkte.
- Christoph Vogt war zuletzt bis 2013 bei Vattenfall Europe im Treasury für das Management der Nuclear Funds zuständig. 2013 schloss er sich Format an. Erst als Portfoliomanager, später als Geschäftsführer und seit Februar 2022 im Beirat.
- Matthias Wang ist Mitglied des Fixed Income Product Strategy Teams von Blackrock. Er arbeitet an Thought-Leadership-Themen zu festverzinslichen Märkten und ETFs sowie an der Entwicklung neuer Anleihen-ETFs.