Roundtable Zwischen Zinswende und Inflation – Experten diskutieren die Zukunft der Rentenmärkte

Von links: Boris Jurczyk (Auretas Family Trust), Matthias Wang (Blackrock), Anja Franck (Pardus Capital), Smadar Shulman (S&P Dow Jones Indices), Alexander Orthgieß (Bagus Capital) und Christoph Vogt Format (Format).

Sie nahmen am Roundtable teil (von links): Boris Jurczyk (Auretas), Matthias Wang (Blackrock), Anja Franck (Pardus Capital), Smadar Shulman (S&P Dow Jones Indices), Alexander Orthgieß (Bagus Capital) und Christoph Vogt Format (Format). Foto: Auretas, Blackrock, Pardus Capital, S&P Dow Jones Indices, Bagus Capital, Format

private banking magazin: Es gibt wieder Zinsen und endlich klebt vorn wieder was drauf. Willkommen zu einem Renten-Roundtable. Wir starten mit einem kleinen Überblick und einer Frage an die Vermögensverwalter: Wie bewerten Sie die Chancen an den weltweiten Rentenmärkten?

Boris Jurczyk: Zunächst einmal lohnt sich aus unserer Sicht derzeit wieder verstärkt ein Blick auf langlaufende Staatsanleihen. Im Falle einer Rezession und einer damit einhergehenden wahrscheinlichen Abkehr von der rigiden Geldpolitik gibt es hier wieder Kurschancen. Auf der anderen Seite lohnt sich ein Blick auf ausgewählte High-Yield-Segmente, da die Carry dort in den vergangenen Monaten deutlich angestiegen ist. Nicht zuletzt gewinnen auch Emerging-Markets-Bonds an Attraktivität. Bei den beiden letztgenannten Anleihesegmenten sind auf jeden Fall detaillierte Analysen notwendig, weil dort eine große Heterogenität zwischen einzelnen Ansätzen herrscht.

Boris Jurczyk, Leiter liquide Assets bei Auretas Family Trust.
Boris Jurczyk, Leiter liquide
Assets bei Auretas Family
Trust. © Auretas

Alexander Orthgieß: Solange die Notenbanken die Zinsen anheben und die Renditen der Staatsanleihen nicht in gleichem Umfang mitziehen, werden die jeden Tag besser, denn die Bond-Märkte beginnen eine Rezession einzupreisen. Der ein oder andere Rentenmanager spricht sogar schon von einer Depression, wenn die Notenbanken die Geldpolitik zu stark straffen.

Anja Franck: Wir stehen kurz vor einem Zinserhöhungs-Peak Zyklus. Es wird wohl weitere Erhöhungen geben, allerdings mit abnehmendem Momentum. Wer jetzt einsteigt, erhält  wieder positive Realrenditen. Wieder besser funktionierende Lieferketten, fallende Preise für konjunktursensitive Industriemetalle und teilweise sinkende Energiepreise treiben die Inflation und werden letztlich über Basiseffekte getrieben zu fallenden Zinsen führen. Das ist eine außerordentlsiich interessante Konstellation.

Christoph Vogt: Ich bin da etwas vorsichtiger. Die Risiken sind immer noch größer als die Chancen. Zu den Kursrisiken werden sich in Europa mehr und mehr Ausfallrisiken gesellen. Da die USA deutlich besser aufgestellt sind, könnten sich dort kurzfristig Trading-Chancen ergeben. Im High-Yield-Sektor dürften sich die Spreads allgemein ausweiten, daher ist insbesondere in Europa größte Vorsicht geboten. Chancen sehen wir in ausgesuchten Nischenmärkten, etwa bei Nachranganleihen.

Inflation und beherzt gegensteuernde Notenbanken – wann haben Sie das zum ersten Mal erlebt und was ist dabei passiert?

Franck: Zwischenzeitliche Zinssteigerungen gab es häufig. In der Regel waren diese aber eher über den Realzinsanteil getrieben. Inflationsbedingte Steigerungen gab es eigentlich mit kurzen Ausnahmen seit Ende der 80er Jahre nicht mehr. Somit vor unserer Zeit.

Vogt: Richtig. Das war in den späten 80er Jahren. Mein Wirtschaftsstudium hatte noch gar nicht begonnen und ich bekam die Macht der Fed zu spüren. In einem labilen Umfeld sorgte unter anderem die Anhebung des kurzfristigen US-Zinssatzes für den Crash am Aktienmarkt. Der ‘Schwarze Montag‘ am 19. Oktober 1987 hat den Dow-Jones-Index um 22,6 Prozent abstürzen lassen. Obwohl die Zinsbewegung nur marginal war, hat allein die Furcht vor einer deutlichen Zinswende zur Inflationsbekämpfung für Panik an den Aktienmärkten gesorgt.

Anja Franck, Geschäftsführerin der Pardus Capital in Hamburg
Anja Franck, Geschäftsführerin
der Pardus Capital in Hamburg
© Pardus Capital

Orthgieß: Aus heutiger Sicht war Inflation in den vergangenen 20 Jahren kein wirkliches Thema. Sie wurde zwar jahrelang als Teufel an die Wand gemalt, kam aber nie. Zinserhöhungen gab es dagegen in den vergangenen Zyklen bekanntlich immer mal wieder. Seinerzeit waren die normal, um die Konjunktur vor Überhitzung zu schu?tzen. Sie hatten damals nicht diese verstörende Wirkung auf nahezu alles. Alles war eine Nummer kleiner als heute – ein bisschen heile Welt aus heutiger Sicht.

Jurczyk: Für mich war Inflation bislang eher ein Lehrbuchthema. Gerade für quantitative Analysen heutzutage schwer zu greifen, da die statistische Grundgesamtheit sehr gering ist und vergangene inflationäre Phasen nicht unbedingt mit der heutigen vergleichbar sind. Zinsschritte nach oben sind da schon eher ein Thema, das im Laufe meines beruflichen Werdegangs bereits mit Relevanz aufgetreten ist. Ich erinnere mich zum Beispiel gut an die Zinsanhebung der EZB unter Mario Draghi im Jahre 2011, die sich rasch als geldpolitischer Fehler herausgestellt hat und noch im selben Jahr korrigiert wurde.