private banking magazin: Finanzholding, Stiftung, Haftungsdach: Sie sind heute mit ganz unterschiedlichen Nachfolgemodellen zu uns gekommen. Verschlafen andere Kollegen aus der Vermögensverwaltung die Nachfolgeplanung?
Artur Montanhas (HRK Lunis): In der Branche haben wir alle das gleiche Problem: Mitarbeiter und Geschäftsführer haben ein gewisses Alter. Als Gründer fällt es schwer, loszulassen – das ist menschlich. Gleichzeitig fehlt eine Generation, die in der Breite nachkommt. Aber es gibt verschiedene Lösungswege. Ob Verkauf an einen Private-Equity-Investor, wie bei uns HRK Lunis, oder andere Modelle – jeder sollte das Angebot am Markt kennen, um für sich das passende Modell zu finden und einen attraktiven Preis zu erzielen.
Thomas Buckard (MPF): Selbst wenn ich an einen Private-Equity-Investor verkaufe, brauche ich trotzdem junge Mitarbeiter. Wir als größerer und eigentümergeführter Vermögensverwalter müssen sogar Talente finden, die nicht nur Kunden betreuen, sondern auch unternehmerisch mit eigenem Risiko tätig sein wollen. Klar ist: Gründer, die auf einen maximalen Verkaufspreis aus sind, werden den nicht erzielen, indem sie ihr Unternehmen auf einen Nachfolger übertragen. Der kann den Kaufpreis, den ein Private-Equity-Investor zahlt, niemals stemmen. Wir sind im Verband der unabhängigen Vermögensverwalter gerade dabei, die Mitglieder zu aktivieren, sich frühzeitig mit ihrer Nachfolge zu beschäftigen – nicht erst mit Ende 60.
Kai Heinrich (Plutos): Wer den optimalen Verkaufspreis erzielen will, ist in größeren Strukturen sicherlich besser aufgehoben als bei einem Modell wie bei Herrn Buckard oder bei uns. Für den Abgebenden ist es eine grundsätzliche Entscheidung, ob er ein größeres Unternehmen mit vielen Optionen oder ein eigentümergeführtes bevorzugt.
Anton Vetter (BV&P): Nur finde ich es unverantwortlich gegenüber Mitarbeitern und Kunden, wenn ein 80-jähriger Inhaber noch immer nicht loslässt, weil er sich nicht entscheiden kann. Das ist ein echtes Risiko für die Zukunft des Unternehmens und alle Beteiligten.
Heinrich: Wer dann die Nachfolge nicht geregelt hat, hat sie tatsächlich verschlafen.
Stefan Schmitt (Inno Invest): Was viele Vermögensverwalter obendrein versäumen: Sie investieren nicht in die Infrastruktur, nicht in die eigene Marke und Produkte. Jeder sucht vielleicht einen personellen Nachfolger, aber der Wert des Unternehmens wäre deutlich höher, wenn es eine zeitgemäße Infrastruktur hätte. In diese Lücke wollen wir als Haftungsdach stoßen. Wir bieten die Infrastruktur, damit Vermögensverwalter ihre Ressourcen ins Personal investieren können.
Vetter: Aber was hat das mit Nachfolgeplanung zu tun? Am Ende muss ich konkrete Nachfolger finden, die übernehmen – egal ob unter einem Haftungsdach oder in einem anderen Modell.
Schmitt: Für mich umfasst Nachfolgeplanung auch, dass ich entspannt noch zehn Jahre weiterarbeiten kann, während ich mich schrittweise von der Lizenz löse. Das war ja mein Punkt: Viele Vermögensverwalter wollen weiter bestehen, können aber nicht gleichzeitig in Infrastruktur und Personal investieren. Über uns können sie gewisse Dinge auslagern. Oder: Wir beraten die Kunden der Vermögensverwalter nach ihrem Ausscheiden weiter und verrenten quasi die Einkünfte, sodass sogar ihre Erben noch 50 Prozent der Provisionen erhalten. Das lohnt vor allem für kleinere Vermögensverwalter.
Andere Nachfolgemodelle dürften dagegen erst ab einer gewissen Größe infrage kommen.
Heiko Holzgräber (HPM): Wir sind ein kleinerer Vermögensverwalter, bei uns war die Volumenfrage trotzdem nicht das Entscheidende. Wichtiger war, wie wir die Interessen aller Beteiligten und insbesondere der Mitarbeiter in Einklang bringen. Jeder muss für sich als Unternehmer vor allem entscheiden, wen er mit an den Tisch holt. Will ich als Gesellschafter allein entscheiden? Hole ich mir Investoren oder Partner in den Gesellschafterkreis? Wie verhindere ich, dass die zukünftige Generation mit meiner Lösung fremdelt? Da ist die Größe eines Vermögensverwalters zweitrangig.
„Die Regulatorik können kleine Institute kaum noch allein bewältigen.“
Buckard: Mit 100 oder 150 Millionen Euro verwaltetem Vermögen ist es aber trotzdem schwierig, eine Nachfolge zu finden. Die Regulatorik – Compliance, Mifid II, Dora, Nachhaltigkeit – können kleine Institute kaum noch allein bewältigen. Da gibt es dann drei Optionen: Verkauf, Fusion beziehungsweise Integration, oder das Unternehmen auslaufen lassen und mit den Kunden zu einem bestehenden Vermögensverwalter wechseln.
Montanhas: Ich sehe bereits große Probleme für unabhängige Vermögensverwalter unter 500 Millionen Assets. Langfristig erschweren die eben angesprochenen Punkte die Arbeit – und das sehe ich noch stärker in der Schweiz, wo der Markt viel kleinteiliger ist. Wenn wir mit HRK Lunis also investieren, machen wir unter 500 Millionen Euro nur Asset Deals, keine Share Deals. Erst darüber schauen wir, ob wir die Firma komplett integrieren können.
Vetter: Bei uns und damit Cinerius ist es eine Kombination: Kleinere Vermögensverwalter docken wir bei einem Partnerunternehmen an. Mittlere und größere Unternehmen nehmen wir als eigenständigen Partner in die Holding auf. Aus Effizienzgründen: Mit 30 Vermögensverwaltern in der Gruppe würde es sonst unübersichtlich. In beiden Fällen profitieren die Partner von unserem Netzwerk und Dienstleistungsangebot.
Können eigentümergeführte und unabhängige Unternehmen gegenüber solch größeren Strukturen bestehen?
Buckard: Ich bin da ein bisschen nostalgisch. Als unabhängiger Vermögensverwalter haben wir ja gerade ein familiäres Verhältnis zu Kunden, ein kleines und gutes Team. Wir haben das Unternehmen großgezogen. Bei aller Unterschiedlichkeit waren sich unsere Partner deshalb einig: Wir wollen nicht verkaufen. Die Firma soll in der nächsten Generation weitergeführt werden, deshalb haben wir die Anteile in eine Stiftung überführt. Ein Problem haben Vermögensverwalter, wenn es mehrere Partner gibt, die nicht wie bei uns einer Meinung sind und einer plötzlich sagt: „Meine Anteile sind ein paar Millionen wert. Ich wollte schon immer auf Barbados leben.“
Montanhas: Größe oder ein Verkauf bedeuten ja aber auch nicht automatisch, dass es kein Unternehmertum mehr gibt. Bei HRK Lunis sind viele Mitarbeitende beteiligt und halten Anteile. Aber wie bereits gesagt: Dass ein unabhängiger Vermögensverwalter langfristig mit 200 Millionen Euro verwaltetem Vermögen selbstständig in Digitalisierung, Compliance, Wachstum und junges Personal investieren kann, ist völlig unrealistisch.
Vetter: Bei Cinerius sind alle Unternehmen weiterhin rechtlich selbstständig und haben eine eigene Bafin-Lizenz. Es gibt eine Holding, an der die ehemaligen Inhaber der Partnergesellschaften teilweise beteiligt sind und zusätzlich noch Private-Equity-Investoren – weil einige Inhaber ihre Anteile komplett abgeben wollen.
Aber bleiben diese Unternehmen selbstständig? Die Kosten für die Bafin-Lizenzen bleiben ja.
Vetter: Sie bleiben selbstständig, weil es regulatorisch notwendig ist. Unsere Holding sitzt in der Schweiz. Die Bafin würde es nicht mitmachen, die verschiedenen Unternehmen unter dem Cinerius-Dach zu verschmelzen. Und die Kosten optimieren wir über eine Service-Gesellschaft: Sie hilft bei Themen wie Compliance und schafft Skaleneffekte. Das Thema Personal haben wir bereits kurz besprochen. Wie gewinnen und entwickeln Sie Nachwuchskräfte in Ihren verschiedenen Modellen?
Holzgräber: Wir können etwa einen von fünf Bankern vom Weg in die unabhängige Vermögensverwaltung überzeugen. Wenn er sich auf ein unternehmerisch geprägtes Vergütungsmodell einlässt. Wir skizzieren dabei das Bild eines Weitspringers: Ein Banker muss bereit sein, im Gehalt zunächst ein paar Schritte zurückzugehen, um dann Anlauf zu nehmen und zu neuen Weiten zu kommen. Perspektivisch können diese Mitarbeiter Geschäftsführer oder sogar Gesellschafter werden.
Montanhas: Wieso sollte ein unternehmerisch geprägter Mitarbeiter erst auf Gehalt verzichten?
Holzgräber: Der erste Schritt ist der Schritt aus der Bank heraus. Für Berater, die sich den Sprung unter ein Haftungsdach dann noch oder gar nicht vorstellen können, bieten wir so den sanften Einstieg in die Selbstständigkeit. Die nächsten Schritte können dann ja noch folgen.
„Vermögensverwalter müssen bereit sein, in den Nachwuchs zu investieren.“
Buckard: Neue Mitarbeiter müssen aber auch die Philosophie des Unternehmens aufnehmen. Sie kosten uns erst einmal Geld – sie bekommen Gehalt, gehen mit in die Neukundengespräche und lernen die DNA des Unternehmens. Aber Vermögensverwalter müssen bereit sein, in den Nachwuchs zu investieren, auch wenn das zunächst die Marge schmälert. Potenziellen Nachfolgern eine Perspektive zu geben ist essenziell. Wir haben einem jungen Mitarbeiter klar gesagt: „Wenn du dich gut entwickelst, wirst du Partner.“
Heinrich: Für uns als mittelgroßen Vermögensverwalter ist beim Recruiting dann auch die Größenfrage relevant. Früher war es leichter, einen Vermögensverwalter mit acht Mitarbeitern und 180 Millionen Euro verwaltetem Vermögen weiterzuführen und neue Mitarbeiter davon zu überzeugen. Die wissen aber auch: Anforderungen an Regulatorik und Investitionen in Digitalisierung sind massiv gestiegen. Das ist ein Aspekt, den die Branche insgesamt unterschätzt hat.
Montanhas: Da gebe ich Herrn Heinrich recht. Die größere Struktur bietet Vorteile. Wir können viele junge Mitarbeiter einstellen, jüngst sogar ein ganzes Team. Das können kleinere Unternehmen aus Kostengründen schlicht nicht stemmen. Auch uns haben vor drei Jahren viele Bewerber noch gesagt, wir seien zu klein, sie würden das Risiko nicht eingehen. Jetzt ist das kein Thema mehr.
Sie haben vorhin das „Loslassen“ angesprochen. Wie wichtig ist dieser emotionale Faktor bei der Nachfolgeplanung?
Vetter: Ich kann nur für mich persönlich sprechen, aber: Die Nachfolgeregelung über die Cinerius-Finanzholding hat mir geholfen, loszulassen. Denn damit habe ich die Gesellschaft etwas unabhängiger von meiner Person gemacht. Das hilft der nächsten Generation ungemein.
Holzgräber: Die oberste Priorität unseres Gründers war auch nicht, sein Lebenswerk zu monetarisieren und den höchsten Preis zu erzielen. Ihm war wichtiger, dass jemand sein Lebenswerk in seinem Sinne weiterführt und er die richtigen Menschen dafür findet. Das hat den Übergabeprozess in unserem Fall wesentlich erleichtert.
„Die emotionale Komponente ist oft sogar wichtiger als das Zahlenwerk.“
Schmitt: Das zeigt ja: Die emotionale Komponente ist oft sogar wichtiger als das Zahlenwerk. Für das Zahlenwerk findet sich immer irgendeine Lösung. Aber die Kollegen, die ihre Vermögensverwaltungen jetzt übergeben, haben eine enorme Emotionalität und Leidenschaft für ihr Lebenswerk. Wir müssen sie dort abholen und ihnen Optionen zeigen, die zu ihrer Vorstellung davon passen, wie es weitergehen soll.
Bedeutet die Nachfolge auch zwangsläufig mehr Konsolidierung in den kommenden Jahren?
Heinrich: Der Markt für Konsolidierung ist gar nicht so groß, wie es von außen scheint. Viele kleine Vermögensverwalter – da sind wir wieder beim Thema Emotionalität – haben sehr klare Vorstellungen davon, wie mit ihren Kunden und Mitarbeitern umgegangen werden soll. Wir bei Plutos haben auch gar nicht das Kapital, um systematisch Firmen zu kaufen, sondern freuen uns, wenn wir kleinere Vermögensverwalter übernehmen können. Wir sind mit Sicherheit kein Konkurrent zu Cinerius oder Lunis, das sind ganz andere Geschäftsmodelle. Deswegen sehe ich uns mit Plutos auch nicht als Konsolidierer.
„Welcher Vermögensverwalter wächst schon organisch zweistellig?“
Montanhas: Wir sehen HRK Lunis klar als Konsolidierer. Die unabhängigen Vermögensverwalter in Deutschland verwalten laut VuV etwa 400 Milliarden Euro – zieht man Flossbach von Storch und DJE Kapital – ab, die ja eher Fondsanbieter oder Asset Manager sind – bleiben etwa 300 Milliarden. Wir sind davon überzeugt, dass wir vielen kleineren Firmen ein Zuhause unter unserer Marke bieten können. Gerade diese Vermögensverwalter mit acht bis neun Mitarbeitern konzentrieren sich zu Recht auf bestehende Kunden. Aber welcher Vermögensverwalter wächst schon organisch zweistellig? Vermögensverwalter wachsen nur, wenn neue Berater ins Unternehmen wechseln – und genug Zeit erhalten, ein Kundenbuch aufzubauen.
Vetter: Was Sie beide und damit HRK Lunis und Plutos von uns unterscheidet: Sie integrieren die Unternehmen. Bei uns bleiben sie rechtlich selbstständig. Für uns ist es aber – selbst wenn regulatorisch möglich – nicht klug, unsere Gesellschaften zusammenzulegen. Jede hat eine eigene DNA und eine eigene Marke.
Schmitt: Womöglich ist es irgendwann auch keine Entweder-oder-Entscheidung mehr, und die verschiedenen Modelle wachsen zusammen. Anstatt dass jeder kleine Vermögensverwalter ein komplettes Modell neu erfinden muss, könnten etablierte Häuser mit ihren unterschiedlichen Ansätzen kooperieren. Wir haben zum Beispiel einen starken Fokus auf künstliche Intelligenz. Wenn andere Häuser davon profitieren wollen, könnten wir eine Umsatzbeteiligung aufsetzen, statt uns darum zu streiten, wer den Kunden betreut.
Wie wichtig ist die Unternehmenskultur bei der Nachfolgeentscheidung – sowohl für Übergeber als auch für potenzielle Nachfolger?
Holzgräber: Kultur ist dynamisch. Wir rekrutieren typischerweise Private-Banking-Berater, die keine Lust mehr auf die Bankkultur haben. Sie gehen in der Bank ständig irgendwelche Verpflichtungen ein und müssen berichten. In unserer Kultur aber sollen sich Mitarbeitende einbringen, sie werden gehört, und jeder hat Zeit für Kunden. Es gibt keine Ebene über der Geschäftsführung. Die Verlässlichkeit, dass das, was heute gesagt wird, auch übermorgen gilt, holt diese Menschen ab.
Buckard: Verlässlichkeit ist ein wichtiger Punkt. Wir betreuen zum Teil Kunden seit 35 bis 40 Jahren und sind mittlerweile in ihrer dritten oder vierten Generation angelangt. Das erzeugt ein unheimlich familiäres Verhältnis, was sich auch in unserer internen Kultur widerspiegelt. Diese Qualität kann ich nur wahren, wenn ich das Team zusammenhalte.
Schmitt: Die am häufigsten gestellte Kundenfrage lautet tatsächlich: „Wie sind Sie aufgestellt? Sind Sie inhabergeführt?“ Aber selbst hinter derselben Struktur können verschiedene Unternehmenskulturen stehen. Die erste Generation deutscher Vermögensverwalter hat Großartiges geschaffen, aber die Modelle werden sich zwangsläufig ändern – sei es durch Portfoliomanager, IT-Systeme oder Compliance Anforderungen. Es gilt: Entweder unabhängige Vermögensverwalter entwickeln sich weiter oder sie verschwinden vom Markt.
Holzgräber: Die gute Nachricht ist, dass unser Markt wächst. Noch arbeitet die erste Generation, die das Nachfolgeproblem lösen muss. Hier am Tisch sitzen verschiedene Modelle, die das schaffen können. Wir haben die spannende Aufgabe, einerseits für andere Problemlöser zu sein und andererseits unsere eigene Nachfolge in Gang zu setzen.