Robos, KI & Co. Von Automaten schlecht beraten

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Für sich allein kann KI hingegen in keiner Markt- oder Lebensphase die Lösung sein, fehlen ihr doch Eigenschaften wie Neugier, Empathie, Kreativität oder Vertrauen – kurz: soziale Kompetenz, die für ein tieferes Verständnis der Bedürfnisse des Kunden unerlässlich ist. Dabei ist Vertrauen das A und O für die Vermögensanlage. Denn so individuell Menschen sind, so unterschiedlich sind auch ihre Wünsche. Um diese zu erfüllen, ist die Schnittstelle Mensch-Mensch ergiebiger als alles andere. Wenn man Menschen in die Augen schaut, ihre Mimik und Gestik erlebt und ein Gefühl für sie und ihre Situation entwickeln kann, kommt man mit ganz anderen Erkenntnissen aus dem Gespräch. Ich spreche in diesem Zusammenhang von Antlitz-Diagnostik.

Die Zusammenkunft von Angesicht zu Angesicht führt dazu, dass der Berater aus Fleisch und Blut einen viel besseren Vorschlag, ein viel besseres Konzept ausarbeiten kann. Anders als die Maschine kann er auf noch so feine Zwischentöne achten, Ideen neu kombinieren und aus seiner menschlichen Erfahrung heraus eine individuell zugeschnittene Empfehlung aussprechen. Insbesondere bei vermögenden Privatkunden, die sich über den Standard hinausgehende Anlagelösungen wünschen, bilden Menschlichkeit und individuelle Beratungskonzepte weiterhin die Basis für den Erfolg.

Im Unterschied zu KI, die in eingeschränkten  Szenarien  unterstützend  wirken kann, sehe ich den Berater der Zukunft daher als eine Art umfassenden Lebensbegleiter, der durch sein Netzwerk einen echten Mehrwert schafft und so die Ziele und Visionen des Kunden Wirklichkeit werden lässt. KI ist dabei nicht als Konkurrenz, sondern als Kooperations-partner anzusehen, der ihm hilft, noch besser zu werden.

Entscheidend für eine langjährige, nachhaltige Beziehung zu unseren Kunden ist über die genannten Punkte hinaus eine weitere menschliche Eigenschaft, die KI abgeht: die Fähigkeit, wahrhaftig und ethisch zu handeln. Als Teil einer Branche, die sich in dieser Hinsicht zuletzt nicht mit Ruhm bekleckert hat, ist das zwar nicht immer einfach, bildet aber den Kern unserer Arbeit und Philosophie. Ist dies gegeben, bin ich mir sicher, dass die Zukunft der Bank „Mensch“ heißen wird.


Über den Autor:
Marcus Vitt ist Vorstandssprecher des Bankhauses Donner & Reuschel.  Er ist außerdem Vorstandsvorsitzender des Bankenverbands Hamburg und Vorstandsmitglied des Bayerischen Bankenverbands.

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