Qualität überlebt Preis Robo 1.0 ist Geschichte – wohin bewegt sich der Robo-Advisor-Markt?

Salome Preiswerk ist Geschäftsführerin von Whitebox

Salome Preiswerk ist Geschäftsführerin von Whitebox: „Inzwischen prägen entsprechend jene Robo-Advisors den Wettbewerb, die als digitale Vermögensverwaltungen höherwertige Anlagestrategien für eine qualitätsbewusste Kernzielgruppe anbieten.“ Foto: Whitebox

Es gibt nicht nur Rückenwind für die digitale Geldanlage: Erst im vergangenen Herbst hat mit der DKB eine große Direktbank nach nur einem Jahr das Scheitern ihres eigenen Robo-Advisors eingestanden. Und auch bei anderen großen Playern scheint das Geschäft eher auf der Stelle zu treten. Ist der Robo-Advisor-Hype in Deutschland vorbei, bevor er richtig Fahrt aufnehmen konnte?

Nein. Es ist zu kurz gegriffen, aus dem Rückzug einiger Anbieter das Ende der Robo-Advisors abzuleiten. Stattdessen lohnt es sich, die Hintergründe zu beleuchten – und daraus die entsprechenden Lehren zu ziehen. Das Angebot als solches war weniger das Problem, sondern vielmehr die konkrete Umsetzung: Gescheitert ist hier wohl die Kooperation zwischen Robo und Vertriebspartner – vielleicht weil das Vertriebsmodell Schwachstellen aufwies und das Angebot nicht zur Kundschaft durchdringen konnte. Die große Herausforderung ist und bleibt, Kundinnen und Kunden den individuellen Mehrwert einer orchestrierten Geldanlage-Lösung verständlich zu machen. Ohne vertriebliche Bemühungen wird auch das attraktivste Angebot keinen Erfolg im Markt haben – das gilt auch und insbesondere im Rahmen von (Vertriebs-)Kooperationen.

Robo-Advisor an der Wegscheide – höherwertige Vermögensverwaltung setzt sich durch

Fakt ist: Die digitale Geldanlage ist an einer bedeutenden Weiche angelangt. Gut, günstig, fair, transparent – das war das Grundversprechen der ersten Robo-Advisor-Generationen. Dahinter standen digitale Tools, die Anlegerinnen und Anlegern den Einstieg in den Kapitalmarkt vereinfachten. Sie erhielten ein möglichst unkompliziertes Finanzmarktprodukt, das meist ein statisches Portfolio mit automatisiertem Rebalancing bot.

 

Zwar waren die Mindestanlagebeträge anfangs recht hoch, die Technologie machte vermögensverwaltende Finanzdienstleistungen aber erstmals einer breiteren Masse zugänglich. Die Zielgruppe vieler Anbieter lag im unteren Retail-Segment. Deshalb musste das Angebot günstig sein. Doch die Kosten, um preisbewusste Neukundinnen und -kunden zu gewinnen, sind ebenso hoch wie die für die Akquise einer qualitätsbewussten Kundschaft. Damit war das Retail-Modell wenig rentabel – und so verschwanden diese Robos vom Markt.

Inzwischen prägen entsprechend jene Robo-Advisors den Wettbewerb, die als digitale Vermögensverwaltungen höherwertige Anlagestrategien für eine qualitätsbewusste Kernzielgruppe anbieten. Hier stehen Angebot und Serviceleistung im Vordergrund. Dabei wird für Kundinnen und Kunden auch der grundlegende Unterschied zwischen Execution-only-Dienstleistungen und einem Robo-Advisor schnell deutlich: Während man bei Brokerage mit Aktien oder Investmentfonds selbst Zeit und Mühe investieren muss – vom entsprechenden Know-how mal ganz abgesehen – bieten vermögensverwaltende Plattformen den Mehrwert, die Arbeit aus der Hand zu geben und trotzdem die Kontrolle zu behalten. Das Ergebnis ist ein auf die eigenen Ziele und Vorgaben ausgerichtetes, unkompliziertes Finanzmarktprodukt, das professionell diversifiziert ist und bei Bedarf neu allokiert wird. Für ein solches Portfolio, das mehr ist als die Summe seiner Einzelteile, ist die Kundschaft dann auch bereit, eine entsprechende Vergütung zu zahlen.

Erhebliches Marktpotenzial – Robos sind noch immer stark nachgefragt

Nach Einschätzung von Extra ETF gehören der RoboAdvisorMarkt und die darin agierenden digitalen Vermögensverwalter zu den am stärksten nachgefragten Segmenten im Fintech-Bereich. Im September 2022 hielten RoboAdvisor in Deutschland rund 13 Milliarden Euro an Assets under Management. Gleichzeitig beträgt Berechnungen des DZ-Bank-Research zufolge das Geldvermögen der Deutschen im Jahr 2022 über 8 Billionen Euro, wobei fast 40 Prozent oder rund 3,2 Billionen Euro weiterhin als Einlagen und Bargeld auf Bankkonten schlummern.

Um dieses Potenzial für die digitale Vermögensverwaltung zu nutzen, sind vier Faktoren entscheidend: professionelles Portfoliomanagement, intuitive Technologie, effiziente Vertriebswege sowie herausragender Service mit umfassenden Möglichkeiten zur Personalisierung. In der neuen Robo-Generation ist das Portfolio exakt auf die Wünsche der Kundinnen und Kunden zugeschnitten – vom individuellen Risikoprofil bis zur Wahl der Anlagestrategie. Übergeordnetes Ziel bleibt dabei stets: Kapitalerhalt in Krisenzeiten und Outperformance.

Transparenz zählt bei der überlebenden Robo-Generation

Als personalisierte Technologie-Plattform für zielgerichtete Investments ist diese Robo-Generation einfach zu bedienen und intuitiv verständlich. Sie bietet Informationen nach dem Zwiebel-Prinzip: Im Cockpit ist das Wichtigste auf einen Blick erfassbar. Weitere Informationen, etwa zu Performance, Gewichtung, Risikostruktur oder Gebühren, lassen sich nach Bedarf in gewünschter Detailtiefe einsehen. So bleibt eine breite Zielgruppe informiert – mit unterschiedlichem Hintergrund an Wissen, Erfahrung und Präferenzen.

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Bei den Serviceleistungen gilt es, die Erwartungen der Kunden bestmöglich zu erfüllen. Robo-Advisor-Anleger sind im Schnitt zwischen 45 und 50 Jahre alt und wünschen sich eine Kommunikation auf Augenhöhe. Deshalb müssen Servicemitarbeitende über Kapitalmarktkompetenz verfügen und in der Lage sein, auch komplexe Finanzthemen zu diskutieren.

 

Die Erfahrung zeigt, dass auch im Servicebereich individualisierte Leistungen gut ankommen. Dazu gehört der regelmäßige proaktive Austausch rund um das Portfolio. Die Taktung dieser Gespräche können Kundinnen und Kunden selbst definieren. In der Praxis zahlt sich die Kombination aus persönlicher Fürsorge und den inzwischen deutlich geringeren finanziellen Einstiegshürden aus: Oft steigt die Anlagesumme einzelner Kundinnen und Kunden, sobald sie Vertrauen in die gewählte digitale Vermögensverwaltungslösung gefasst haben.

Umfassende Kooperationsmodelle für Vertriebspartner

Im Vertrieb erweist sich der Mix aus direkten und indirekten Ansprachemodellen als sinnvoll. Beim direkten Modell finden interessierte Anlegerinnen und Anleger direkt über die Plattform den Einstieg. Das Marketing und Maßnahmen zur Neukundengewinnung sind jedoch kostenintensiv. Die indirekte Ansprache findet hybrid statt: Über Kooperationen mit traditionellen Finanzdienstleistern oder Vermittlern wie Versicherungsvertrieben lässt sich die Kundschaft gewinnen, die eventuell Berührungsängste mit dem Robo-Advisor hat, aber ihrem Finanzberater vertraut.

Der Vorteil erfolgreicher Vertriebsmodelle ist im Gegenzug: Die Vermittlungspartner können attraktive, stornofreie Zusatzerträge generieren, ohne dabei Kosten, Mindestumsätze oder Mehraufwand zu fürchten. Für die Vermittlung und Begleitung ihrer Kundschaft benötigen Partner zudem keine Erlaubnis gemäß § 34f Gewerbeordnung (GewO). Alle rechtlichen, administrativen und abrechnungsbezogenen Aufgaben übernimmt der digitale Vermögensverwalter, der auch aktive Vertriebsunterstützung leistet. Im besten Fall können Vermittler ihren Kundinnen und Kunden dabei das gesamte Spektrum von Einzel-, Gemeinschafts-, Kinder- und Firmendepots bieten – und lagern sämtliche Beratungs- oder Dokumentationspflichten an den Robo-Advisor aus.

 

 

So entstehen ganzheitliche digitale Vermögensverwaltungsplattformen, die sich durch enorme Wettbewerbsfähigkeit auszeichnen und in der Zukunft auch ihr Produktangebot erweitern werden. Da sich der gesamte Markt bereits von der Nische in die Masse bewegt, dürfte es neuen Playern immer schwerer fallen, sich zu differenzieren. Auch wenn nicht unbedingt das Prinzip „The winner takes it all“ gilt, dürfte es im RoboAdvisorMarkt aber doch enger werden: Nur wenige Anbieter können sich dauerhaft auf der Überholspur halten. Auf lange Sicht erfolgreich werden die Robos sein, die auf die konsequente Weiterentwicklung von Portfoliomanagement, Technologie, Vertrieb und Service setzen.


Über die Autorin:
Salome Preiswerk ist Juristin, verfügt über langjährige Berufserfahrung in der Finanzindustrie und ist Mitglied im Fintech-Rat, der die Bundesregierung in Fragen der Finanztechnologie berät. Bevor sie die digitale Vermögensverwaltung Whitebox gründete, war sie als Unternehmensberaterin bei namhaften Beratungsgesellschaften sowie als Geschäftsführerin einer in der Schweiz ansässigen Unternehmensberatungsgesellschaft tätig. Zu ihren Kunden zählten Schweizer Großbanken, international führende Privatbanken sowie unabhängige Vermögensverwaltungsgesellschaften und Family Offices.

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