Autor: Michael Krautzberger, Rentenspezialist und Investmentchef von Blackrock Asset Management Deutschland, über Anlagestrategien für Anleihe-Investoren
Eine Faustregel am Finanzmarkt lautet: Wer ein höheres Risiko eingeht, der erhält eine höhere Renditechance. Beispielsweise sind Aktien in der Regel volatiler als Anleihen, allerdings liefern Aktien im Gegenzug höhere Renditen. So haben Investitionen am US-Aktienmarkt in den Jahren 1960 bis 2000 unter dem Strich höhere risikobereinigte Renditen erwirtschaftet als Anleihen (Quelle: BlackRock Investment Institute. Risk and Resilience. Patterns in Equity Returns. September 2013)
Seit der Jahrtausendwende scheint diese Regel auf den Kopf gestellt. Seitdem haben Anleihen Investoren vielfach höhere Renditen beschert als Aktien – und das bei einer durchschnittlich geringeren Volatilität. Zudem haben defensive Aktienstrategien mit vergleichsweise geringer Volatilität bessere Ergebnisse erzielt als volatilere Aktien.
Müssen sich Investoren darauf einstellen, dass diese neuen Verhältnisse bestehen bleiben werden? Oder wird sich höheres Risiko künftig wieder lohnen? Bei der Antwort auf diese Fragen hilft ein Blick auf die Ursachen der Entwicklungen seit der Jahrtausendwende weiter.
Aktienquoten europäischer Pensionsfonds auf niedrigem Niveau
Zum einen haben Investoren aufgrund ihrer Erfahrungen am Aktienmarkt in den vergangenen Jahren in Anleihen umgeschichtet: Europäische Pensionsfonds haben ihre Aktienquoten dem Beratungsunternehmen Mercer zufolge inzwischen auf das niedrigste Niveau seit mindestens zehn Jahren heruntergefahren. Schließlich bieten Anleihen historisch betrachtet eine höhere Gewissheit, was künftige Zahlungsströme angeht. Dies ist für Pensionsfonds und andere Investoren mit langfristigen Verpflichtungen ein entscheidendes Kriterium.
Zum anderen haben Investoren angesichts niedriger Zinsen am Anleihemarkt vermehrt alternative Ertragsquellen gesucht. Im Zuge dessen haben sie verstärkt in jene Sektoren des Aktienmarktes investiert, die als eher defensiv gelten, sowie in dividendenstarke Werte. Diese Zuflüsse in Anleihen sowie defensive Aktien haben den Kursen der entsprechenden Papiere Auftrieb gegeben.
Temporärer Nebeneffekt
Wir sehen dies nicht als die neue Norm an, sondern als temporären Nebeneffekt der langen Wirtschaftsflaute und Nullzinspolitik. Wir denken, dass sich höhere Risikobereitschaft wieder auszahlen wird, wenn sich das wirtschaftliche und das Zinsumfeld normalisieren. Dann dürften volatilere Anlageklassen wieder positive Risikoprämien erwirtschaften. Im Anleihebereich dürften davon zum Beispiel Hochzins- und Schwellenländerpapiere – vor allem solche aus Ländern ohne signifikante Wirtschaftsungleichgewichte – profitieren.