Richtungsweisendes OLG-Urteil Stiftungen sollten Kapitalerhalt flexibler denken

Experte für Stiftungen und das Generationsmanagement: Wolfgang Hempler

Experte für Stiftungen und das Generationsmanagement: Wolfgang Hempler

In einem Interview mit der „Zeit“ (Print-Ausgabe 25/2017) forderte der Vorsitzende des Bundesverbands Deutscher Stiftungen, Felix Oldenburg, von Stiftungsvorständen und beratenden Banken mehr Kreativität bei der Anlage von Stiftungsvermögen. Oldenburg hat dabei insbesondere wirkorientiertes Anlegen vor Augen, Anlagen beispielsweise in Kranken- oder Wohnhäusern. Er sieht das Problem für kleinere Stiftungen, die hier nur über indirekte Beteiligungen investieren können und fordert, Nachfragedruck nach alternativen Anlageformen bei Banken zu erzeugen.

Die Forderung Oldenburgs ist angesichts der Zinssituation nachvollziehbar. Beratungsspezialisten halten schon von jeher eine Vermögensaufteilung in Renten, Aktien und vor allem Immobilien bei Stiftungen für sinnhaft und zielführend. In die Niederungen der rechtlichen und steuerlichen Restriktionen bei der Anlage von Stiftungsvermögen begeben sich aber weder Oldenburg noch die Diversifikation predigenden Stiftungsspezialisten.

Dabei sitzen Stiftungsvorstände und Finanzdienstleister bei dem Thema Anlagemöglichkeiten für deutsche gemeinnützige Stiftungen de facto in einem Boot. Der Stiftungsvorstand muss die Anlageentscheidung treffen und diese verantworten können, die Finanzdienstleister stehen für die Geeignetheit der von ihnen im Einzelfall beratenen oder empfohlenen Anlagen gerade.

Gründe für die Zurückhaltung

Das beidseitige Unwohlsein beim Treffen einer Anlageentscheidung, die von festverzinslichen Wertpapieren oder gar mündelsicheren Investitionen abweicht, ist dabei hoch. Begründet ist dieses Unwohlsein in den Rahmenbedingungen des Stiftungsrechts, das auf temporäre Sondersituationen an den Kapitalmärkten naturgemäß nicht eingeht. Die Restriktionen für die Anlage ergeben sich vermeintlich aus zu beachtendem Bundes- und Landesrecht. Der hier zu findende Gedanke des Kapitalerhaltungsgebots ist schillernd und wartet bis heute auf eine praktikable Definition.

Ein zweiter Restriktionskreis ergibt sich für Stiftungen häufig aus den geltenden Satzungen, in denen Stifterinnen und Stifter ihre persönliche Anlageerfahrungen und -vorlieben haben einfließen lassen.

Die dritte und womöglich diffuseste Schranke einer privatautonomen Anlagepolitik ist heute die Rechtsprechung zur Haftung von Stiftungsorganen und Banken bei fehlgeschlagener Anlage. Aus gegebener Aktualität seien die kürzlich ergangenen Urteile von Landgericht und möglicherweise unterschiedlich urteilender Senate des Oberlandgerichts Frankfurt (OLG Frankfurt) angesprochen.

Es ging dabei jeweils um die Anlage von Stiftungen in Immobilienfonds. Der Tenor des Landgerichts und eines von ihm zitierten OLG-Senats geht dahin, Engagements in Immobilienbeteiligungen per se auszuschließen. Das Verlustrisiko der Anlage widerspreche dem Kapitalerhaltungsgebot von vorneherein. Eine Bank dürfe in Kenntnis der Notwendigkeit des Kapitalerhalts nicht zur Zeichnung eines (geschlossenen) Immobilienfonds raten. Es versteht sich von selbst, dass für die vom Stiftungsvorstand getroffene Anlageentscheidung das gleiche gilt. Bei einem Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften liegt eine Haftung wegen grober Fahrlässigkeit recht nah.

Kapitalerhalt flexibler denken

Interessanter- und erfreulicherweise hat ein mit Rechtsmittel gegen die LG-Entscheidung berufener anderer Senat des OLG Frankfurt, die pauschale Unvereinbarkeit von Stiftungsengagements in Immobilienfonds nunmehr abgelehnt. Dabei hat das Gericht den Begriff des Kapitalerhalts für Stiftungen quasi flexibilisiert und letztlich ähnlich wie bereits die Finanzgerichtsbarkeit den langen Anlagehorizont und Diversifikationspflichten hingewiesen.

Oldenburg ist zuzustimmen. Bei der Anlage des Stiftungsvermögens stehen Stiftungsorgane und -berater an einer Bahnsteigkante. Aber der Bahnsteig ist vielleicht breiter als gedacht. Es braucht in der Tat den Mut von Stiftung und Beratern, die Grenzen auszuloten um dem Stiftungsgedanken des Förderns gerecht werden zu können. Die Rechtsprechung scheint auf dem richtigen Weg.



Über den Autor:
Wolfgang Hempler leitet bei der Deutschen Oppenheim Family Office die Mandantenbetreuung am Standort Frankfurt und ist für die Dienstleistung der Testamentsvollstreckung zuständig. Der 60-Jährige gilt als ausgewiesener Experte für die Themen Generationsmanagement und Stiftungen.

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