Vermögensnachfolgeplanung Rettungsmaßnahmen nach Eintreten des Erbfalls

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Alternativ können die Nacherben die Nacherbschaft ausschlagen, wenn keine Ersatznacherbfolge angeordnet ist oder vermutet wird. So besteht die Ausschlagungsmöglichkeit des Nacherben bereits mit Eintritt des Vorerbfalls, die Ausschlagungsfrist von sechs Wochen beginnt hingegen erst mit Eintritt des Nacherbfalls.

Beispiel: Die Eheleute M und F haben sich gegenseitig zu alleinigen Vorerben eingesetzt. Zu Nacherben sind ihre beiden Kinder S und T berufen. M verstarb 2010 und hinterließ ein Vermögen von 10 Millionen Euro. F zahlte hierauf Erbschaftsteuer in Höhe von 2.185.000 Euro. Über eigenes Vermögen verfügt F nicht. Geht der Restbetrag von 7.815.000 Euro nun auf S und T als Nacherben über, entsteht erneut eine Steuerlast in Höhe von insgesamt 1.332.850 Euro. Die Gesamtsteuerlast beträgt somit 3.517.850 Euro.

Alternative Gestaltung: S und T schlagen im Jahr 2022 die Nacherbschaft aus. Hierfür erhalten sie jeweils eine Abfindung von 2 Millionen Euro. F testiert neu, setzt ihre Kinder zu Anteilen von je 50 Prozent zu Erben ein und setzt darüber hinaus Vermächtnisse zu Gunsten ihrer zwischenzeitlich vorhandenen vier Enkel in Höhe von jeweils 500.000 Euro aus. Im Ergebnis verringert sich die Steuerlast von F aus dem Erbfall ihres Mannes auf 1.045.000 Euro, da bei ihr nunmehr nach Zahlung der Abfindungen nur noch ein Erwerb von 6 Millionen Euro verbleibt.

Die Abfindungen an die Kinder sind nach Paragraf 3 ErbStG als Erwerb von F zu versteuern. Da somit die Kinderfreibeträge wiederaufleben, entsteht zusammengerechnet für die Abfindungen von insgesamt 4 Millionen Euro eine Steuerlast in Höhe von 608.000 Euro. Im Schlusserbfall erhalten die Enkel zusammen einen Betrag von 2 Millionen Euro. Die Steuerlast hierauf beträgt 132.000 Euro, da der Steuersatz hier nur bei 11 Prozent liegt und jeder Enkel einen Freibetrag von 200.000 Euro hat.

Zuletzt erben S und T von ihrer Mutter die verbliebenen 2.955.000 Euro, die sich aus den 6 Millionen Euro abzüglich Erbschaftsteuer im ersten Erbfall und abzüglich der Vermächtnisse ergeben. Hierauf fallen nach Abzug der Freibeträge von S und T gegenüber F noch Steuern in Höhe von 409.450 Euro an. Die Steuerersparnis beträgt 847.400 Euro.

Tipp: Behält sich der Abfindungsgeber zusätzlich den Nießbrauch am Gegenstand der Abfindung vor, kann mehr Vermögenssubstanz auf den Abfindungsnehmer übertragen werden, ohne dass sich die Steuerlast für ihn erhöht.

Freibetrag verdoppeln

Oft wird beim Versuch, Freibeträge zu nutzen, zudem übersehen, dass das Gesetz die Entstehung des neuen Freibetrages nicht auf die Lebenszeit des Vermögensübergebers beschränkt. So geht die Rechtsprechung zumindest für Zuwendungen, die unter einer echten aufschiebenden Bedingung stehen, davon aus, dass der Vermögenserwerb erst mit dem Bedingungseintritt erfolgt.

Echte aufschiebende Bedingungen sind beispielsweise das Bestehen des Abiturs, das Erreichen eines Studienabschlusses oder die Geburt des ersten eigenen Kindes. Warum also nicht – gerade bei noch recht jungen Enkeln – ein sofort im Erbfall fälliges Vermächtnis mit einem Erbe unter aufschiebender Bedingung kombinieren und den Freibetrag verdoppeln?

Auch wenn der Werkzeugkasten für erbschaftsteuerliche Reparaturen nach dem Erbfall gut gefüllt ist, ist dies doch nichts im Vergleich zu den Möglichkeiten, die bei rechtzeitiger Planung zur Verfügung stehen. Dennoch zeigt es deutlich, dass die Inanspruchnahme eines Expertenrats auch nach dem Erbfall sinnvoll und lohnend sein kann.


Über den Autor:

Stephan Grollmann ist Fachanwalt für Erbrecht. In seiner Essener Kanzlei am Ruhrstein vertritt und berät der Rechtsanwalt Mandanten im Steuer-, Erb- und Versicherungsrecht.

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