Geldmarktfonds Richard Mulley von GSAM: „Diese zwei Kräfte bestimmen die Entwicklung des Marktes“

Seite 2 / 2

 

Aufgrund erheblicher nichtwirtschaftlicher Risiken, einschließlich geopolitischer Unsicherheiten, könnten die Bargeldbestände jedoch höher bleiben als vor der Pandemie, insbesondere bei Unternehmen. Darüber hinaus bieten Geldmarktfonds derzeit hohe Renditen, die zumindest auf kurze Sicht die Nachfrage der Anleger erhöhen könnten. Ein Geldmarktfonds mit stabilem Nettoinventarwert bietet beispielsweise eine Rendite von 4,3  Prozent, da die Renditen von US-Treasuries am vorderen Ende höher sind als die von Anleihen mit mittlerer und längerer Laufzeit.

Inwiefern eignen sich Geldmarktfonds zur Währungsdiversifizierung?

Mulley: Geldmarktfonds können für einen Anleger eine sinnvolle Möglichkeit zur Diversifizierung des Währungsprofils seiner Barmittelallokation sein. Im Vergleich zu Bankeinlagen bieten sie in der Regel ähnliche oder bessere Renditen, die durch ein diversifiziertes Engagement und nicht durch ein ungesichertes Engagement bei einer einzigen Bank erzielt werden. Und im Vergleich zu Staatspapieren - die für Anleger, die Barmittel "parken" wollen, eine weitere Alternative zu Geldmarktfonds darstellen - ermöglicht ein stabiler Nettoinventarwert den Anlegern, Barmittel ohne Transaktionskosten zu zeichnen und zurückzugeben.

Welche Vorteile, beziehungsweise Nachteile hat der Geldmarktfonds gegenüber Tagesgeld?

Mulley: Geldmarktfonds bieten in der Regel höhere Renditen oder Erträge als traditionelle Sparkonten oder Bankeinlagen. Sie sind leicht zugänglich und gelten als risikoarm und stabil. Insbesondere werden die Renditen von Geldmarktfonds in der Regel schneller angepasst als die Zinssätze für Bankeinlagen. Außerdem kann ein Anleger über einen Fonds ein diversifiziertes Portfolio hochwertiger Anlagen erwerben, anstatt sein Geld ungesichert bei einer einzigen Adresse zu parken. Nicht zuletzt können Geldmarktfonds eine Möglichkeit für Anleger sein, Anlageziele wie Kapitalerhalt zu erreichen und gleichzeitig ökologische, soziale und Governance-Faktoren (ESG) zu berücksichtigen. So sind beispielsweise 22 Prozent der auf Dollar lautenden Geldmarktfonds nach Artikel 8 der europäischen Verordnung über die Offenlegung nachhaltiger Finanzinstrumente (SFDR) gekennzeichnet. Dies bedeutet, dass sie darlegen können, wie sie ökologische und soziale Ziele fördern.

 

 

Der größte Nachteil von Geldmarktfonds besteht darin, dass es sich um ein Anlageprodukt handelt, bei dem es keine Garantien dafür gibt, dass die Investition die gewünschten Ergebnisse erzielt. Es besteht die Möglichkeit, dass das Produkt nicht die gewünschten Ergebnisse erzielt und als Folge des Ausfalls Verluste entstehen.

Auf welche Fallstricke sollen Anleger wegen der Zinswende bei Geldmarktfonds achten?

Mulley: Da Geldmarktfonds in kurzfristige Vermögenswerte investieren, reagieren sie im Vergleich zu anderen Anlageklassen tendenziell weniger empfindlich auf steigende Zinsen. Die Rendite beziehungsweise das Einkommen, das sie den Anlegern bieten, folgt in der Regel genau dem Anstieg der Leitzinsen der Zentralbanken. Dennoch sollten Anleger auf Geldmarktfonds achten, die scheinbar "front-loaded" sind, das heißt sie haben eine höhere Allokation in langlaufende Vermögenswerte mit höheren Renditen, die heute attraktiv erscheinen, aber bei steigenden Zinsen unterdurchschnittlich abschneiden könnten.

Im Gegensatz dazu können Fonds, die ihr Engagement in kurzlaufenden Vermögenswerten beibehalten, fällig werdende Erlöse im Laufe der Zeit zu höheren Zinssätzen reinvestieren, wie dies im Jahr 2022 der Fall war. Wir sind der Meinung, dass Anleger die wichtigsten Merkmale eines Investmentfonds ganzheitlich betrachten sollten, einschließlich seiner täglichen und wöchentlichen Liquiditätsversorgung, seiner WAM, seines Sektoren-Exposures und seiner Rendite.

Wie hoch sollte der Anteil des geparkten Geldes in einer modernen SAA sein?

Mulley: Der Vor-Pandemie-Zyklus war durch lange Zyklen, geringe Inflation und geringe Wachstumsvolatilität gekennzeichnet. Diese so genannte "Ära der Mäßigung" brachte niedrige oder negative Leitzinsen mit sich, die sich in kurzen Laufzeiten und hochwertigen festverzinslichen Anlagen widerspiegelten. Infolgedessen tendierten die Anleger dazu, höhere Renditen in risikoreicheren Anlagen zu suchen. Im vergangenen Jahr wurde diese Konstellation durchbrochen, und wir sind der Ansicht, dass der drastische Anstieg der Renditen eine Chance für Erträge und Gesamtrenditen geschaffen hat, die es in den letzten zehn Jahren nicht gegeben hat.

 

 

 

Doch wie bereits ausgeführt, ist der Anlagehintergrund auch von großer Unsicherheit und langfristigen Themen wie Deglobalisierung, Dekarbonisierung, demografische Alterung und geopolitische Destabilisierung geprägt. Diese Trends deuten auf eine höhere Inflations- und Wachstumsvolatilität sowie auf höhere Risikoprämien und eine größere Streuung hin. Infolgedessen sind wir der Meinung, dass hochwertige Anleihen mit kurzer Laufzeit - die eine positive Rendite und eine relative Widerstandsfähigkeit gegenüber Wachstumsrisiken bieten - in der strategischen Vermögensallokation eine wachsende Rolle spielen könnten. Insgesamt sind wir der Meinung, dass Anleger bei der strategischen Vermögensallokation einen dynamischen Ansatz verfolgen sollten, der auf dem vorherrschenden Anlagehintergrund basiert. So kann beispielsweise eine höhere makroökonomische Volatilität für eine höhere Cash-Allokation sprechen als in Zeiten relativer makroökonomischer Stabilität.

Über den Interviewten: Richard Mulley ist seit fast 18 Jahren bei Goldman Sachs Asset & Wealth Management. Seit 2017 ist er Leiter für den Emea-Raum für Liquiditätslösungen, Portfoliomanagement und Handel (Liquidity Solutions Portfolio Management and Trading).

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen